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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

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Wald geflogen, habe ein Saamenkorn in den Boden
gelegt und dem sei dieses Bäumchen mit den
Flammenblüthen entsprossen. Und das sei der dritte
Baum des Lebens. Der erste sei gewesen der Baum
der Erkenntniß im Paradiese; der zweite sei gewesen
der Baum der Aufopferung auf Golgatha; und
dieser dritte Baum sei der Baum der Menschen-
liebe, der uns das Golgatha der Erde wieder zum
Paradiese gestalte. Im brennenden Dornbusch habe
Gott vormaleinst die Gebote verkündet, und in
diesem brennenden Busche wiederhole er es heute:
Du sollst den Nächsten lieben, wie dich selbst!

Hierauf hat der Pfarrer die Kleidung und
Nahrung vertheilt, wie die Gaben bestimmt gewesen
und die Worte gesagt: "Nicht mir danket! das
Christkind hat's gebracht!"

"Du mein, du mein!" rufen die Leutchen zu
einander, "jetztund steigt uns das Christkind schon
gar in den Wald herein! Ja, weil wir halt
eine Kirche haben, und so viel einen guten Herrn
Pfarrer!"

Der Rüppel, auch einer der Beschenkten, ist
allein kindischer, wie die Andern all mitsammen.
Er eilt um den Baum herum, als thäte er das
Christkind suchen im Gezweige. -- "Aber mein!"
schreit er endlich, "die Sonne darf nicht bös auf
mich werden, aber ich weiß kein Licht auf der

Wald geflogen, habe ein Saamenkorn in den Boden
gelegt und dem ſei dieſes Bäumchen mit den
Flammenblüthen entſproſſen. Und das ſei der dritte
Baum des Lebens. Der erſte ſei geweſen der Baum
der Erkenntniß im Paradieſe; der zweite ſei geweſen
der Baum der Aufopferung auf Golgatha; und
dieſer dritte Baum ſei der Baum der Menſchen-
liebe, der uns das Golgatha der Erde wieder zum
Paradieſe geſtalte. Im brennenden Dornbuſch habe
Gott vormaleinſt die Gebote verkündet, und in
dieſem brennenden Buſche wiederhole er es heute:
Du ſollſt den Nächſten lieben, wie dich ſelbſt!

Hierauf hat der Pfarrer die Kleidung und
Nahrung vertheilt, wie die Gaben beſtimmt geweſen
und die Worte geſagt: „Nicht mir danket! das
Chriſtkind hat’s gebracht!“

„Du mein, du mein!“ rufen die Leutchen zu
einander, „jetztund ſteigt uns das Chriſtkind ſchon
gar in den Wald herein! Ja, weil wir halt
eine Kirche haben, und ſo viel einen guten Herrn
Pfarrer!“

Der Rüppel, auch einer der Beſchenkten, iſt
allein kindiſcher, wie die Andern all mitſammen.
Er eilt um den Baum herum, als thäte er das
Chriſtkind ſuchen im Gezweige. — „Aber mein!“
ſchreit er endlich, „die Sonne darf nicht bös auf
mich werden, aber ich weiß kein Licht auf der

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[342/0352] Wald geflogen, habe ein Saamenkorn in den Boden gelegt und dem ſei dieſes Bäumchen mit den Flammenblüthen entſproſſen. Und das ſei der dritte Baum des Lebens. Der erſte ſei geweſen der Baum der Erkenntniß im Paradieſe; der zweite ſei geweſen der Baum der Aufopferung auf Golgatha; und dieſer dritte Baum ſei der Baum der Menſchen- liebe, der uns das Golgatha der Erde wieder zum Paradieſe geſtalte. Im brennenden Dornbuſch habe Gott vormaleinſt die Gebote verkündet, und in dieſem brennenden Buſche wiederhole er es heute: Du ſollſt den Nächſten lieben, wie dich ſelbſt! Hierauf hat der Pfarrer die Kleidung und Nahrung vertheilt, wie die Gaben beſtimmt geweſen und die Worte geſagt: „Nicht mir danket! das Chriſtkind hat’s gebracht!“ „Du mein, du mein!“ rufen die Leutchen zu einander, „jetztund ſteigt uns das Chriſtkind ſchon gar in den Wald herein! Ja, weil wir halt eine Kirche haben, und ſo viel einen guten Herrn Pfarrer!“ Der Rüppel, auch einer der Beſchenkten, iſt allein kindiſcher, wie die Andern all mitſammen. Er eilt um den Baum herum, als thäte er das Chriſtkind ſuchen im Gezweige. — „Aber mein!“ ſchreit er endlich, „die Sonne darf nicht bös auf mich werden, aber ich weiß kein Licht auf der

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Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/352>, abgerufen am 22.11.2024.