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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

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Eine große Menge Leute hat sich versammelt;
es gibt doch viele Bewohner in den Wäldern.

Von Holdenschlag aber soll kein Mensch da-
gewesen sein, nicht einmal der Pfarrer. Letztlich
gönnen sie uns etwan gar die neue Kirche nicht? --
Wol aber ist jenseits des Winkelbaches der Einspanig
gesehen worden. Er schleicht und lauert, zerrt sein
aschenfarbig Lodentuch über das bewüstete Haupt;
hastet am Bache hin und wieder und endlich hinein
in das Dickicht. -- Das ist ein seltsamer Mensch;
mehr und mehr zieht er sich zurück von den Leuten
und nur an bedeutsamen Tagen wird er gesehen.
Niemand weiß, wer er ist, von wannen er kommt,
und was er webt, das weiß kein Weber.

Auch der Holzmeister nimmt an dem Feste
theil, ist ganz außerordentlich aufgeziert und hat
gar seinen rothen Vollbart gekämmt. In der Hand
hat er einen beknopften Stock getragen, da merke
ich gleich, es geht nicht gewöhnlich zu. Und richtig,
er hält eine Rede, in welcher er sagt, daß er heute
im Namen des Waldherrn der neuen Gemeinde die
neue Kirche übergebe.

Das Kreuz trägt ein kräftiger Mann an den
Arm gebunden hinauf. Es ist Paul, der junge
Meisterknecht aus den Lautergräben. Von dem
Thurmfenster, durch das er heraussteigt, ist ein
sehr einfaches Gerüste an dem fast senkrechten

Eine große Menge Leute hat ſich verſammelt;
es gibt doch viele Bewohner in den Wäldern.

Von Holdenſchlag aber ſoll kein Menſch da-
geweſen ſein, nicht einmal der Pfarrer. Letztlich
gönnen ſie uns etwan gar die neue Kirche nicht? —
Wol aber iſt jenſeits des Winkelbaches der Einſpanig
geſehen worden. Er ſchleicht und lauert, zerrt ſein
aſchenfarbig Lodentuch über das bewüſtete Haupt;
haſtet am Bache hin und wieder und endlich hinein
in das Dickicht. — Das iſt ein ſeltſamer Menſch;
mehr und mehr zieht er ſich zurück von den Leuten
und nur an bedeutſamen Tagen wird er geſehen.
Niemand weiß, wer er iſt, von wannen er kommt,
und was er webt, das weiß kein Weber.

Auch der Holzmeiſter nimmt an dem Feſte
theil, iſt ganz außerordentlich aufgeziert und hat
gar ſeinen rothen Vollbart gekämmt. In der Hand
hat er einen beknopften Stock getragen, da merke
ich gleich, es geht nicht gewöhnlich zu. Und richtig,
er hält eine Rede, in welcher er ſagt, daß er heute
im Namen des Waldherrn der neuen Gemeinde die
neue Kirche übergebe.

Das Kreuz trägt ein kräftiger Mann an den
Arm gebunden hinauf. Es iſt Paul, der junge
Meiſterknecht aus den Lautergräben. Von dem
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[216/0226] Eine große Menge Leute hat ſich verſammelt; es gibt doch viele Bewohner in den Wäldern. Von Holdenſchlag aber ſoll kein Menſch da- geweſen ſein, nicht einmal der Pfarrer. Letztlich gönnen ſie uns etwan gar die neue Kirche nicht? — Wol aber iſt jenſeits des Winkelbaches der Einſpanig geſehen worden. Er ſchleicht und lauert, zerrt ſein aſchenfarbig Lodentuch über das bewüſtete Haupt; haſtet am Bache hin und wieder und endlich hinein in das Dickicht. — Das iſt ein ſeltſamer Menſch; mehr und mehr zieht er ſich zurück von den Leuten und nur an bedeutſamen Tagen wird er geſehen. Niemand weiß, wer er iſt, von wannen er kommt, und was er webt, das weiß kein Weber. Auch der Holzmeiſter nimmt an dem Feſte theil, iſt ganz außerordentlich aufgeziert und hat gar ſeinen rothen Vollbart gekämmt. In der Hand hat er einen beknopften Stock getragen, da merke ich gleich, es geht nicht gewöhnlich zu. Und richtig, er hält eine Rede, in welcher er ſagt, daß er heute im Namen des Waldherrn der neuen Gemeinde die neue Kirche übergebe. Das Kreuz trägt ein kräftiger Mann an den Arm gebunden hinauf. Es iſt Paul, der junge Meiſterknecht aus den Lautergräben. Von dem Thurmfenſter, durch das er herausſteigt, iſt ein ſehr einfaches Gerüſte an dem faſt ſenkrechten

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Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/226>, abgerufen am 08.05.2024.