Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

Und thät' ich das Gefunkel desselbigen Fen-
sters erblicken, dann wollt' ich gern umkehren und
zurück in den Himmel.

Ob es wol wahr ist, daß man von dieser
Spitze aus das Meer kann sehen? -- Meine Augen
sind nicht klar, und dort in Mittag zittert das
Graue der Erde mit dem Grauen des Himmels
ineinander. -- Den festen Boden kenne ich; was
Moder ist, nennen sie fruchtbare Erde. Könntest
du, mein Augenblick, nur ein einzigmal das weite
Meer erreichen! -- --

Als endlich die Sonne sich so hat gewendet,
daß der blaue Schatten ist erschienen auf meiner
steinigen Ruhestatt, da habe ich mich erhoben und
bin emporgestiegen auf den allerhöchsten Punkt. Ich
habe den Rundblick gethan in die ungeheuere
Zackenkrone der Alpen.

Und darnach bin ich niedergestiegen an den
Felshängen, den Gletscherschründen, den Schneefel-
dern; bin hingegangen auf dem langen Grat, bin
endlich wieder herabgekommen auf die sanften,
weichen Matten. Da sind vor mir wieder die
Waldberge gewesen; aus den Thälern ist die
Dämmerung gestiegen. Diese hat mir fast wohl-
gethan; vor meinem überreizten Auge hat es noch
lange geflimmert und gefunkelt. Eine Weile habe
ich die Hand davorgehalten. Und als ich meinen

Und thät’ ich das Gefunkel desſelbigen Fen-
ſters erblicken, dann wollt’ ich gern umkehren und
zurück in den Himmel.

Ob es wol wahr iſt, daß man von dieſer
Spitze aus das Meer kann ſehen? — Meine Augen
ſind nicht klar, und dort in Mittag zittert das
Graue der Erde mit dem Grauen des Himmels
ineinander. — Den feſten Boden kenne ich; was
Moder iſt, nennen ſie fruchtbare Erde. Könnteſt
du, mein Augenblick, nur ein einzigmal das weite
Meer erreichen! — —

Als endlich die Sonne ſich ſo hat gewendet,
daß der blaue Schatten iſt erſchienen auf meiner
ſteinigen Ruheſtatt, da habe ich mich erhoben und
bin emporgeſtiegen auf den allerhöchſten Punkt. Ich
habe den Rundblick gethan in die ungeheuere
Zackenkrone der Alpen.

Und darnach bin ich niedergeſtiegen an den
Felshängen, den Gletſcherſchründen, den Schneefel-
dern; bin hingegangen auf dem langen Grat, bin
endlich wieder herabgekommen auf die ſanften,
weichen Matten. Da ſind vor mir wieder die
Waldberge geweſen; aus den Thälern iſt die
Dämmerung geſtiegen. Dieſe hat mir faſt wohl-
gethan; vor meinem überreizten Auge hat es noch
lange geflimmert und gefunkelt. Eine Weile habe
ich die Hand davorgehalten. Und als ich meinen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0164" n="154"/>
          <p>Und thät&#x2019; ich das Gefunkel des&#x017F;elbigen Fen-<lb/>
&#x017F;ters erblicken, dann wollt&#x2019; ich gern umkehren und<lb/>
zurück in den Himmel.</p><lb/>
          <p>Ob es wol wahr i&#x017F;t, daß man von die&#x017F;er<lb/>
Spitze aus das Meer kann &#x017F;ehen? &#x2014; Meine Augen<lb/>
&#x017F;ind nicht klar, und dort in Mittag zittert das<lb/>
Graue der Erde mit dem Grauen des Himmels<lb/>
ineinander. &#x2014; Den fe&#x017F;ten Boden kenne ich; was<lb/>
Moder i&#x017F;t, nennen &#x017F;ie fruchtbare Erde. Könnte&#x017F;t<lb/>
du, mein Augenblick, nur ein einzigmal das weite<lb/><hi rendition="#g">Meer</hi> erreichen! &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
          <p>Als endlich die Sonne &#x017F;ich &#x017F;o hat gewendet,<lb/>
daß der blaue Schatten i&#x017F;t er&#x017F;chienen auf meiner<lb/>
&#x017F;teinigen Ruhe&#x017F;tatt, da habe ich mich erhoben und<lb/>
bin emporge&#x017F;tiegen auf den allerhöch&#x017F;ten Punkt. Ich<lb/>
habe den Rundblick gethan in die ungeheuere<lb/>
Zackenkrone der Alpen.</p><lb/>
          <p>Und darnach bin ich niederge&#x017F;tiegen an den<lb/>
Felshängen, den Glet&#x017F;cher&#x017F;chründen, den Schneefel-<lb/>
dern; bin hingegangen auf dem langen Grat, bin<lb/>
endlich wieder herabgekommen auf die &#x017F;anften,<lb/>
weichen Matten. Da &#x017F;ind vor mir wieder die<lb/>
Waldberge gewe&#x017F;en; aus den Thälern i&#x017F;t die<lb/>
Dämmerung ge&#x017F;tiegen. Die&#x017F;e hat mir fa&#x017F;t wohl-<lb/>
gethan; vor meinem überreizten Auge hat es noch<lb/>
lange geflimmert und gefunkelt. Eine Weile habe<lb/>
ich die Hand davorgehalten. Und als ich meinen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[154/0164] Und thät’ ich das Gefunkel desſelbigen Fen- ſters erblicken, dann wollt’ ich gern umkehren und zurück in den Himmel. Ob es wol wahr iſt, daß man von dieſer Spitze aus das Meer kann ſehen? — Meine Augen ſind nicht klar, und dort in Mittag zittert das Graue der Erde mit dem Grauen des Himmels ineinander. — Den feſten Boden kenne ich; was Moder iſt, nennen ſie fruchtbare Erde. Könnteſt du, mein Augenblick, nur ein einzigmal das weite Meer erreichen! — — Als endlich die Sonne ſich ſo hat gewendet, daß der blaue Schatten iſt erſchienen auf meiner ſteinigen Ruheſtatt, da habe ich mich erhoben und bin emporgeſtiegen auf den allerhöchſten Punkt. Ich habe den Rundblick gethan in die ungeheuere Zackenkrone der Alpen. Und darnach bin ich niedergeſtiegen an den Felshängen, den Gletſcherſchründen, den Schneefel- dern; bin hingegangen auf dem langen Grat, bin endlich wieder herabgekommen auf die ſanften, weichen Matten. Da ſind vor mir wieder die Waldberge geweſen; aus den Thälern iſt die Dämmerung geſtiegen. Dieſe hat mir faſt wohl- gethan; vor meinem überreizten Auge hat es noch lange geflimmert und gefunkelt. Eine Weile habe ich die Hand davorgehalten. Und als ich meinen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/164
Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/164>, abgerufen am 04.05.2024.