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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

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mehr in mir gewesen, meine Gedanken und
meine Empfindungen aufzuschreiben, da ich an
unserem Pfarrer einen vortrefflichen Freund ge-
funden habe, dem ich mich unverholen mittheilen
kann, wie er sich mir mittheilt, und mir seine selt-
same Lebensgeschichte dargelegt, ehe er mich noch
gekannt hat. Das ist einer der Wenigen, die durch
Drangsale geläutert edel und rein aus den Wirren
und Irren der Welt hervorgehen. Die Wäldler
lieben ihn von Herzen; er leitet sie nicht durch
Worte bloß, sondern mehr durch seine Thaten.
Seine Sonntagspredigten erhärtet er an den Wochen-
tagen durch Beispiele. Er opfert sich auf, er ist
den Leuten Alles. Seine Haare sind nicht mehr
schwarz, wie vormaleinst im Felsenthale, sein Ge-
sicht ist ernst und heiter wie Regenbogenschein. Die
Betrübten blicken ihm in die Augen und empfinden
Trost.

Gerne erzählt er, wenn wir auf der Bank
oder um den Tisch beisammen sitzen, von der weiten,
schönen Welt, von fremden, merkwürdigen Ländern,
von den Wundern der Natur. Pfeifenfeuer gehen
dabei aus, denn Alles hört ihm zu mit Ohren und
Mund. Nur die alte Frau aus dem Winkelhüter-
hause erklärt des Pfarrers Erzählungen für vor-
witzige Fabeleien; ein ordentlicher Priester, meint
sie, müsse hübsch von Himmel und Fegfeuer reden,

mehr in mir geweſen, meine Gedanken und
meine Empfindungen aufzuſchreiben, da ich an
unſerem Pfarrer einen vortrefflichen Freund ge-
funden habe, dem ich mich unverholen mittheilen
kann, wie er ſich mir mittheilt, und mir ſeine ſelt-
ſame Lebensgeſchichte dargelegt, ehe er mich noch
gekannt hat. Das iſt einer der Wenigen, die durch
Drangſale geläutert edel und rein aus den Wirren
und Irren der Welt hervorgehen. Die Wäldler
lieben ihn von Herzen; er leitet ſie nicht durch
Worte bloß, ſondern mehr durch ſeine Thaten.
Seine Sonntagspredigten erhärtet er an den Wochen-
tagen durch Beiſpiele. Er opfert ſich auf, er iſt
den Leuten Alles. Seine Haare ſind nicht mehr
ſchwarz, wie vormaleinſt im Felſenthale, ſein Ge-
ſicht iſt ernſt und heiter wie Regenbogenſchein. Die
Betrübten blicken ihm in die Augen und empfinden
Troſt.

Gerne erzählt er, wenn wir auf der Bank
oder um den Tiſch beiſammen ſitzen, von der weiten,
ſchönen Welt, von fremden, merkwürdigen Ländern,
von den Wundern der Natur. Pfeifenfeuer gehen
dabei aus, denn Alles hört ihm zu mit Ohren und
Mund. Nur die alte Frau aus dem Winkelhüter-
hauſe erklärt des Pfarrers Erzählungen für vor-
witzige Fabeleien; ein ordentlicher Prieſter, meint
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[322/0332] mehr in mir geweſen, meine Gedanken und meine Empfindungen aufzuſchreiben, da ich an unſerem Pfarrer einen vortrefflichen Freund ge- funden habe, dem ich mich unverholen mittheilen kann, wie er ſich mir mittheilt, und mir ſeine ſelt- ſame Lebensgeſchichte dargelegt, ehe er mich noch gekannt hat. Das iſt einer der Wenigen, die durch Drangſale geläutert edel und rein aus den Wirren und Irren der Welt hervorgehen. Die Wäldler lieben ihn von Herzen; er leitet ſie nicht durch Worte bloß, ſondern mehr durch ſeine Thaten. Seine Sonntagspredigten erhärtet er an den Wochen- tagen durch Beiſpiele. Er opfert ſich auf, er iſt den Leuten Alles. Seine Haare ſind nicht mehr ſchwarz, wie vormaleinſt im Felſenthale, ſein Ge- ſicht iſt ernſt und heiter wie Regenbogenſchein. Die Betrübten blicken ihm in die Augen und empfinden Troſt. Gerne erzählt er, wenn wir auf der Bank oder um den Tiſch beiſammen ſitzen, von der weiten, ſchönen Welt, von fremden, merkwürdigen Ländern, von den Wundern der Natur. Pfeifenfeuer gehen dabei aus, denn Alles hört ihm zu mit Ohren und Mund. Nur die alte Frau aus dem Winkelhüter- hauſe erklärt des Pfarrers Erzählungen für vor- witzige Fabeleien; ein ordentlicher Prieſter, meint ſie, müſſe hübſch von Himmel und Fegfeuer reden,

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Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/332>, abgerufen am 22.11.2024.