hat, werde ich gefragt. Es ist gut, daß die Fenster so hoch sind, sonst müßte man es wol merken, daß über den Glastafeln nur buntes Papier klebt. Die beiden Fenster stellen in einem grünen Dornenkranze mit rothen und weißen Rosen die zwei Gesetztafeln Moses vor. Ueber dem Altare und dem Kreuze ist ein Rundfenster mit dem Auge Gottes und den Worten: "Ich bin der Herr, dein Gott, der dich befreit aus der Knechtschaft. Mache dir kein geschnitztes Bild, um es anzubeten."
Der Pfarrer von Holdenschlag, der hier ge- wesen, um die Weihe und den Gottesdienst zu voll- ziehen, hat mir bedeutet, die obigen Worte paßten nicht. "Du sollst allein an einen Gott glauben!" müsse es heißen. Ich antworte, daß ich die angewen- deten Worte in einer sehr alten Bibel gelesen hätte.
Der Schulmeister von Holdenschlag hat die Orgel gespielt, die einen sehr reinen, innigen Klang hat. "Die Freuden und Schmerzen im Herzen, die der Mund nicht kann sagen und klagen, die spru- deln aus Musik hell und klar, wie ein Bronnen in der Sonnen!" sagt der alte Waldsänger.
Wie ich mich auf der Zither geübt habe, so übe ich mich nunmehr auf der Orgel. Jeder liebliche Ton ist ein Eimer, der niedersteigt in das Herz der Andächtigen und die Seele emporhebt zum Altare Gottes.
hat, werde ich gefragt. Es iſt gut, daß die Fenſter ſo hoch ſind, ſonſt müßte man es wol merken, daß über den Glastafeln nur buntes Papier klebt. Die beiden Fenſter ſtellen in einem grünen Dornenkranze mit rothen und weißen Roſen die zwei Geſetztafeln Moſes vor. Ueber dem Altare und dem Kreuze iſt ein Rundfenſter mit dem Auge Gottes und den Worten: „Ich bin der Herr, dein Gott, der dich befreit aus der Knechtſchaft. Mache dir kein geſchnitztes Bild, um es anzubeten.“
Der Pfarrer von Holdenſchlag, der hier ge- weſen, um die Weihe und den Gottesdienſt zu voll- ziehen, hat mir bedeutet, die obigen Worte paßten nicht. „Du ſollſt allein an einen Gott glauben!“ müſſe es heißen. Ich antworte, daß ich die angewen- deten Worte in einer ſehr alten Bibel geleſen hätte.
Der Schulmeiſter von Holdenſchlag hat die Orgel geſpielt, die einen ſehr reinen, innigen Klang hat. „Die Freuden und Schmerzen im Herzen, die der Mund nicht kann ſagen und klagen, die ſpru- deln aus Muſik hell und klar, wie ein Bronnen in der Sonnen!“ ſagt der alte Waldſänger.
Wie ich mich auf der Zither geübt habe, ſo übe ich mich nunmehr auf der Orgel. Jeder liebliche Ton iſt ein Eimer, der niederſteigt in das Herz der Andächtigen und die Seele emporhebt zum Altare Gottes.
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hat, werde ich gefragt. Es iſt gut, daß die Fenſter
ſo hoch ſind, ſonſt müßte man es wol merken, daß
über den Glastafeln nur buntes Papier klebt. Die
beiden Fenſter ſtellen in einem grünen Dornenkranze
mit rothen und weißen Roſen die zwei Geſetztafeln
Moſes vor. Ueber dem Altare und dem Kreuze iſt
ein Rundfenſter mit dem Auge Gottes und den
Worten: „Ich bin der Herr, dein Gott, der
dich befreit aus der Knechtſchaft. Mache dir kein
geſchnitztes Bild, um es anzubeten.“
Der Pfarrer von Holdenſchlag, der hier ge-
weſen, um die Weihe und den Gottesdienſt zu voll-
ziehen, hat mir bedeutet, die obigen Worte paßten
nicht. „Du ſollſt allein an einen Gott glauben!“
müſſe es heißen. Ich antworte, daß ich die angewen-
deten Worte in einer ſehr alten Bibel geleſen hätte.
Der Schulmeiſter von Holdenſchlag hat die
Orgel geſpielt, die einen ſehr reinen, innigen Klang
hat. „Die Freuden und Schmerzen im Herzen, die
der Mund nicht kann ſagen und klagen, die ſpru-
deln aus Muſik hell und klar, wie ein Bronnen in
der Sonnen!“ ſagt der alte Waldſänger.
Wie ich mich auf der Zither geübt habe, ſo
übe ich mich nunmehr auf der Orgel. Jeder liebliche
Ton iſt ein Eimer, der niederſteigt in das Herz
der Andächtigen und die Seele emporhebt zum
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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/255>, abgerufen am 24.11.2024.
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