Pechöl gegen Brandwunden; der Kohlenführer für sein Roß; der Branntweiner für sein Fäßchen. Der Wurzner kauft gegen Verrenkungen und Bauchgrim- men, das er sich durch seine meist ungekochte Nahrung zuzieht. Das Kleinbäuerlein weiter draußen kauft Pechöl für sein ganzes Haus und Vieh, gegen alle bösen Zustände.
Du Pechölmann! mir nagt seit lang schon im Herzen ein kleinwinzig Käferlein -- wär's nicht zu tilgen mit deinem gallbitteren Oel? --
In des Pechers Klause darf man sich nicht niedersetzen, man bliebe kleben. Und gleich kämen die kleinen, ungewaschenen und zerzausten Rangen heran, und krabbelten empor und ritten gar auf den Nacken und man käme ihrer nicht mehr los. -- Das sind die lebendigen Sünden der Alten, sagt meine Haushälterin.
Des Pechers Wohnung ist einfach genug. Unterhalb der nackte Erdboden, oberhalb das schie- ferige Baumrindendach, seithalb die Wand aus rohen Stämmen gezimmert und mit Moos ver- stopft. Der holperige Herd ist gleich als Tisch eingerichtet. Unter der Bettstatt ist die Vorraths- kammer für Erdäpfel, Schwämme und Holzbirnen. Der wurmstichige Kleiderschrank ist das Allerheiligste des Hauses, er bewahrt die geweihten Andenken der Voreltern, das Taufangebinde der Kinder, und
Pechöl gegen Brandwunden; der Kohlenführer für ſein Roß; der Branntweiner für ſein Fäßchen. Der Wurzner kauft gegen Verrenkungen und Bauchgrim- men, das er ſich durch ſeine meiſt ungekochte Nahrung zuzieht. Das Kleinbäuerlein weiter draußen kauft Pechöl für ſein ganzes Haus und Vieh, gegen alle böſen Zuſtände.
Du Pechölmann! mir nagt ſeit lang ſchon im Herzen ein kleinwinzig Käferlein — wär’s nicht zu tilgen mit deinem gallbitteren Oel? —
In des Pechers Klauſe darf man ſich nicht niederſetzen, man bliebe kleben. Und gleich kämen die kleinen, ungewaſchenen und zerzauſten Rangen heran, und krabbelten empor und ritten gar auf den Nacken und man käme ihrer nicht mehr los. — Das ſind die lebendigen Sünden der Alten, ſagt meine Haushälterin.
Des Pechers Wohnung iſt einfach genug. Unterhalb der nackte Erdboden, oberhalb das ſchie- ferige Baumrindendach, ſeithalb die Wand aus rohen Stämmen gezimmert und mit Moos ver- ſtopft. Der holperige Herd iſt gleich als Tiſch eingerichtet. Unter der Bettſtatt iſt die Vorraths- kammer für Erdäpfel, Schwämme und Holzbirnen. Der wurmſtichige Kleiderſchrank iſt das Allerheiligſte des Hauſes, er bewahrt die geweihten Andenken der Voreltern, das Taufangebinde der Kinder, und
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Pechöl gegen Brandwunden; der Kohlenführer für
ſein Roß; der Branntweiner für ſein Fäßchen. Der
Wurzner kauft gegen Verrenkungen und Bauchgrim-
men, das er ſich durch ſeine meiſt ungekochte
Nahrung zuzieht. Das Kleinbäuerlein weiter draußen
kauft Pechöl für ſein ganzes Haus und Vieh, gegen
alle böſen Zuſtände.
Du Pechölmann! mir nagt ſeit lang ſchon
im Herzen ein kleinwinzig Käferlein — wär’s
nicht zu tilgen mit deinem gallbitteren Oel? —
In des Pechers Klauſe darf man ſich nicht
niederſetzen, man bliebe kleben. Und gleich kämen
die kleinen, ungewaſchenen und zerzauſten Rangen
heran, und krabbelten empor und ritten gar auf
den Nacken und man käme ihrer nicht mehr los.
— Das ſind die lebendigen Sünden der Alten,
ſagt meine Haushälterin.
Des Pechers Wohnung iſt einfach genug.
Unterhalb der nackte Erdboden, oberhalb das ſchie-
ferige Baumrindendach, ſeithalb die Wand aus
rohen Stämmen gezimmert und mit Moos ver-
ſtopft. Der holperige Herd iſt gleich als Tiſch
eingerichtet. Unter der Bettſtatt iſt die Vorraths-
kammer für Erdäpfel, Schwämme und Holzbirnen.
Der wurmſtichige Kleiderſchrank iſt das Allerheiligſte
des Hauſes, er bewahrt die geweihten Andenken
der Voreltern, das Taufangebinde der Kinder, und
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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/111>, abgerufen am 24.11.2024.
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