N001 etwas Brod, welches er ass, schöpfte dann mit ei- N002 nem ziemlich grossen Löffel Wasser aus der Schale, N003 kostete davon, und reichte ihn sodann zum Kosten so- N004 wohl den beiden andern Priestern, als auch den übri- N005 gen Hindus. Darauf ergriff er einen Leuchter mit N006 5 kleinen Wachslichtern, zündete dieselben an der N007 Lampe an, und hielt die brennenden Lichter einem N008 jeden der Hindus hin, die andächtig ihre beiden Hände N009 eine Zeit lang darüber hielten, und dann mit den er- N010 wärmten Händen die Augen berührten. Hiermit en- N011 dete die Ceremonie, die eine gewisse Ähnlichkeit mit N012 den Ceremonien der christlichen Kirche nicht verken- N013 nen liessen. Nach beendigtem Gottesdienste zerstreute N014 sich ein Theil der Hindus, wir aber wurden noch in N015 demselben Zimmer von dem Braminen mit Weintrau- N016 ben, Obst, getrockneten Datteln, Aprikosen, Pistazien, N017 Rosinen, Zuckerkant und anderem Zuckerwerk bewir- N018 ket, was wir nicht verweigern durften.
N001 Auf dem innern Hofe des Kaufhofes standen noch N002 andere hölzerne Gebäude, auch war hier ein kleiner N003 Garten angelegt, in welchem Blumen zur Ausschmük- N004 kung des Tempels gezogen wurden. Neben den höl- N005 zernen Gebäuden war aber ein Verschlag angebracht, auf N006 welchem auf einem durchlöchertem hölzernen Fussboden N007 ein Fakir sass, ganz zusammengekauert, das Kinn auf N008 den Knieen gestützt, zwischen denen der lange weisse N009 Bart bis zu dem Boden hinunter reichte. Er war ganz N010 nackend, und nur mit einem Schaaffelle lose bedeckt, N011 soll aber nun schon 15 Jahre auf derselben Stelle N012 sitzen, ohne sich von ihr fortbewegt zu haben. Wie N013 er diess bei der strengen Winterkälte Astrachans, die N014 doch so gross ist, dass die breite Wolga sich Monate N015 lang mit Eis bedeckt 1), aushält, ist zu verwundern. Er N016 ist schon alt und blind, und soll Zoll lange Nägel
[footnote reference]
[footnote reference]N001 1) Diese grosse Kälte ist eine Folge der östlichen Lage Astra- N002 chans, da sie sonst bei der südlichen etwa mit der von Venedig N003 übereinstimmenden Breite sehr auffallen müsste.
N001 etwas Brod, welches er ass, schöpfte dann mit ei- N002 nem ziemlich grossen Löffel Wasser aus der Schale, N003 kostete davon, und reichte ihn sodann zum Kosten so- N004 wohl den beiden andern Priestern, als auch den übri- N005 gen Hindus. Darauf ergriff er einen Leuchter mit N006 5 kleinen Wachslichtern, zündete dieselben an der N007 Lampe an, und hielt die brennenden Lichter einem N008 jeden der Hindus hin, die andächtig ihre beiden Hände N009 eine Zeit lang darüber hielten, und dann mit den er- N010 wärmten Händen die Augen berührten. Hiermit en- N011 dete die Ceremonie, die eine gewisse Ähnlichkeit mit N012 den Ceremonien der christlichen Kirche nicht verken- N013 nen liessen. Nach beendigtem Gottesdienste zerstreute N014 sich ein Theil der Hindus, wir aber wurden noch in N015 demselben Zimmer von dem Braminen mit Weintrau- N016 ben, Obst, getrockneten Datteln, Aprikosen, Pistazien, N017 Rosinen, Zuckerkant und anderem Zuckerwerk bewir- N018 ket, was wir nicht verweigern durften.
