Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.magst was Schönes gern. Kannst meine Hülfe wohl noch brauchen. Sie klopfte ihm zudringlich auf die Schultern und lachte in sich hinein. Wir trieben Sardok zur Eile an, denn ihre Vertraulichkeit erschien uns Beiden noch unheimlicher als ihre Feindschaft. Als wir endlich aus dem engen Graben in einen breiten, schön gewundenen Kanal einfuhren, den blauen Himmel über uns sahen und die Strahlen der Morgensonne spürten, da erst fühlten wir uns erleichtert und begannen die Abenteuer der Nacht durchzusprechen. 4. Die Kindtaufe. Die flüchtige Erscheinung des schönen Mädchens im Kahne, die uns zu Nacht so spurlos entschwunden war, trat bald in den Vordergrund unseres Gespräches. Ich neckte Victor, indem ich meinte, daß sie nur in ihrer Qualität als "Schlangenkönigin" habe Eindruck auf ihn machen können. Er stutzte. Jetzt, da er eine nähere Bekanntschaft mit wirklichen Schlangen, den ihm widerwärtigsten Geschöpfen, gemacht hatte, fiel der Titel, den die Kinder dem Mädchen gegeben hatten, sowie ihre Herausforderung an den Schlangenkönig ihm schwerer aufs Herz. Ich ließ ihn seine Vermuthungen über alte Zigeunerinnen, Schlangen und schöne Spreemäd- magst was Schönes gern. Kannst meine Hülfe wohl noch brauchen. Sie klopfte ihm zudringlich auf die Schultern und lachte in sich hinein. Wir trieben Sardok zur Eile an, denn ihre Vertraulichkeit erschien uns Beiden noch unheimlicher als ihre Feindschaft. Als wir endlich aus dem engen Graben in einen breiten, schön gewundenen Kanal einfuhren, den blauen Himmel über uns sahen und die Strahlen der Morgensonne spürten, da erst fühlten wir uns erleichtert und begannen die Abenteuer der Nacht durchzusprechen. 4. Die Kindtaufe. Die flüchtige Erscheinung des schönen Mädchens im Kahne, die uns zu Nacht so spurlos entschwunden war, trat bald in den Vordergrund unseres Gespräches. Ich neckte Victor, indem ich meinte, daß sie nur in ihrer Qualität als „Schlangenkönigin“ habe Eindruck auf ihn machen können. Er stutzte. Jetzt, da er eine nähere Bekanntschaft mit wirklichen Schlangen, den ihm widerwärtigsten Geschöpfen, gemacht hatte, fiel der Titel, den die Kinder dem Mädchen gegeben hatten, sowie ihre Herausforderung an den Schlangenkönig ihm schwerer aufs Herz. Ich ließ ihn seine Vermuthungen über alte Zigeunerinnen, Schlangen und schöne Spreemäd- <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0034"/> magst was Schönes gern. Kannst meine Hülfe wohl noch brauchen.</p><lb/> <p>Sie klopfte ihm zudringlich auf die Schultern und lachte in sich hinein. Wir trieben Sardok zur Eile an, denn ihre Vertraulichkeit erschien uns Beiden noch unheimlicher als ihre Feindschaft. Als wir endlich aus dem engen Graben in einen breiten, schön gewundenen Kanal einfuhren, den blauen Himmel über uns sahen und die Strahlen der Morgensonne spürten, da erst fühlten wir uns erleichtert und begannen die Abenteuer der Nacht durchzusprechen.</p><lb/> </div> <div type="chapter" n="4"> <head>4. Die Kindtaufe.</head> <p>Die flüchtige Erscheinung des schönen Mädchens im Kahne, die uns zu Nacht so spurlos entschwunden war, trat bald in den Vordergrund unseres Gespräches. Ich neckte Victor, indem ich meinte, daß sie nur in ihrer Qualität als „Schlangenkönigin“ habe Eindruck auf ihn machen können. Er stutzte. Jetzt, da er eine nähere Bekanntschaft mit wirklichen Schlangen, den ihm widerwärtigsten Geschöpfen, gemacht hatte, fiel der Titel, den die Kinder dem Mädchen gegeben hatten, sowie ihre Herausforderung an den Schlangenkönig ihm schwerer aufs Herz. Ich ließ ihn seine Vermuthungen über alte Zigeunerinnen, Schlangen und schöne Spreemäd-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0034]
magst was Schönes gern. Kannst meine Hülfe wohl noch brauchen.
Sie klopfte ihm zudringlich auf die Schultern und lachte in sich hinein. Wir trieben Sardok zur Eile an, denn ihre Vertraulichkeit erschien uns Beiden noch unheimlicher als ihre Feindschaft. Als wir endlich aus dem engen Graben in einen breiten, schön gewundenen Kanal einfuhren, den blauen Himmel über uns sahen und die Strahlen der Morgensonne spürten, da erst fühlten wir uns erleichtert und begannen die Abenteuer der Nacht durchzusprechen.
4. Die Kindtaufe. Die flüchtige Erscheinung des schönen Mädchens im Kahne, die uns zu Nacht so spurlos entschwunden war, trat bald in den Vordergrund unseres Gespräches. Ich neckte Victor, indem ich meinte, daß sie nur in ihrer Qualität als „Schlangenkönigin“ habe Eindruck auf ihn machen können. Er stutzte. Jetzt, da er eine nähere Bekanntschaft mit wirklichen Schlangen, den ihm widerwärtigsten Geschöpfen, gemacht hatte, fiel der Titel, den die Kinder dem Mädchen gegeben hatten, sowie ihre Herausforderung an den Schlangenkönig ihm schwerer aufs Herz. Ich ließ ihn seine Vermuthungen über alte Zigeunerinnen, Schlangen und schöne Spreemäd-
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Zitationshilfe: | Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roquette_schlangenkoenigin_1910/34>, abgerufen am 16.02.2025. |