Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.verkauft werden sollte. Zwei Knechte brachten es durch eine Schlinge um seine Füße zum Fallen. Schnell ward es gebunden und mit wuchtigen Armen in den Kahn geworfen. -- Einige Stunden waren vergangen, ohne daß ich Marien erblicken konnte. Ich mußte an die Rückfahrt nach Leipe denken, damit Kascha und Franz nicht mit dem Mittagessen auf mich zu warten hätten. Ich langte noch zu rechter Zeit im Schulhause an. Franz kam mir entgegen. Lieber Freund, rief er, es ist sicher deine Veranstaltung, daß wir fortan unter uns bleiben sollen; aber wird dein Reisegefährte die Sache auch nicht übel nehmen? Ich verstand ihn nicht. Er reichte mir einen mit Bleistift geschriebenen Zettel von Victor's Hand. Er schrieb in durchaus liebenswürdiger Weise, Franz möge ihm gestatten, daß er für die nächsten Tage sich tiefer im Walde einquartiere, da er dort viel zeichnen wolle. Er bat, dem Boten seine Reisetasche mitzugeben, und versprach recht bald zu kommen, um sich persönlich zu entschuldigen. Ich ließ Franz in diesem Irrthum über den wahren Sachverhalt und war fürs Erste froh, daß die Mißhelligkeit in die Form eines guten Einvernehmens gebannt bleiben sollte. verkauft werden sollte. Zwei Knechte brachten es durch eine Schlinge um seine Füße zum Fallen. Schnell ward es gebunden und mit wuchtigen Armen in den Kahn geworfen. — Einige Stunden waren vergangen, ohne daß ich Marien erblicken konnte. Ich mußte an die Rückfahrt nach Leipe denken, damit Kascha und Franz nicht mit dem Mittagessen auf mich zu warten hätten. Ich langte noch zu rechter Zeit im Schulhause an. Franz kam mir entgegen. Lieber Freund, rief er, es ist sicher deine Veranstaltung, daß wir fortan unter uns bleiben sollen; aber wird dein Reisegefährte die Sache auch nicht übel nehmen? Ich verstand ihn nicht. Er reichte mir einen mit Bleistift geschriebenen Zettel von Victor's Hand. Er schrieb in durchaus liebenswürdiger Weise, Franz möge ihm gestatten, daß er für die nächsten Tage sich tiefer im Walde einquartiere, da er dort viel zeichnen wolle. Er bat, dem Boten seine Reisetasche mitzugeben, und versprach recht bald zu kommen, um sich persönlich zu entschuldigen. Ich ließ Franz in diesem Irrthum über den wahren Sachverhalt und war fürs Erste froh, daß die Mißhelligkeit in die Form eines guten Einvernehmens gebannt bleiben sollte. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="6"> <p><pb facs="#f0068"/> verkauft werden sollte. Zwei Knechte brachten es durch eine Schlinge um seine Füße zum Fallen. Schnell ward es gebunden und mit wuchtigen Armen in den Kahn geworfen. —</p><lb/> <p>Einige Stunden waren vergangen, ohne daß ich Marien erblicken konnte. Ich mußte an die Rückfahrt nach Leipe denken, damit Kascha und Franz nicht mit dem Mittagessen auf mich zu warten hätten. Ich langte noch zu rechter Zeit im Schulhause an. Franz kam mir entgegen. Lieber Freund, rief er, es ist sicher deine Veranstaltung, daß wir fortan unter uns bleiben sollen; aber wird dein Reisegefährte die Sache auch nicht übel nehmen?</p><lb/> <p>Ich verstand ihn nicht. Er reichte mir einen mit Bleistift geschriebenen Zettel von Victor's Hand. Er schrieb in durchaus liebenswürdiger Weise, Franz möge ihm gestatten, daß er für die nächsten Tage sich tiefer im Walde einquartiere, da er dort viel zeichnen wolle. Er bat, dem Boten seine Reisetasche mitzugeben, und versprach recht bald zu kommen, um sich persönlich zu entschuldigen. Ich ließ Franz in diesem Irrthum über den wahren Sachverhalt und war fürs Erste froh, daß die Mißhelligkeit in die Form eines guten Einvernehmens gebannt bleiben sollte.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0068]
verkauft werden sollte. Zwei Knechte brachten es durch eine Schlinge um seine Füße zum Fallen. Schnell ward es gebunden und mit wuchtigen Armen in den Kahn geworfen. —
Einige Stunden waren vergangen, ohne daß ich Marien erblicken konnte. Ich mußte an die Rückfahrt nach Leipe denken, damit Kascha und Franz nicht mit dem Mittagessen auf mich zu warten hätten. Ich langte noch zu rechter Zeit im Schulhause an. Franz kam mir entgegen. Lieber Freund, rief er, es ist sicher deine Veranstaltung, daß wir fortan unter uns bleiben sollen; aber wird dein Reisegefährte die Sache auch nicht übel nehmen?
Ich verstand ihn nicht. Er reichte mir einen mit Bleistift geschriebenen Zettel von Victor's Hand. Er schrieb in durchaus liebenswürdiger Weise, Franz möge ihm gestatten, daß er für die nächsten Tage sich tiefer im Walde einquartiere, da er dort viel zeichnen wolle. Er bat, dem Boten seine Reisetasche mitzugeben, und versprach recht bald zu kommen, um sich persönlich zu entschuldigen. Ich ließ Franz in diesem Irrthum über den wahren Sachverhalt und war fürs Erste froh, daß die Mißhelligkeit in die Form eines guten Einvernehmens gebannt bleiben sollte.
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Zitationshilfe: | Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roquette_schlangenkoenigin_1910/68>, abgerufen am 16.02.2025. |