N001 Auf dem innern Hofe des Kaufhofes standen noch N002 andere hölzerne Gebäude, auch war hier ein kleiner N003 Garten angelegt, in welchem Blumen zur Ausschmük- N004 kung des Tempels gezogen wurden. Neben den höl- N005 zernen Gebäuden war aber ein Verschlag angebracht, auf N006 welchem auf einem durchlöchertem hölzernen Fussboden N007 ein Fakir sass, ganz zusammengekauert, das Kinn auf N008 den Knieen gestützt, zwischen denen der lange weisse N009 Bart bis zu dem Boden hinunter reichte. Er war ganz N010 nackend, und nur mit einem Schaaffelle lose bedeckt, N011 soll aber nun schon 15 Jahre auf derselben Stelle N012 sitzen, ohne sich von ihr fortbewegt zu haben. Wie N013 er diess bei der strengen Winterkälte Astrachans, die N014 doch so gross ist, dass die breite Wolga sich Monate N015 lang mit Eis bedeckt 1), aushält, ist zu verwundern. Er N016 ist schon alt und blind, und soll Zoll lange Nägel
[footnote reference]
[footnote reference]N001 1) Diese grosse Kälte ist eine Folge der östlichen Lage Astra- N002 chans, da sie sonst bei der südlichen etwa mit der von Venedig N003 übereinstimmenden Breite sehr auffallen müsste.
<TEI><text><body><div><pbfacs="#f0321"xml:id="img_0319"n="303"/><p><lbn="N001"/>
etwas Brod, welches er ass, schöpfte dann mit ei- <lbn="N002"/>
nem ziemlich grossen Löffel Wasser aus der Schale, <lbn="N003"/>
kostete davon, und reichte ihn sodann zum Kosten so- <lbn="N004"/>
wohl den beiden andern Priestern, als auch den übri- <lbn="N005"/>
gen Hindus. Darauf ergriff er einen Leuchter mit <lbn="N006"/>
5 kleinen Wachslichtern, zündete dieselben an der <lbn="N007"/>
Lampe an, und hielt die brennenden Lichter einem <lbn="N008"/>
jeden der Hindus hin, die andächtig ihre beiden Hände <lbn="N009"/>
eine Zeit lang darüber hielten, und dann mit den er- <lbn="N010"/>
wärmten Händen die Augen berührten. Hiermit en- <lbn="N011"/>
dete die Ceremonie, die eine gewisse Ähnlichkeit mit <lbn="N012"/>
den Ceremonien der christlichen Kirche nicht verken- <lbn="N013"/>
nen liessen. Nach beendigtem Gottesdienste zerstreute <lbn="N014"/>
sich ein Theil der Hindus, wir aber wurden noch in <lbn="N015"/>
demselben Zimmer von dem Braminen mit Weintrau- <lbn="N016"/>
ben, Obst, getrockneten Datteln, Aprikosen, Pistazien, <lbn="N017"/>
Rosinen, Zuckerkant und anderem Zuckerwerk bewir- <lbn="N018"/>
ket, was wir nicht verweigern durften.</p><p><lbn="N001"/>
Auf dem innern Hofe des Kaufhofes standen noch <lbn="N002"/>
andere hölzerne Gebäude, auch war hier ein kleiner <lbn="N003"/>
Garten angelegt, in welchem Blumen zur Ausschmük- <lbn="N004"/>
kung des Tempels gezogen wurden. Neben den höl- <lbn="N005"/>
zernen Gebäuden war aber ein Verschlag angebracht, auf <lbn="N006"/>
welchem auf einem durchlöchertem hölzernen Fussboden <lbn="N007"/>
ein Fakir sass, ganz zusammengekauert, das Kinn auf <lbn="N008"/>
den Knieen gestützt, zwischen denen der lange weisse <lbn="N009"/>
Bart bis zu dem Boden hinunter reichte. Er war ganz <lbn="N010"/>
nackend, und nur mit einem Schaaffelle lose bedeckt, <lbn="N011"/>
soll aber nun schon 15 Jahre auf derselben Stelle <lbn="N012"/>
sitzen, ohne sich von ihr fortbewegt zu haben. Wie <lbn="N013"/>
er diess bei der strengen Winterkälte Astrachans, die <lbn="N014"/>
doch so gross ist, dass die breite Wolga sich Monate <lbn="N015"/>
