Und so bin ich in den Winkelwäldern herum- gegangen. Ich bin im Hinterwinkel gewesen und in den Miesenbachschluchten, und in den Karwäl- dern und in den Lautergräben und in der Wolfs- grube und im Felsenthale und auf den Triften der Almen, und drüben in der Senke, wo der schöne See liegt. Ich habe diese wundersame Alpengegend kennen gelernt, und zum großen Theile auch die Menschen, die in derselben wohnen. Ich habe mich bei den Alten eingeführt und mit den Jungen be- kannt gemacht. Es kostet Mühe und es gibt Miß- verständnisse. Die besten dieser Leute sind nicht so gut, und die schlechtesten nicht so schlecht, als ich mir vor Zeiten gedacht habe. Ein par Ausnahmen aber gibt es doch.
Ich muß sogar ein wenig unredlich sein; sie dürfen es nicht wissen, weshalb ich da bin. Viele halten mich für einen Flüchtling, und sind mir deshalb gewogen. Ein Mensch, den diese Wäldler
Am Tage der Geburt Mariens 1814.
Und ſo bin ich in den Winkelwäldern herum- gegangen. Ich bin im Hinterwinkel geweſen und in den Mieſenbachſchluchten, und in den Karwäl- dern und in den Lautergräben und in der Wolfs- grube und im Felſenthale und auf den Triften der Almen, und drüben in der Senke, wo der ſchöne See liegt. Ich habe dieſe wunderſame Alpengegend kennen gelernt, und zum großen Theile auch die Menſchen, die in derſelben wohnen. Ich habe mich bei den Alten eingeführt und mit den Jungen be- kannt gemacht. Es koſtet Mühe und es gibt Miß- verſtändniſſe. Die beſten dieſer Leute ſind nicht ſo gut, und die ſchlechteſten nicht ſo ſchlecht, als ich mir vor Zeiten gedacht habe. Ein par Ausnahmen aber gibt es doch.
Ich muß ſogar ein wenig unredlich ſein; ſie dürfen es nicht wiſſen, weshalb ich da bin. Viele halten mich für einen Flüchtling, und ſind mir deshalb gewogen. Ein Menſch, den dieſe Wäldler
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Am Tage der Geburt Mariens 1814.
Und ſo bin ich in den Winkelwäldern herum-
gegangen. Ich bin im Hinterwinkel geweſen und
in den Mieſenbachſchluchten, und in den Karwäl-
dern und in den Lautergräben und in der Wolfs-
grube und im Felſenthale und auf den Triften der
Almen, und drüben in der Senke, wo der ſchöne
See liegt. Ich habe dieſe wunderſame Alpengegend
kennen gelernt, und zum großen Theile auch die
Menſchen, die in derſelben wohnen. Ich habe mich
bei den Alten eingeführt und mit den Jungen be-
kannt gemacht. Es koſtet Mühe und es gibt Miß-
verſtändniſſe. Die beſten dieſer Leute ſind nicht ſo
gut, und die ſchlechteſten nicht ſo ſchlecht, als ich
mir vor Zeiten gedacht habe. Ein par Ausnahmen
aber gibt es doch.
Ich muß ſogar ein wenig unredlich ſein; ſie
dürfen es nicht wiſſen, weshalb ich da bin. Viele
halten mich für einen Flüchtling, und ſind mir
deshalb gewogen. Ein Menſch, den dieſe Wäldler
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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/151>, abgerufen am 04.05.2024.
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