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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

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wenn ich ihm eine kleine Gabe dafür wollt' reichen.
-- Oft ist er hinaus auf die umliegenden Dörfer
auf Kirchtage gegangen, hat den Leuten was vor-
gefressen. Nicht Werg und Bänder und derlei
Dinge, wie es sonst Taschenspieler thun, hat er
verschlungen, sondern Tuchstücke, Leder und Glas-
scherben. Selbst Schuhnägel, und sie mögen noch
so rostig gewesen sein, hat er verzehrt. Gerne hat
er einen alten Stiefel oder Filzhut zerrissen, die
Fetzen mit Essig und Oel bereitet und gegessen.
Das hat ihm viel Geld eingebracht, und sein
Beutel wie sein Magen haben wol verdaut. Unser-
einem thät so ein Essen nicht taugen, hat der
Rüppel gesagt, freilich wol, ein Schnäpslein muß
dazu sein, das beißt im Magen auch die Kiesel-
steine klein. -- Jahr und Tag hat er's trieben,
aber ein End nimmt's mit Allem, und der Oster-
sonntag hat nicht viel größere Läng', wie der
Charfreitag. Just beim Schnäpslein ist er gesessen
in Kranabethannes Hütte, und hat in seinem Ueber-
muth gesagt: "Kiefel (kaue) dein Schwarzbrot nur
selber Hannes, ich trink den Branntwein und beiß
das Gläselein dazu." -- Ist jetztund vom finsteren
Herdwinkel ein alter Wurzner hervorgekrochen:
"s schwarz' Brot willst verachten? du!" Darauf
der Fresser: "Geh her, Wurzner, dich freß ich
mitsammt deiner Krax (Rücktrage)!" Hat der Alte

wenn ich ihm eine kleine Gabe dafür wollt’ reichen.
— Oft iſt er hinaus auf die umliegenden Dörfer
auf Kirchtage gegangen, hat den Leuten was vor-
gefreſſen. Nicht Werg und Bänder und derlei
Dinge, wie es ſonſt Taſchenſpieler thun, hat er
verſchlungen, ſondern Tuchſtücke, Leder und Glas-
ſcherben. Selbſt Schuhnägel, und ſie mögen noch
ſo roſtig geweſen ſein, hat er verzehrt. Gerne hat
er einen alten Stiefel oder Filzhut zerriſſen, die
Fetzen mit Eſſig und Oel bereitet und gegeſſen.
Das hat ihm viel Geld eingebracht, und ſein
Beutel wie ſein Magen haben wol verdaut. Unſer-
einem thät ſo ein Eſſen nicht taugen, hat der
Rüppel geſagt, freilich wol, ein Schnäpslein muß
dazu ſein, das beißt im Magen auch die Kieſel-
ſteine klein. — Jahr und Tag hat er’s trieben,
aber ein End nimmt’s mit Allem, und der Oſter-
ſonntag hat nicht viel größere Läng’, wie der
Charfreitag. Juſt beim Schnäpslein iſt er geſeſſen
in Kranabethannes Hütte, und hat in ſeinem Ueber-
muth geſagt: „Kiefel (kaue) dein Schwarzbrot nur
ſelber Hannes, ich trink den Branntwein und beiß
das Gläſelein dazu.“ — Iſt jetztund vom finſteren
Herdwinkel ein alter Wurzner hervorgekrochen:
„s ſchwarz’ Brot willſt verachten? du!“ Darauf
der Freſſer: „Geh her, Wurzner, dich freß ich
mitſammt deiner Krax (Rücktrage)!“ Hat der Alte

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[96/0106] wenn ich ihm eine kleine Gabe dafür wollt’ reichen. — Oft iſt er hinaus auf die umliegenden Dörfer auf Kirchtage gegangen, hat den Leuten was vor- gefreſſen. Nicht Werg und Bänder und derlei Dinge, wie es ſonſt Taſchenſpieler thun, hat er verſchlungen, ſondern Tuchſtücke, Leder und Glas- ſcherben. Selbſt Schuhnägel, und ſie mögen noch ſo roſtig geweſen ſein, hat er verzehrt. Gerne hat er einen alten Stiefel oder Filzhut zerriſſen, die Fetzen mit Eſſig und Oel bereitet und gegeſſen. Das hat ihm viel Geld eingebracht, und ſein Beutel wie ſein Magen haben wol verdaut. Unſer- einem thät ſo ein Eſſen nicht taugen, hat der Rüppel geſagt, freilich wol, ein Schnäpslein muß dazu ſein, das beißt im Magen auch die Kieſel- ſteine klein. — Jahr und Tag hat er’s trieben, aber ein End nimmt’s mit Allem, und der Oſter- ſonntag hat nicht viel größere Läng’, wie der Charfreitag. Juſt beim Schnäpslein iſt er geſeſſen in Kranabethannes Hütte, und hat in ſeinem Ueber- muth geſagt: „Kiefel (kaue) dein Schwarzbrot nur ſelber Hannes, ich trink den Branntwein und beiß das Gläſelein dazu.“ — Iſt jetztund vom finſteren Herdwinkel ein alter Wurzner hervorgekrochen: „s ſchwarz’ Brot willſt verachten? du!“ Darauf der Freſſer: „Geh her, Wurzner, dich freß ich mitſammt deiner Krax (Rücktrage)!“ Hat der Alte

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Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/106>, abgerufen am 27.11.2024.