des Glases, aus dem bei der Aufrichtung unseres Kirchthurmkreuzes getrunken worden.
Noch steht Paul auf hoher Zinne, Arm in Arm mit dem Kreuze; da kommt im Thurmfenster der graubärtige Kopf unseres Fabelhans-Rüppel zum Vorscheine. Der zwinckert so gewaltig mit den weißen Augenbüschen, daß man es gar herunten bemerken kann, und hebt so an zu reden:
"Weil ich mich nicht auf die Spitz' getrau, so ich zu diesem Fenster herausschau. Auf der Spitz' steht ein junger Mann, dem steht das Trinken an; das Reden aber mir Alten. Will euch doch keine Predigt halten; dafür wird unten die Kanzel gebaut und dieselb' einem rechtschaffenen Pfarrer vertraut. Neben der Kanzel werdet ihr einen Taufstein er- blicken; dem hab' ich nichts mehr zu schicken; aber es gibt Leut' in der Pfarr, die brauchen so ein' Waschtrog alle Jahr; Der Taufbrunn' darf nicht zu klein, im Holzhauerland muß das ein starker Brunnen sein. Aber gleich daneben thut der Beicht- stuhl stehn, da tragen sie alle Sünden hinein, sind sie groß oder klein. Gott wird sie verzeihn; der Beichtvater aber soll die Ohren verschließen, der kann die Sünden von sich selber wissen. Dann ist der Hochaltar, da schüttet man seinen Kummer aus und geht wieder frisch und jung nach Haus. Und der liebe Gott wird zwölf Engel senden, die werden
des Glaſes, aus dem bei der Aufrichtung unſeres Kirchthurmkreuzes getrunken worden.
Noch ſteht Paul auf hoher Zinne, Arm in Arm mit dem Kreuze; da kommt im Thurmfenſter der graubärtige Kopf unſeres Fabelhans-Rüppel zum Vorſcheine. Der zwinckert ſo gewaltig mit den weißen Augenbüſchen, daß man es gar herunten bemerken kann, und hebt ſo an zu reden:
„Weil ich mich nicht auf die Spitz’ getrau, ſo ich zu dieſem Fenſter herausſchau. Auf der Spitz’ ſteht ein junger Mann, dem ſteht das Trinken an; das Reden aber mir Alten. Will euch doch keine Predigt halten; dafür wird unten die Kanzel gebaut und dieſelb’ einem rechtſchaffenen Pfarrer vertraut. Neben der Kanzel werdet ihr einen Taufſtein er- blicken; dem hab’ ich nichts mehr zu ſchicken; aber es gibt Leut’ in der Pfarr, die brauchen ſo ein’ Waſchtrog alle Jahr; Der Taufbrunn’ darf nicht zu klein, im Holzhauerland muß das ein ſtarker Brunnen ſein. Aber gleich daneben thut der Beicht- ſtuhl ſtehn, da tragen ſie alle Sünden hinein, ſind ſie groß oder klein. Gott wird ſie verzeihn; der Beichtvater aber ſoll die Ohren verſchließen, der kann die Sünden von ſich ſelber wiſſen. Dann iſt der Hochaltar, da ſchüttet man ſeinen Kummer aus und geht wieder friſch und jung nach Haus. Und der liebe Gott wird zwölf Engel ſenden, die werden
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des Glaſes, aus dem bei der Aufrichtung unſeres
Kirchthurmkreuzes getrunken worden.
Noch ſteht Paul auf hoher Zinne, Arm in
Arm mit dem Kreuze; da kommt im Thurmfenſter
der graubärtige Kopf unſeres Fabelhans-Rüppel
zum Vorſcheine. Der zwinckert ſo gewaltig mit den
weißen Augenbüſchen, daß man es gar herunten
bemerken kann, und hebt ſo an zu reden:
„Weil ich mich nicht auf die Spitz’ getrau,
ſo ich zu dieſem Fenſter herausſchau. Auf der Spitz’
ſteht ein junger Mann, dem ſteht das Trinken an;
das Reden aber mir Alten. Will euch doch keine
Predigt halten; dafür wird unten die Kanzel gebaut
und dieſelb’ einem rechtſchaffenen Pfarrer vertraut.
Neben der Kanzel werdet ihr einen Taufſtein er-
blicken; dem hab’ ich nichts mehr zu ſchicken; aber
es gibt Leut’ in der Pfarr, die brauchen ſo ein’
Waſchtrog alle Jahr; Der Taufbrunn’ darf nicht
zu klein, im Holzhauerland muß das ein ſtarker
Brunnen ſein. Aber gleich daneben thut der Beicht-
ſtuhl ſtehn, da tragen ſie alle Sünden hinein, ſind
ſie groß oder klein. Gott wird ſie verzeihn; der
Beichtvater aber ſoll die Ohren verſchließen, der
kann die Sünden von ſich ſelber wiſſen. Dann iſt
der Hochaltar, da ſchüttet man ſeinen Kummer aus
und geht wieder friſch und jung nach Haus. Und
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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/228>, abgerufen am 23.11.2024.
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