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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

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Kirchweih 1818.

Sonntag ist!

Der erste Sonntag in den Winkelwäldern.
Die Glocken haben es schon im Morgenroth ver-
kündet, und da sind die Leute herbeigekommen aus
dem Hinterwinkel, aus dem Miesenbacheck, von den
Lautergräben, von den Karwassern, und aus allen
Klausen und Höhlen der weiten Wälder. Heute
machen sie nicht Holzer oder Kohlenbrenner, oder
was sie eben sonst sind, heute zum erstenmal
schmelzen sie zusammen in Eins, in einen Körper
und heißen: die Gemeinde.

Die Kirche ist fertig. Ueber dem Altartische
ragt das Kreuz aus dem Felsenthale; es steht hier-
orts so anspruchslos und schier so stimmungsvoll,
wie es dort in der Einsamkeit gestanden. Unter
den Leuten werden Aeußerungen gehört, das sei das
wahrhaftige Kreuz des Heilandes. Wenn sie Trost
und Erhebung in diesem Gedanken finden, dann
ist es, wie sie sagen.

Das Gezelt des Heiligsten ist ein Geschenk des
Freiherrn; die Kerzenleuchter und das Speisegitter
hat der Ehrenwald geschnitzt. Wer doch die zwei
schönen Altarfenster mit den Glasmalereien gespendet

Kirchweih 1818.

Sonntag iſt!

Der erſte Sonntag in den Winkelwäldern.
Die Glocken haben es ſchon im Morgenroth ver-
kündet, und da ſind die Leute herbeigekommen aus
dem Hinterwinkel, aus dem Mieſenbacheck, von den
Lautergräben, von den Karwaſſern, und aus allen
Klauſen und Höhlen der weiten Wälder. Heute
machen ſie nicht Holzer oder Kohlenbrenner, oder
was ſie eben ſonſt ſind, heute zum erſtenmal
ſchmelzen ſie zuſammen in Eins, in einen Körper
und heißen: die Gemeinde.

Die Kirche iſt fertig. Ueber dem Altartiſche
ragt das Kreuz aus dem Felſenthale; es ſteht hier-
orts ſo anſpruchslos und ſchier ſo ſtimmungsvoll,
wie es dort in der Einſamkeit geſtanden. Unter
den Leuten werden Aeußerungen gehört, das ſei das
wahrhaftige Kreuz des Heilandes. Wenn ſie Troſt
und Erhebung in dieſem Gedanken finden, dann
iſt es, wie ſie ſagen.

Das Gezelt des Heiligſten iſt ein Geſchenk des
Freiherrn; die Kerzenleuchter und das Speiſegitter
hat der Ehrenwald geſchnitzt. Wer doch die zwei
ſchönen Altarfenſter mit den Glasmalereien geſpendet

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[244/0254] Kirchweih 1818. Sonntag iſt! Der erſte Sonntag in den Winkelwäldern. Die Glocken haben es ſchon im Morgenroth ver- kündet, und da ſind die Leute herbeigekommen aus dem Hinterwinkel, aus dem Mieſenbacheck, von den Lautergräben, von den Karwaſſern, und aus allen Klauſen und Höhlen der weiten Wälder. Heute machen ſie nicht Holzer oder Kohlenbrenner, oder was ſie eben ſonſt ſind, heute zum erſtenmal ſchmelzen ſie zuſammen in Eins, in einen Körper und heißen: die Gemeinde. Die Kirche iſt fertig. Ueber dem Altartiſche ragt das Kreuz aus dem Felſenthale; es ſteht hier- orts ſo anſpruchslos und ſchier ſo ſtimmungsvoll, wie es dort in der Einſamkeit geſtanden. Unter den Leuten werden Aeußerungen gehört, das ſei das wahrhaftige Kreuz des Heilandes. Wenn ſie Troſt und Erhebung in dieſem Gedanken finden, dann iſt es, wie ſie ſagen. Das Gezelt des Heiligſten iſt ein Geſchenk des Freiherrn; die Kerzenleuchter und das Speiſegitter hat der Ehrenwald geſchnitzt. Wer doch die zwei ſchönen Altarfenſter mit den Glasmalereien geſpendet

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Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/254>, abgerufen am 28.07.2024.