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Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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liche Blockhaus. Die Außenwand desselben war mit wuchernden braunen Schwämmen übersä't, der sumpfige Boden ließ den wilden Schierling in dichten Massen aufschießen, daß seine Blütendolden bis an das Strohdach reichten. Aus hohem wildem Gestrüpp sahen rothe Fingerhutblüten mit langem Halse zum Lichte hinauf. Die Bäume standen so dicht beisammen, daß man den Himmel nicht sehen konnte. Wir waren in ein Waldversteck gerathen, wie man es dunkler und verborgener nicht finden konnte.

Sardok schaufelte inzwischen das Wasser aus unserem Kahn und legte eine zerlumpte wollene Decke über die Bretter. Bald darauf rief uns Zarna zum Frühstück. Eine Mehlsuppe dampfte uns entgegen, nebst gesottenen Eiern; frischer Speck und schwarzes Brod lagen dabei. Es galt einige Ueberwindung, denn das Geschirr, der Tisch und die Wirthin selbst sahen keineswegs sauber aus. Diesmal berichtigte Victor die Zeche. Sie war über Erwarten reichlich, und die Alte schien sehr zufrieden. Sie begleitete uns bis an den Kahn. Wenn die Leute hören werden, rief sie, daß ihr bei der alten Zarna wart -- die werden Augen machen und euch von mir erzählen! Was mach' ich mir daraus? Können doch nicht ohne mich leben! Wenn ich euch dienen kann, seht euch nur um nach mir. Der da -- sie sah mich von der Seite an -- der da ist blaß und hat was Schweres auf dem Herzen! Aber du hast rothe Backen, wandte sie sich an Victor, und

liche Blockhaus. Die Außenwand desselben war mit wuchernden braunen Schwämmen übersä't, der sumpfige Boden ließ den wilden Schierling in dichten Massen aufschießen, daß seine Blütendolden bis an das Strohdach reichten. Aus hohem wildem Gestrüpp sahen rothe Fingerhutblüten mit langem Halse zum Lichte hinauf. Die Bäume standen so dicht beisammen, daß man den Himmel nicht sehen konnte. Wir waren in ein Waldversteck gerathen, wie man es dunkler und verborgener nicht finden konnte.

Sardok schaufelte inzwischen das Wasser aus unserem Kahn und legte eine zerlumpte wollene Decke über die Bretter. Bald darauf rief uns Zarna zum Frühstück. Eine Mehlsuppe dampfte uns entgegen, nebst gesottenen Eiern; frischer Speck und schwarzes Brod lagen dabei. Es galt einige Ueberwindung, denn das Geschirr, der Tisch und die Wirthin selbst sahen keineswegs sauber aus. Diesmal berichtigte Victor die Zeche. Sie war über Erwarten reichlich, und die Alte schien sehr zufrieden. Sie begleitete uns bis an den Kahn. Wenn die Leute hören werden, rief sie, daß ihr bei der alten Zarna wart — die werden Augen machen und euch von mir erzählen! Was mach' ich mir daraus? Können doch nicht ohne mich leben! Wenn ich euch dienen kann, seht euch nur um nach mir. Der da — sie sah mich von der Seite an — der da ist blaß und hat was Schweres auf dem Herzen! Aber du hast rothe Backen, wandte sie sich an Victor, und

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:15:33Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roquette_schlangenkoenigin_1910/33>, abgerufen am 24.11.2024.