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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

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"Vom heutigen Tag an darf sich Eins den
ganzen Sommer über wieder nicht satt essen, wollen
wir für den Winter den Magen nicht in den Rauch-
fang hängen," antwortete er.

Das Dorf bestand aus drei oder vier hölzernen
Häusern, einigen Hütten, rauchenden Kohlstätten und
dem Kirchlein.

Vor einem der größeren Häuser, an dessen
Thür ein breiter, von vielen Tritten zerschleifter An-
trittstein lag, blieb mein Begleiter stehen und sagte:
"Kehrt der Herr bei mir ein? ich bin der Winkel-
wirth." Er deutete bei diesen Worten auf das Haus,
als ob es das sein Ichselbst wäre.

Bald hernach war ich in der Stube. Die
Wirthin nahm mir gar behende die Reisetasche und
den feuchten Ueberrock ab und brachte mir ein
par Strohschuhe herbei: "Nur gleich das nasse
Leder aus und die Schliefschuhe anstecken; nur fein
gleich, fein gleich, ein nasser Schuh auf dem
Fuß läuft zum Bader!" Nicht lange, so saß
ich trocken und bequem an dem großen Tische unter
dem Hausaltar und unter Wandleisten, auf welchen
der Reihe hin buntbemaltes Ton- und Porzellan-
geschirr lehnte. Auf dem Gläsergestelle war eine Un-
zahl von Kelchfläschchen umgestülpt und der Wirth
frug mich gleich, ob ich Branntwein begehre. Ich
verlangte Wein.


„Vom heutigen Tag an darf ſich Eins den
ganzen Sommer über wieder nicht ſatt eſſen, wollen
wir für den Winter den Magen nicht in den Rauch-
fang hängen,“ antwortete er.

Das Dorf beſtand aus drei oder vier hölzernen
Häuſern, einigen Hütten, rauchenden Kohlſtätten und
dem Kirchlein.

Vor einem der größeren Häuſer, an deſſen
Thür ein breiter, von vielen Tritten zerſchleifter An-
trittſtein lag, blieb mein Begleiter ſtehen und ſagte:
„Kehrt der Herr bei mir ein? ich bin der Winkel-
wirth.“ Er deutete bei dieſen Worten auf das Haus,
als ob es das ſein Ichſelbſt wäre.

Bald hernach war ich in der Stube. Die
Wirthin nahm mir gar behende die Reiſetaſche und
den feuchten Ueberrock ab und brachte mir ein
par Strohſchuhe herbei: „Nur gleich das naſſe
Leder aus und die Schliefſchuhe anſtecken; nur fein
gleich, fein gleich, ein naſſer Schuh auf dem
Fuß läuft zum Bader!“ Nicht lange, ſo ſaß
ich trocken und bequem an dem großen Tiſche unter
dem Hausaltar und unter Wandleiſten, auf welchen
der Reihe hin buntbemaltes Ton- und Porzellan-
geſchirr lehnte. Auf dem Gläſergeſtelle war eine Un-
zahl von Kelchfläſchchen umgeſtülpt und der Wirth
frug mich gleich, ob ich Branntwein begehre. Ich
verlangte Wein.


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[6/0016] „Vom heutigen Tag an darf ſich Eins den ganzen Sommer über wieder nicht ſatt eſſen, wollen wir für den Winter den Magen nicht in den Rauch- fang hängen,“ antwortete er. Das Dorf beſtand aus drei oder vier hölzernen Häuſern, einigen Hütten, rauchenden Kohlſtätten und dem Kirchlein. Vor einem der größeren Häuſer, an deſſen Thür ein breiter, von vielen Tritten zerſchleifter An- trittſtein lag, blieb mein Begleiter ſtehen und ſagte: „Kehrt der Herr bei mir ein? ich bin der Winkel- wirth.“ Er deutete bei dieſen Worten auf das Haus, als ob es das ſein Ichſelbſt wäre. Bald hernach war ich in der Stube. Die Wirthin nahm mir gar behende die Reiſetaſche und den feuchten Ueberrock ab und brachte mir ein par Strohſchuhe herbei: „Nur gleich das naſſe Leder aus und die Schliefſchuhe anſtecken; nur fein gleich, fein gleich, ein naſſer Schuh auf dem Fuß läuft zum Bader!“ Nicht lange, ſo ſaß ich trocken und bequem an dem großen Tiſche unter dem Hausaltar und unter Wandleiſten, auf welchen der Reihe hin buntbemaltes Ton- und Porzellan- geſchirr lehnte. Auf dem Gläſergeſtelle war eine Un- zahl von Kelchfläſchchen umgeſtülpt und der Wirth frug mich gleich, ob ich Branntwein begehre. Ich verlangte Wein.

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Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/16>, abgerufen am 28.03.2024.