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Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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die Luft drinnen gar zu schwül und drückend, ich ging hinaus, um zu sehen, ob wir die Rückfahrt Wohl antreten könnten. Der Himmel klärte sich bereits, ich glaubte ein paar Sterne zu erblicken. Um einen größeren Himmelsraum beobachten zu können, ging ich bis auf die hohe Brücke. Mir kam es vor, als schliche Jemand hinter mir her, doch nachdem ich mich umgesehen, glaubte ich mich getäuscht zu haben. Das Wetter war in der That vorüber, nur von den Bäumen schüttelte der Wind noch den Regen. Mitten auf der Brücke stehend betrachtete ich die Sterne, wie sie sich unter mir im Wasser spiegelten. Das leichte Gerüst kam mir heut höher als jemals vor, ich glaubte in eine unendliche Tiefe zu sehen.

Da sprang plötzlich Jemand an mich heran, krallte sich wie eine Katze im Rücken an mich fest, und im nächsten Augenblick fühlte ich einen Messerstich in der Schulter. Ein leiser Ruf des Schrecks entfuhr mir, der Angreifer ließ von mir ab, ich aber packte ihn und rief: Wer bist du? Er zuckte zusammen und schrie auf: Dich nicht, dich nicht, den Andern! -- Ich erkannte Sardok. Er wollte sich losreißen, ich aber hielt ihn nur fester umklammert. Es folgten einige Minuten des heftigsten Ringens, dann ein Krach -- die Geländerstange der Brücke, an die wir uns gedrängt hatten, war gebrochen, und wir stürzten Beide in die Tiefe des Kanals. Einen furchtbaren Schrei vernahm ich noch aus

die Luft drinnen gar zu schwül und drückend, ich ging hinaus, um zu sehen, ob wir die Rückfahrt Wohl antreten könnten. Der Himmel klärte sich bereits, ich glaubte ein paar Sterne zu erblicken. Um einen größeren Himmelsraum beobachten zu können, ging ich bis auf die hohe Brücke. Mir kam es vor, als schliche Jemand hinter mir her, doch nachdem ich mich umgesehen, glaubte ich mich getäuscht zu haben. Das Wetter war in der That vorüber, nur von den Bäumen schüttelte der Wind noch den Regen. Mitten auf der Brücke stehend betrachtete ich die Sterne, wie sie sich unter mir im Wasser spiegelten. Das leichte Gerüst kam mir heut höher als jemals vor, ich glaubte in eine unendliche Tiefe zu sehen.

Da sprang plötzlich Jemand an mich heran, krallte sich wie eine Katze im Rücken an mich fest, und im nächsten Augenblick fühlte ich einen Messerstich in der Schulter. Ein leiser Ruf des Schrecks entfuhr mir, der Angreifer ließ von mir ab, ich aber packte ihn und rief: Wer bist du? Er zuckte zusammen und schrie auf: Dich nicht, dich nicht, den Andern! — Ich erkannte Sardok. Er wollte sich losreißen, ich aber hielt ihn nur fester umklammert. Es folgten einige Minuten des heftigsten Ringens, dann ein Krach — die Geländerstange der Brücke, an die wir uns gedrängt hatten, war gebrochen, und wir stürzten Beide in die Tiefe des Kanals. Einen furchtbaren Schrei vernahm ich noch aus

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[0103] die Luft drinnen gar zu schwül und drückend, ich ging hinaus, um zu sehen, ob wir die Rückfahrt Wohl antreten könnten. Der Himmel klärte sich bereits, ich glaubte ein paar Sterne zu erblicken. Um einen größeren Himmelsraum beobachten zu können, ging ich bis auf die hohe Brücke. Mir kam es vor, als schliche Jemand hinter mir her, doch nachdem ich mich umgesehen, glaubte ich mich getäuscht zu haben. Das Wetter war in der That vorüber, nur von den Bäumen schüttelte der Wind noch den Regen. Mitten auf der Brücke stehend betrachtete ich die Sterne, wie sie sich unter mir im Wasser spiegelten. Das leichte Gerüst kam mir heut höher als jemals vor, ich glaubte in eine unendliche Tiefe zu sehen. Da sprang plötzlich Jemand an mich heran, krallte sich wie eine Katze im Rücken an mich fest, und im nächsten Augenblick fühlte ich einen Messerstich in der Schulter. Ein leiser Ruf des Schrecks entfuhr mir, der Angreifer ließ von mir ab, ich aber packte ihn und rief: Wer bist du? Er zuckte zusammen und schrie auf: Dich nicht, dich nicht, den Andern! — Ich erkannte Sardok. Er wollte sich losreißen, ich aber hielt ihn nur fester umklammert. Es folgten einige Minuten des heftigsten Ringens, dann ein Krach — die Geländerstange der Brücke, an die wir uns gedrängt hatten, war gebrochen, und wir stürzten Beide in die Tiefe des Kanals. Einen furchtbaren Schrei vernahm ich noch aus

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:15:33Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roquette_schlangenkoenigin_1910/103>, abgerufen am 22.11.2024.