die den Armen umsonst dieneten, und ihnen zu ihrem Recht verhölffen, auch von ihnen nichts eher praetendirten, biß sie ihre Sachen nach Wunsch ausgemacht hätten. Es müste aber auch solchen Advocaten ex publico eine hin- längliche Besoldung ausgesetzt, und ihnen ande- re Sachen anzunehmen verwehret werden, außer zu der Zeit, wenn sie mit Armen-Sachen nichts zu thun hätten. Es würde hierdurch die Ehre des grossen GOttes gar sehr befördert, und mancher arme, der von einem reichern und mächtigern untergedrückt wird, zu seinem Recht gelangen.
§. 22. Man findet insgemein in Ansehung der Proceß-Kosten bey den Urtheilen die Clau- sul. Die Gerichts-Kosten werden aus be- weglichen Ursachen gegeneinander compensiret und aufgehoben. Nun geb ich wohl zu, daß manchmahl die Urtheils-Fasser Raison haben, diese Clausul zu adhibiren, weil bey der heuti- gen Dunckelheit und Ungewißheit der Rechte beyde Processirende manchmal probabilem li- tigandi causam haben, ich glaube aber, daß sie mehr aus Gewohnheit so hingesetzt wird, denn daß man die Fundamenta des Rechts und der Billigkeit bey beyden streitenden Partheyen nach der grösten Accuratesse allezeit gründlich erwogen hätte. Es schreibt von dieser Clausul
Gott-
die den Armen umſonſt dieneten, und ihnen zu ihrem Recht verhoͤlffen, auch von ihnen nichts eher prætendirten, biß ſie ihre Sachen nach Wunſch ausgemacht haͤtten. Es muͤſte aber auch ſolchen Advocaten ex publico eine hin- laͤngliche Beſoldung ausgeſetzt, und ihnen ande- re Sachen anzunehmen verwehret werden, außer zu der Zeit, wenn ſie mit Armen-Sachen nichts zu thun haͤtten. Es wuͤrde hierdurch die Ehre des groſſen GOttes gar ſehr befoͤrdert, und mancher arme, der von einem reichern und maͤchtigern untergedruͤckt wird, zu ſeinem Recht gelangen.
§. 22. Man findet insgemein in Anſehung der Proceß-Koſten bey den Urtheilen die Clau- ſul. Die Gerichts-Koſten werden aus be- weglichen Urſachen gegeneinander compenſiret und aufgehoben. Nun geb ich wohl zu, daß manchmahl die Urtheils-Faſſer Raiſon haben, dieſe Clauſul zu adhibiren, weil bey der heuti- gen Dunckelheit und Ungewißheit der Rechte beyde Proceſſirende manchmal probabilem li- tigandi cauſam haben, ich glaube aber, daß ſie mehr aus Gewohnheit ſo hingeſetzt wird, denn daß man die Fundamenta des Rechts und der Billigkeit bey beyden ſtreitenden Partheyen nach der groͤſten Accurateſſe allezeit gruͤndlich erwogen haͤtte. Es ſchreibt von dieſer Clauſul
Gott-
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die den Armen umſonſt dieneten, und ihnen zu
ihrem Recht verhoͤlffen, auch von ihnen nichts
eher prætendirten, biß ſie ihre Sachen nach
Wunſch ausgemacht haͤtten. Es muͤſte aber
auch ſolchen Advocaten ex publico eine hin-
laͤngliche Beſoldung ausgeſetzt, und ihnen ande-
re Sachen anzunehmen verwehret werden,
außer zu der Zeit, wenn ſie mit Armen-Sachen
nichts zu thun haͤtten. Es wuͤrde hierdurch die
Ehre des groſſen GOttes gar ſehr befoͤrdert,
und mancher arme, der von einem reichern und
maͤchtigern untergedruͤckt wird, zu ſeinem
Recht gelangen.
§. 22. Man findet insgemein in Anſehung
der Proceß-Koſten bey den Urtheilen die Clau-
ſul. Die Gerichts-Koſten werden aus be-
weglichen Urſachen gegeneinander compenſiret
und aufgehoben. Nun geb ich wohl zu, daß
manchmahl die Urtheils-Faſſer Raiſon haben,
dieſe Clauſul zu adhibiren, weil bey der heuti-
gen Dunckelheit und Ungewißheit der Rechte
beyde Proceſſirende manchmal probabilem li-
tigandi cauſam haben, ich glaube aber, daß
ſie mehr aus Gewohnheit ſo hingeſetzt wird,
denn daß man die Fundamenta des Rechts und
der Billigkeit bey beyden ſtreitenden Partheyen
nach der groͤſten Accurateſſe allezeit gruͤndlich
erwogen haͤtte. Es ſchreibt von dieſer Clauſul
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 688. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/708>, abgerufen am 22.11.2024.
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