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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

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§. 10. Es ist wohl fast in allen Rechts-
Collegiis bräuchlich, daß die ältesten und vor-
nehmsten Räthe mit dem votiren den Anfang
machen, und die vorsitzenden denen nachsitzen-
den vorgezogen werden. Jch halte aber, we-
gen unterschiedener wichtigen Raisons, davor,
daß es besser sey, wenn allezeit der Anfang des
votirens von denen jüngsten gemacht würde.
Es würden die jüngsten, die die Vermuthung
wider sich haben, daß sie nicht so geschickt und
geübt sind, wie die andern, sich besser angreif-
fen, und wenn sie ihre Unwissenheit nicht an den
Tag legen, und sich bey dem Collegio Disre-
nommee
zuziehen wolten, mehr habilitiren
und die Nasen besser in die Acten stecken müs-
sen, da sonst manche nur demjenigen nachgehen,
was sie von den vorsitzenden Räthen gehöret,
und sich nicht eher qualificiren, als bis sie durch
die Länge der Zeit von denen andern den Schlen-
drian gelernet, und hierdurch geübter worden.
Sie würden auch ihre Vota viel freyer geben,
und dasjenige, was sie ihrem besten Wissen und
Gewissen nach vor recht befänden, heraus sa-
gen, da sonst mancher sich denen vorsitzenden
Räthen conformiren und ihnen nicht gern wi-
dersprechen wollen, zumahl wenn es solche sind,
die sonst viel zu sprechen haben, und bey dem
Landes-Fürsten wohl angesehen sind. An-
derweitigen Nutzen anietzo zu geschweigen.

§. 11.


§. 10. Es iſt wohl faſt in allen Rechts-
Collegiis braͤuchlich, daß die aͤlteſten und vor-
nehmſten Raͤthe mit dem votiren den Anfang
machen, und die vorſitzenden denen nachſitzen-
den vorgezogen werden. Jch halte aber, we-
gen unterſchiedener wichtigen Raiſons, davor,
daß es beſſer ſey, wenn allezeit der Anfang des
votirens von denen juͤngſten gemacht wuͤrde.
Es wuͤrden die juͤngſten, die die Vermuthung
wider ſich haben, daß ſie nicht ſo geſchickt und
geuͤbt ſind, wie die andern, ſich beſſer angreif-
fen, und wenn ſie ihre Unwiſſenheit nicht an den
Tag legen, und ſich bey dem Collegio Disre-
nommée
zuziehen wolten, mehr habilitiren
und die Naſen beſſer in die Acten ſtecken muͤſ-
ſen, da ſonſt manche nur demjenigen nachgehen,
was ſie von den vorſitzenden Raͤthen gehoͤret,
und ſich nicht eher qualificiren, als bis ſie durch
die Laͤnge der Zeit von denen andern den Schlen-
drian gelernet, und hierdurch geuͤbter worden.
Sie wuͤrden auch ihre Vota viel freyer geben,
und dasjenige, was ſie ihrem beſten Wiſſen und
Gewiſſen nach vor recht befaͤnden, heraus ſa-
gen, da ſonſt mancher ſich denen vorſitzenden
Raͤthen conformiren und ihnen nicht gern wi-
derſprechen wollen, zumahl wenn es ſolche ſind,
die ſonſt viel zu ſprechen haben, und bey dem
Landes-Fuͤrſten wohl angeſehen ſind. An-
derweitigen Nutzen anietzo zu geſchweigen.

§. 11.
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[680/0700] §. 10. Es iſt wohl faſt in allen Rechts- Collegiis braͤuchlich, daß die aͤlteſten und vor- nehmſten Raͤthe mit dem votiren den Anfang machen, und die vorſitzenden denen nachſitzen- den vorgezogen werden. Jch halte aber, we- gen unterſchiedener wichtigen Raiſons, davor, daß es beſſer ſey, wenn allezeit der Anfang des votirens von denen juͤngſten gemacht wuͤrde. Es wuͤrden die juͤngſten, die die Vermuthung wider ſich haben, daß ſie nicht ſo geſchickt und geuͤbt ſind, wie die andern, ſich beſſer angreif- fen, und wenn ſie ihre Unwiſſenheit nicht an den Tag legen, und ſich bey dem Collegio Disre- nommée zuziehen wolten, mehr habilitiren und die Naſen beſſer in die Acten ſtecken muͤſ- ſen, da ſonſt manche nur demjenigen nachgehen, was ſie von den vorſitzenden Raͤthen gehoͤret, und ſich nicht eher qualificiren, als bis ſie durch die Laͤnge der Zeit von denen andern den Schlen- drian gelernet, und hierdurch geuͤbter worden. Sie wuͤrden auch ihre Vota viel freyer geben, und dasjenige, was ſie ihrem beſten Wiſſen und Gewiſſen nach vor recht befaͤnden, heraus ſa- gen, da ſonſt mancher ſich denen vorſitzenden Raͤthen conformiren und ihnen nicht gern wi- derſprechen wollen, zumahl wenn es ſolche ſind, die ſonſt viel zu ſprechen haben, und bey dem Landes-Fuͤrſten wohl angeſehen ſind. An- derweitigen Nutzen anietzo zu geſchweigen. §. 11.

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 680. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/700>, abgerufen am 22.11.2024.