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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

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kleben sie allerlei Schmieren und Salben hinein.
Das muß schon eine kräftige Natur sein, die sich
trotz solcher Hemmnisse aufrafft. Ich habe recht zu
thun gehabt, daß mir der Jäger nicht unterlegen ist.

Als ich das letztemal bei ihm bin, ist ein
stürmischer Märztag. Auf dem Rückwege sind die
Pfade schauderhaft verschneit und verweht. Stellen-
weise ist mir der Schnee bis zur Brust empor-
gegangen. Viele Stunden habe ich mich so fort-
gekämpft, aber es bricht die Nacht herein und ich
habe das Winkelthal noch lange nicht erreicht. Eine
unsägliche Ermüdung kommt über mich, der ich zwar
lange widerstehe, die endlich aber nicht mehr zu
überwinden ist. Da habe ich schon gar nichts Anders
mehr gemeint, als daß ich so mitten im Schnee
würde umkommen müssen, und daß sie mich im
Frühjahre finden und an der neuen Kirche im
Winkel vorüber nach Holdenschlag tragen würden.
-- Dahier im Waldesfriedhof möcht' ich liegen.

Erst nach Wochen habe ich es erfahren, daß
ich nicht erfroren bin, daß mir an demselbigen
Abende zwei Holzhauer auf Schneeleitern entgegen-
gekommen sind, mich bewußtlos gefunden und in's
Winkelhütterhaus getragen haben. Als ich nachher
viele Tage lang in der schweren Krankheit gelegen,
sollen sie sogar einmal den Bader von Holdenschlag
zu mir gerufen haben. Und der Bote, der den Arzt

kleben ſie allerlei Schmieren und Salben hinein.
Das muß ſchon eine kräftige Natur ſein, die ſich
trotz ſolcher Hemmniſſe aufrafft. Ich habe recht zu
thun gehabt, daß mir der Jäger nicht unterlegen iſt.

Als ich das letztemal bei ihm bin, iſt ein
ſtürmiſcher Märztag. Auf dem Rückwege ſind die
Pfade ſchauderhaft verſchneit und verweht. Stellen-
weiſe iſt mir der Schnee bis zur Bruſt empor-
gegangen. Viele Stunden habe ich mich ſo fort-
gekämpft, aber es bricht die Nacht herein und ich
habe das Winkelthal noch lange nicht erreicht. Eine
unſägliche Ermüdung kommt über mich, der ich zwar
lange widerſtehe, die endlich aber nicht mehr zu
überwinden iſt. Da habe ich ſchon gar nichts Anders
mehr gemeint, als daß ich ſo mitten im Schnee
würde umkommen müſſen, und daß ſie mich im
Frühjahre finden und an der neuen Kirche im
Winkel vorüber nach Holdenſchlag tragen würden.
— Dahier im Waldesfriedhof möcht’ ich liegen.

Erſt nach Wochen habe ich es erfahren, daß
ich nicht erfroren bin, daß mir an demſelbigen
Abende zwei Holzhauer auf Schneeleitern entgegen-
gekommen ſind, mich bewußtlos gefunden und in’s
Winkelhütterhaus getragen haben. Als ich nachher
viele Tage lang in der ſchweren Krankheit gelegen,
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[192/0202] kleben ſie allerlei Schmieren und Salben hinein. Das muß ſchon eine kräftige Natur ſein, die ſich trotz ſolcher Hemmniſſe aufrafft. Ich habe recht zu thun gehabt, daß mir der Jäger nicht unterlegen iſt. Als ich das letztemal bei ihm bin, iſt ein ſtürmiſcher Märztag. Auf dem Rückwege ſind die Pfade ſchauderhaft verſchneit und verweht. Stellen- weiſe iſt mir der Schnee bis zur Bruſt empor- gegangen. Viele Stunden habe ich mich ſo fort- gekämpft, aber es bricht die Nacht herein und ich habe das Winkelthal noch lange nicht erreicht. Eine unſägliche Ermüdung kommt über mich, der ich zwar lange widerſtehe, die endlich aber nicht mehr zu überwinden iſt. Da habe ich ſchon gar nichts Anders mehr gemeint, als daß ich ſo mitten im Schnee würde umkommen müſſen, und daß ſie mich im Frühjahre finden und an der neuen Kirche im Winkel vorüber nach Holdenſchlag tragen würden. — Dahier im Waldesfriedhof möcht’ ich liegen. Erſt nach Wochen habe ich es erfahren, daß ich nicht erfroren bin, daß mir an demſelbigen Abende zwei Holzhauer auf Schneeleitern entgegen- gekommen ſind, mich bewußtlos gefunden und in’s Winkelhütterhaus getragen haben. Als ich nachher viele Tage lang in der ſchweren Krankheit gelegen, ſollen ſie ſogar einmal den Bader von Holdenſchlag zu mir gerufen haben. Und der Bote, der den Arzt

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Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/202>, abgerufen am 08.05.2024.