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Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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sein, das frißt im Stillen um sich und richtet alles Gute zu Grunde. Besser er redete einmal frei heraus, daß er Alles vom Herzen herunterbekäme, dann könnte man ihm helfen, oder, wenn's nicht ginge, mit ihm weinen! Und siehst du, Ernstchen, ich bin's nicht allein, die darum weiß, die Leute reden genug davon. Es vergeht kein Sonntag, daß er nicht in der Lindenkaupe vorspräche. Die Koal's hätten auch gar nichts gegen die Heirath einzuwenden. Letzt so kommt der Koal bei mir vor, und ist gar höflich und freundlich, und sprach mir fortwährend, was mein Sohn rechtschaffen und brav wäre. Mir lachte das Herz im Leibe, denn ich dachte, es wäre so gut wie richtig, und sagte ihm, daß, wenn mein Sohn einmal heirathen wollte, die Frau auch nicht in ein leeres Nest käme, besonders seit der Erbschaft. Er verstand auch Alles gar wohl und gab mir die Hand und sagte, wir wollten gute Freunde sein. Aber darüber ist ein halbes Jahr vergangen, und wir sind noch auf demselben Flecke. Denn die Marie will gar zu hoch hinaus, und dadurch macht sie Andere elend und wird sich selbst zu Grunde richten. Da sieht und lernt sie im Pfarrhause zu Burg bei ihrem Bruder Allerlei, was ihr den Kopf verdreht. Ein hübsches Mädchen ist sie, und da kommen Gäste aus der Stadt und Umgebung und thun schön mit ihr. Und weil sie sagen, unsere Dorftracht stünde ihr gar zu gut, so kleidet sie sich wie die andern Spreewaldmädchen, sonst hätte sie längst Stadtkleider angezogen.

sein, das frißt im Stillen um sich und richtet alles Gute zu Grunde. Besser er redete einmal frei heraus, daß er Alles vom Herzen herunterbekäme, dann könnte man ihm helfen, oder, wenn's nicht ginge, mit ihm weinen! Und siehst du, Ernstchen, ich bin's nicht allein, die darum weiß, die Leute reden genug davon. Es vergeht kein Sonntag, daß er nicht in der Lindenkaupe vorspräche. Die Koal's hätten auch gar nichts gegen die Heirath einzuwenden. Letzt so kommt der Koal bei mir vor, und ist gar höflich und freundlich, und sprach mir fortwährend, was mein Sohn rechtschaffen und brav wäre. Mir lachte das Herz im Leibe, denn ich dachte, es wäre so gut wie richtig, und sagte ihm, daß, wenn mein Sohn einmal heirathen wollte, die Frau auch nicht in ein leeres Nest käme, besonders seit der Erbschaft. Er verstand auch Alles gar wohl und gab mir die Hand und sagte, wir wollten gute Freunde sein. Aber darüber ist ein halbes Jahr vergangen, und wir sind noch auf demselben Flecke. Denn die Marie will gar zu hoch hinaus, und dadurch macht sie Andere elend und wird sich selbst zu Grunde richten. Da sieht und lernt sie im Pfarrhause zu Burg bei ihrem Bruder Allerlei, was ihr den Kopf verdreht. Ein hübsches Mädchen ist sie, und da kommen Gäste aus der Stadt und Umgebung und thun schön mit ihr. Und weil sie sagen, unsere Dorftracht stünde ihr gar zu gut, so kleidet sie sich wie die andern Spreewaldmädchen, sonst hätte sie längst Stadtkleider angezogen.

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[0051] sein, das frißt im Stillen um sich und richtet alles Gute zu Grunde. Besser er redete einmal frei heraus, daß er Alles vom Herzen herunterbekäme, dann könnte man ihm helfen, oder, wenn's nicht ginge, mit ihm weinen! Und siehst du, Ernstchen, ich bin's nicht allein, die darum weiß, die Leute reden genug davon. Es vergeht kein Sonntag, daß er nicht in der Lindenkaupe vorspräche. Die Koal's hätten auch gar nichts gegen die Heirath einzuwenden. Letzt so kommt der Koal bei mir vor, und ist gar höflich und freundlich, und sprach mir fortwährend, was mein Sohn rechtschaffen und brav wäre. Mir lachte das Herz im Leibe, denn ich dachte, es wäre so gut wie richtig, und sagte ihm, daß, wenn mein Sohn einmal heirathen wollte, die Frau auch nicht in ein leeres Nest käme, besonders seit der Erbschaft. Er verstand auch Alles gar wohl und gab mir die Hand und sagte, wir wollten gute Freunde sein. Aber darüber ist ein halbes Jahr vergangen, und wir sind noch auf demselben Flecke. Denn die Marie will gar zu hoch hinaus, und dadurch macht sie Andere elend und wird sich selbst zu Grunde richten. Da sieht und lernt sie im Pfarrhause zu Burg bei ihrem Bruder Allerlei, was ihr den Kopf verdreht. Ein hübsches Mädchen ist sie, und da kommen Gäste aus der Stadt und Umgebung und thun schön mit ihr. Und weil sie sagen, unsere Dorftracht stünde ihr gar zu gut, so kleidet sie sich wie die andern Spreewaldmädchen, sonst hätte sie längst Stadtkleider angezogen.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:15:33Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T10:15:33Z)

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Zitationshilfe: Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roquette_schlangenkoenigin_1910/51>, abgerufen am 04.05.2024.