schickt und gelehrt in den übrigen ist. Diesem- nach kan ein ehrlicher Mann, der sonst in jure seine fundamenta ziemlich hat, und doch auff die Praxin sich nicht geleget, auch Standes we- gen nicht darauff legen können, sich selbst nicht rathen, sondern muß einen Advocaten gleich- sam zum Oraculo haben, und seine gerechte Sache, die er selbst nach dem Rechte und Ver- nunffts-Regeln also befindet, dem Glücke und Formalitäten des Proceßes unterwerffen, er verspielet auch wohl gar, oder wird wegen der Formalitäten in Unkosten condemnirt.
§. 51. Es läst sich nicht gar wohl von Ver- besserung des Proceß-Wesens und von den Feh- lern der Proceß-Ordnungen, wenn man über- haupt davon raisoniren will, schreiben, ohne auf die Proceß-Ordnungen eines gewissen Landes seine Absicht zu richten. Denn bey manchen führet man etwas als einen Fehler an, welches hingegen in einen andern abgeschafft ist. Je- dennoch ist auch diese Bequemlichkeit wiederum mit darbey, daß man in tsiesi manches eher sa- gen kan, welches sich in hypothesi nicht allezeit so thun läst, und überdieß sind auch die meisten Proceß-Ordnungen in Teutschland über einen Leisten geschlagen, und bedürffen wohl, obgleich eine mehr als die andere einige Verbesserung, Vermehrung und Erläuterung.
§. 52
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ſchickt und gelehrt in den uͤbrigen iſt. Dieſem- nach kan ein ehrlicher Mann, der ſonſt in jure ſeine fundamenta ziemlich hat, und doch auff die Praxin ſich nicht geleget, auch Standes we- gen nicht darauff legen koͤnnen, ſich ſelbſt nicht rathen, ſondern muß einen Advocaten gleich- ſam zum Oraculo haben, und ſeine gerechte Sache, die er ſelbſt nach dem Rechte und Ver- nunffts-Regeln alſo befindet, dem Gluͤcke und Formalitaͤten des Proceßes unterwerffen, er verſpielet auch wohl gar, oder wird wegen der Formalitaͤten in Unkoſten condemnirt.
§. 51. Es laͤſt ſich nicht gar wohl von Ver- beſſerung des Proceß-Weſens und von den Feh- lern der Proceß-Ordnungen, wenn man uͤber- haupt davon raiſoniren will, ſchreiben, ohne auf die Proceß-Ordnungen eines gewiſſen Landes ſeine Abſicht zu richten. Denn bey manchen fuͤhret man etwas als einen Fehler an, welches hingegen in einen andern abgeſchafft iſt. Je- dennoch iſt auch dieſe Bequemlichkeit wiederum mit darbey, daß man in tſieſi manches eher ſa- gen kan, welches ſich in hypotheſi nicht allezeit ſo thun laͤſt, und uͤberdieß ſind auch die meiſten Proceß-Ordnungen in Teutſchland uͤber einen Leiſten geſchlagen, und beduͤrffen wohl, obgleich eine mehr als die andere einige Verbeſſerung, Vermehrung und Erlaͤuterung.
§. 52
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ſchickt und gelehrt in den uͤbrigen iſt. Dieſem-
nach kan ein ehrlicher Mann, der ſonſt in jure
ſeine fundamenta ziemlich hat, und doch auff
die Praxin ſich nicht geleget, auch Standes we-
gen nicht darauff legen koͤnnen, ſich ſelbſt nicht
rathen, ſondern muß einen Advocaten gleich-
ſam zum Oraculo haben, und ſeine gerechte
Sache, die er ſelbſt nach dem Rechte und Ver-
nunffts-Regeln alſo befindet, dem Gluͤcke und
Formalitaͤten des Proceßes unterwerffen, er
verſpielet auch wohl gar, oder wird wegen der
Formalitaͤten in Unkoſten condemnirt.
§. 51. Es laͤſt ſich nicht gar wohl von Ver-
beſſerung des Proceß-Weſens und von den Feh-
lern der Proceß-Ordnungen, wenn man uͤber-
haupt davon raiſoniren will, ſchreiben, ohne auf
die Proceß-Ordnungen eines gewiſſen Landes
ſeine Abſicht zu richten. Denn bey manchen
fuͤhret man etwas als einen Fehler an, welches
hingegen in einen andern abgeſchafft iſt. Je-
dennoch iſt auch dieſe Bequemlichkeit wiederum
mit darbey, daß man in tſieſi manches eher ſa-
gen kan, welches ſich in hypotheſi nicht allezeit
ſo thun laͤſt, und uͤberdieß ſind auch die meiſten
Proceß-Ordnungen in Teutſchland uͤber einen
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 743. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/763>, abgerufen am 22.11.2024.
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