Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.7. Zarna. Ich habe jetzt von einer inzwischen vorgefallenen Unterredung zu erzählen, die ich freilich nicht mit angehört, aber später bis ins Kleinste von Victor selbst erfuhr. Sie gehört nur zu nothwendig in die Verwicklung unserer Abenteuer und muß hier eine Stelle finden. Victor war nach dem Gespräch mit mir um das Haus herum gegangen, um Marien aufzusuchen. Er forschte vergeblich nach ihr. Die Kinder wiesen ihn auf das benachbarte Gehöft, und so ging er spähend von Hof zu Hof. Als er eben um eine Ecke bog, trat hinter einer gewaltigen Heumiete Zarna, die Zigeunerin, hervor und winkte ihm geheimnißvoll. Er trat zu ihr. Ich weiß, was du suchst, sagte sie in flüsterndem ' Tone. -- Was geht's dich an? rief Victor barsch. -- O, mein Söhnchen, vielleicht mehr, als du glaubst! Ich kann dir helfen. -- Ich bedarf deiner Hülfe nicht! -- Bah, bah! Nur nicht gleich böse! Du denkst, ein hübscher Junge hat an sich selbst genug, um bei einem Mädchen sein Glück zu machen? Ich sage dir, hier richtest du nichts aus, wenn du nicht meinen Rath annimmst. Ich mein' es gut mit dir. Wollte dich gestern Abend schon sprechen im Garten des Schulmeisters, mußte aber davon, weil der traurige Mensch nur den Weg trat. Hat er dir nichts erzählt? 7. Zarna. Ich habe jetzt von einer inzwischen vorgefallenen Unterredung zu erzählen, die ich freilich nicht mit angehört, aber später bis ins Kleinste von Victor selbst erfuhr. Sie gehört nur zu nothwendig in die Verwicklung unserer Abenteuer und muß hier eine Stelle finden. Victor war nach dem Gespräch mit mir um das Haus herum gegangen, um Marien aufzusuchen. Er forschte vergeblich nach ihr. Die Kinder wiesen ihn auf das benachbarte Gehöft, und so ging er spähend von Hof zu Hof. Als er eben um eine Ecke bog, trat hinter einer gewaltigen Heumiete Zarna, die Zigeunerin, hervor und winkte ihm geheimnißvoll. Er trat zu ihr. Ich weiß, was du suchst, sagte sie in flüsterndem ' Tone. — Was geht's dich an? rief Victor barsch. — O, mein Söhnchen, vielleicht mehr, als du glaubst! Ich kann dir helfen. — Ich bedarf deiner Hülfe nicht! — Bah, bah! Nur nicht gleich böse! Du denkst, ein hübscher Junge hat an sich selbst genug, um bei einem Mädchen sein Glück zu machen? Ich sage dir, hier richtest du nichts aus, wenn du nicht meinen Rath annimmst. Ich mein' es gut mit dir. Wollte dich gestern Abend schon sprechen im Garten des Schulmeisters, mußte aber davon, weil der traurige Mensch nur den Weg trat. Hat er dir nichts erzählt? <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0069"/> <div type="chapter" n="7"> <head>7. Zarna.</head> <p>Ich habe jetzt von einer inzwischen vorgefallenen Unterredung zu erzählen, die ich freilich nicht mit angehört, aber später bis ins Kleinste von Victor selbst erfuhr. Sie gehört nur zu nothwendig in die Verwicklung unserer Abenteuer und muß hier eine Stelle finden.</p><lb/> <p>Victor war nach dem Gespräch mit mir um das Haus herum gegangen, um Marien aufzusuchen. Er forschte vergeblich nach ihr. Die Kinder wiesen ihn auf das benachbarte Gehöft, und so ging er spähend von Hof zu Hof. Als er eben um eine Ecke bog, trat hinter einer gewaltigen Heumiete Zarna, die Zigeunerin, hervor und winkte ihm geheimnißvoll. Er trat zu ihr.</p><lb/> <p>Ich weiß, was du suchst, sagte sie in flüsterndem ' Tone. — Was geht's dich an? rief Victor barsch. — O, mein Söhnchen, vielleicht mehr, als du glaubst! Ich kann dir helfen. — Ich bedarf deiner Hülfe nicht! — Bah, bah! Nur nicht gleich böse! Du denkst, ein hübscher Junge hat an sich selbst genug, um bei einem Mädchen sein Glück zu machen? Ich sage dir, hier richtest du nichts aus, wenn du nicht meinen Rath annimmst. Ich mein' es gut mit dir. Wollte dich gestern Abend schon sprechen im Garten des Schulmeisters, mußte aber davon, weil der traurige Mensch nur den Weg trat. Hat er dir nichts erzählt?</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0069]
7. Zarna. Ich habe jetzt von einer inzwischen vorgefallenen Unterredung zu erzählen, die ich freilich nicht mit angehört, aber später bis ins Kleinste von Victor selbst erfuhr. Sie gehört nur zu nothwendig in die Verwicklung unserer Abenteuer und muß hier eine Stelle finden.
Victor war nach dem Gespräch mit mir um das Haus herum gegangen, um Marien aufzusuchen. Er forschte vergeblich nach ihr. Die Kinder wiesen ihn auf das benachbarte Gehöft, und so ging er spähend von Hof zu Hof. Als er eben um eine Ecke bog, trat hinter einer gewaltigen Heumiete Zarna, die Zigeunerin, hervor und winkte ihm geheimnißvoll. Er trat zu ihr.
Ich weiß, was du suchst, sagte sie in flüsterndem ' Tone. — Was geht's dich an? rief Victor barsch. — O, mein Söhnchen, vielleicht mehr, als du glaubst! Ich kann dir helfen. — Ich bedarf deiner Hülfe nicht! — Bah, bah! Nur nicht gleich böse! Du denkst, ein hübscher Junge hat an sich selbst genug, um bei einem Mädchen sein Glück zu machen? Ich sage dir, hier richtest du nichts aus, wenn du nicht meinen Rath annimmst. Ich mein' es gut mit dir. Wollte dich gestern Abend schon sprechen im Garten des Schulmeisters, mußte aber davon, weil der traurige Mensch nur den Weg trat. Hat er dir nichts erzählt?
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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-16T10:15:33Z)
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Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-16T10:15:33Z)
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