lang mit Eis bedeckt 1), aushält, ist zu verwundern. Er <lbn="N016"/>
ist schon alt und blind, und soll Zoll lange Nägel</p><noteplace="foot"n="[footnote reference]"><lbn="N001"/>
1) Diese grosse Kälte ist eine Folge der östlichen Lage Astra- <lbn="N002"/>
chans, da sie sonst bei der südlichen etwa mit der von Venedig <lbn="N003"/>
übereinstimmenden Breite sehr auffallen müsste.</note></div></body></text></TEI>
[303/0321]
N001
etwas Brod, welches er ass, schöpfte dann mit ei- N002
nem ziemlich grossen Löffel Wasser aus der Schale, N003
kostete davon, und reichte ihn sodann zum Kosten so- N004
wohl den beiden andern Priestern, als auch den übri- N005
gen Hindus. Darauf ergriff er einen Leuchter mit N006
5 kleinen Wachslichtern, zündete dieselben an der N007
Lampe an, und hielt die brennenden Lichter einem N008
jeden der Hindus hin, die andächtig ihre beiden Hände N009
eine Zeit lang darüber hielten, und dann mit den er- N010
wärmten Händen die Augen berührten. Hiermit en- N011
dete die Ceremonie, die eine gewisse Ähnlichkeit mit N012
den Ceremonien der christlichen Kirche nicht verken- N013
nen liessen. Nach beendigtem Gottesdienste zerstreute N014
sich ein Theil der Hindus, wir aber wurden noch in N015
demselben Zimmer von dem Braminen mit Weintrau- N016
ben, Obst, getrockneten Datteln, Aprikosen, Pistazien, N017
Rosinen, Zuckerkant und anderem Zuckerwerk bewir- N018
ket, was wir nicht verweigern durften.
N001
Auf dem innern Hofe des Kaufhofes standen noch N002
andere hölzerne Gebäude, auch war hier ein kleiner N003
Garten angelegt, in welchem Blumen zur Ausschmük- N004
kung des Tempels gezogen wurden. Neben den höl- N005
zernen Gebäuden war aber ein Verschlag angebracht, auf N006
welchem auf einem durchlöchertem hölzernen Fussboden N007
ein Fakir sass, ganz zusammengekauert, das Kinn auf N008
den Knieen gestützt, zwischen denen der lange weisse N009
Bart bis zu dem Boden hinunter reichte. Er war ganz N010
nackend, und nur mit einem Schaaffelle lose bedeckt, N011
soll aber nun schon 15 Jahre auf derselben Stelle N012
sitzen, ohne sich von ihr fortbewegt zu haben. Wie N013
er diess bei der strengen Winterkälte Astrachans, die N014
doch so gross ist, dass die breite Wolga sich Monate N015
lang mit Eis bedeckt 1), aushält, ist zu verwundern. Er N016
ist schon alt und blind, und soll Zoll lange Nägel
[footnote reference]
[footnote reference] N001
1) Diese grosse Kälte ist eine Folge der östlichen Lage Astra- N002
chans, da sie sonst bei der südlichen etwa mit der von Venedig N003
übereinstimmenden Breite sehr auffallen müsste.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
OCR-D: Bereitstellung der Texttranskription.
(2019-10-24T14:59:58Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Dennis Dietrich, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2019-10-24T14:59:58Z)
Weitere Informationen:
Verfahren der Texterfassung: OCR ohne Nachkorrektur.
Die Transkription erfolgte nach den unter
http://www.ocr-d.de/gt_guidelines
formulierten Richtlinien und wurde in Richtung des Zielformats DTABf angepasst. Der Textinhalt einzelner Tabellen wurde von der OCR nur teilweise erfasst.
Gustav Rose: Reise nach dem Ural, dem Altai und dem Kaspischen Meere. Band 2. Berlin, 1842, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rose_ural02_1842/321>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.