schon den "englischen Gruß" gebetet und ich höre noch nicht auf!
Da lasse ich den Glockenstrick wol fahren und deute auf den Jungen: "Seht, endlich ist er da. Habt ihr das Läuten denn nicht verstanden? Der Lazarus ist gefunden."
Besser als jegliche Glocke weiß solche Mähr ein Weib zu verkünden. Kaum eilt die Winkel- hüterin zetternd davon, sind ich und der Lazarus schon von Menschen umringt. Ich weiß kaum, wie ich die Sache erzählen soll und der Junge murmelt ein- um das anderemal: "Paulus," und sonst sagt er kein Wort.
Wir fragen ihn, wer Paulus sei; statt auf die Frage zu antworten, versetzt er mit seltsam scheuem Blick: "Er hat mich hergeführt zum Kreuz." Und laut und angstvoll ruft er: "Paulus!" Seine Zunge ist unbeholfen, seine Stimme völlig fremdartig.
Wir führen ihn in's Haus; die Hauswirthin stellt ihm zu essen vor. Traurig blickt er auf den Eierkuchen, wendet den Kopf nach allen Seiten und immer wieder zurück auf den Kuchen, und rührt keinen Bissen an.
Allmiteinander reden wir ihm zu, daß er essen möge. Seine mageren Hände strecken sich aus dem Lodenüberwurf hervor und nach der Speise aus, aber sie zucken wieder zurück und der Junge zittert
ſchon den „engliſchen Gruß“ gebetet und ich höre noch nicht auf!
Da laſſe ich den Glockenſtrick wol fahren und deute auf den Jungen: „Seht, endlich iſt er da. Habt ihr das Läuten denn nicht verſtanden? Der Lazarus iſt gefunden.“
Beſſer als jegliche Glocke weiß ſolche Mähr ein Weib zu verkünden. Kaum eilt die Winkel- hüterin zetternd davon, ſind ich und der Lazarus ſchon von Menſchen umringt. Ich weiß kaum, wie ich die Sache erzählen ſoll und der Junge murmelt ein- um das anderemal: „Paulus,“ und ſonſt ſagt er kein Wort.
Wir fragen ihn, wer Paulus ſei; ſtatt auf die Frage zu antworten, verſetzt er mit ſeltſam ſcheuem Blick: „Er hat mich hergeführt zum Kreuz.“ Und laut und angſtvoll ruft er: „Paulus!“ Seine Zunge iſt unbeholfen, ſeine Stimme völlig fremdartig.
Wir führen ihn in’s Haus; die Hauswirthin ſtellt ihm zu eſſen vor. Traurig blickt er auf den Eierkuchen, wendet den Kopf nach allen Seiten und immer wieder zurück auf den Kuchen, und rührt keinen Biſſen an.
Allmiteinander reden wir ihm zu, daß er eſſen möge. Seine mageren Hände ſtrecken ſich aus dem Lodenüberwurf hervor und nach der Speiſe aus, aber ſie zucken wieder zurück und der Junge zittert
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ſchon den „engliſchen Gruß“ gebetet und ich höre
noch nicht auf!
Da laſſe ich den Glockenſtrick wol fahren und
deute auf den Jungen: „Seht, endlich iſt er da.
Habt ihr das Läuten denn nicht verſtanden? Der
Lazarus iſt gefunden.“
Beſſer als jegliche Glocke weiß ſolche Mähr
ein Weib zu verkünden. Kaum eilt die Winkel-
hüterin zetternd davon, ſind ich und der Lazarus
ſchon von Menſchen umringt. Ich weiß kaum, wie
ich die Sache erzählen ſoll und der Junge murmelt
ein- um das anderemal: „Paulus,“ und ſonſt ſagt
er kein Wort.
Wir fragen ihn, wer Paulus ſei; ſtatt auf
die Frage zu antworten, verſetzt er mit ſeltſam
ſcheuem Blick: „Er hat mich hergeführt zum Kreuz.“
Und laut und angſtvoll ruft er: „Paulus!“ Seine
Zunge iſt unbeholfen, ſeine Stimme völlig fremdartig.
Wir führen ihn in’s Haus; die Hauswirthin
ſtellt ihm zu eſſen vor. Traurig blickt er auf den
Eierkuchen, wendet den Kopf nach allen Seiten und
immer wieder zurück auf den Kuchen, und rührt
keinen Biſſen an.
Allmiteinander reden wir ihm zu, daß er eſſen
möge. Seine mageren Hände ſtrecken ſich aus dem
Lodenüberwurf hervor und nach der Speiſe aus,
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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/261>, abgerufen am 24.11.2024.
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