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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

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legte eine blaugestreifte Zipfelmütze auf den Kopf-
polster des Bettes. Dann gab es mir noch einige
Rathschläge bezüglich der Thürschlüssel, sagte: "So,
in Gottesnamen, jetzt geh' ich," -- und sie ging.

Die äußere Thür sperrte sie ab, an der inne-
ren drehte ich den Schlüssel um, und nun war ich
allein in der Wohnung des in Verlust gerathenen
Schulmeisters.

Was war das für ein sonderbares Geschick
mit diesem Manne, und was waren das für son-
derbare Nachreden der Leute? Und wie verschieden
waren diese Nachreden! Ein guter, vortrefflicher
Mann, ein Narr, ein Hexenmeister, und gar Einer,
den zuletzt der Teufel holt! --

Ich sah mich in der Stube um. Da war
ein wurmstichiger Tisch und ein brauner Kasten.
Da hing eine alte, schwarze Pendeluhr mit völlig
erblindetem Zifferblatte, vor welchem der kurze
Pendel so emsig hin und herhüpfte, als wollte er
nur hastig, hastig aus banger Zeit in eine bessere
Zukunft eilen. -- Und meint ihr, ich hätte von
draußen herein nicht auch die Unruh der Kirch-
thurmuhr gehört?

Neben der Uhr hingen einige aus Wachholder
geschnittene Tabakspfeifen mit übermäßig langen
Röhren; ferner eine Geige und eine uralte Zither
mit drei Saiten. Sonst war überall das gewöhn-

Rosegger: Waldschulmeister. 2

legte eine blaugeſtreifte Zipfelmütze auf den Kopf-
polſter des Bettes. Dann gab es mir noch einige
Rathſchläge bezüglich der Thürſchlüſſel, ſagte: „So,
in Gottesnamen, jetzt geh’ ich,“ — und ſie ging.

Die äußere Thür ſperrte ſie ab, an der inne-
ren drehte ich den Schlüſſel um, und nun war ich
allein in der Wohnung des in Verluſt gerathenen
Schulmeiſters.

Was war das für ein ſonderbares Geſchick
mit dieſem Manne, und was waren das für ſon-
derbare Nachreden der Leute? Und wie verſchieden
waren dieſe Nachreden! Ein guter, vortrefflicher
Mann, ein Narr, ein Hexenmeiſter, und gar Einer,
den zuletzt der Teufel holt! —

Ich ſah mich in der Stube um. Da war
ein wurmſtichiger Tiſch und ein brauner Kaſten.
Da hing eine alte, ſchwarze Pendeluhr mit völlig
erblindetem Zifferblatte, vor welchem der kurze
Pendel ſo emſig hin und herhüpfte, als wollte er
nur haſtig, haſtig aus banger Zeit in eine beſſere
Zukunft eilen. — Und meint ihr, ich hätte von
draußen herein nicht auch die Unruh der Kirch-
thurmuhr gehört?

Neben der Uhr hingen einige aus Wachholder
geſchnittene Tabakspfeifen mit übermäßig langen
Röhren; ferner eine Geige und eine uralte Zither
mit drei Saiten. Sonſt war überall das gewöhn-

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[17/0027] legte eine blaugeſtreifte Zipfelmütze auf den Kopf- polſter des Bettes. Dann gab es mir noch einige Rathſchläge bezüglich der Thürſchlüſſel, ſagte: „So, in Gottesnamen, jetzt geh’ ich,“ — und ſie ging. Die äußere Thür ſperrte ſie ab, an der inne- ren drehte ich den Schlüſſel um, und nun war ich allein in der Wohnung des in Verluſt gerathenen Schulmeiſters. Was war das für ein ſonderbares Geſchick mit dieſem Manne, und was waren das für ſon- derbare Nachreden der Leute? Und wie verſchieden waren dieſe Nachreden! Ein guter, vortrefflicher Mann, ein Narr, ein Hexenmeiſter, und gar Einer, den zuletzt der Teufel holt! — Ich ſah mich in der Stube um. Da war ein wurmſtichiger Tiſch und ein brauner Kaſten. Da hing eine alte, ſchwarze Pendeluhr mit völlig erblindetem Zifferblatte, vor welchem der kurze Pendel ſo emſig hin und herhüpfte, als wollte er nur haſtig, haſtig aus banger Zeit in eine beſſere Zukunft eilen. — Und meint ihr, ich hätte von draußen herein nicht auch die Unruh der Kirch- thurmuhr gehört? Neben der Uhr hingen einige aus Wachholder geſchnittene Tabakspfeifen mit übermäßig langen Röhren; ferner eine Geige und eine uralte Zither mit drei Saiten. Sonſt war überall das gewöhn- Roſegger: Waldſchulmeiſter. 2

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Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/27>, abgerufen am 26.04.2024.