denn sie können abwesend dem gemeinen We- sen und Landes-Regenten viel grösser Unheil zuwege bringen, denn wenn sie in demselbigen geblieben. Am besten ists, durch Wohltha- ten alle diejenigen, die mit der Landes-herrlichen Regierung nicht wohl zufrieden sind, suchen zu gewinnen, oder wenn sie sich so aufgeführet, daß sie convincirt sind, wie sie die Republic in die gröste Unruhe setzen wollen, so thut ein Re- gente weißlich, wenn er sie nach Gelegenheit der Verbrechen entweder mit einer Todes Straf- fe belegt, oder doch zum wenigsten zu ewiger Gefängnisse condemniret.
§. 7. Bey den Atheniensern ist der Ostra- cismus gebräuchlich gewesen, da das Volck zu gewissen Zeiten zusammen kommen und dieje- nigen, die die andern an Reichthum, Macht und Ansehen übertroffen, deren Nahmen sie auf eine Auster-Schaale geschrieben, aus dem Lan- de relegiret, wiewohl ohne Beschimpffung. Die eine ungebundene Freyheit des Volcks vertheidigen, defendiren dieses; Allein, wenn man die Beschaffenheit eines solchen Modi recht vernünfftig untersuchet, so ist er zu impro- biren. Denn es sind öffters unschuldige und auch wohl tugendhaffte und patriotische Män- ner bey dieser Gelegenheit aus dem Lande ge- jaget worden, und sehr grosse Partheylichkei-
ten
denn ſie koͤnnen abweſend dem gemeinen We- ſen und Landes-Regenten viel groͤſſer Unheil zuwege bringen, denn wenn ſie in demſelbigen geblieben. Am beſten iſts, durch Wohltha- ten alle diejenigen, die mit der Landes-herrlichen Regierung nicht wohl zufrieden ſind, ſuchen zu gewinnen, oder wenn ſie ſich ſo aufgefuͤhret, daß ſie convincirt ſind, wie ſie die Republic in die groͤſte Unruhe ſetzen wollen, ſo thut ein Re- gente weißlich, wenn er ſie nach Gelegenheit der Verbrechen entweder mit einer Todes Straf- fe belegt, oder doch zum wenigſten zu ewiger Gefaͤngniſſe condemniret.
§. 7. Bey den Athenienſern iſt der Oſtra- ciſmus gebraͤuchlich geweſen, da das Volck zu gewiſſen Zeiten zuſammen kommen und dieje- nigen, die die andern an Reichthum, Macht und Anſehen uͤbertroffen, deren Nahmen ſie auf eine Auſter-Schaale geſchrieben, aus dem Lan- de relegiret, wiewohl ohne Beſchimpffung. Die eine ungebundene Freyheit des Volcks vertheidigen, defendiren dieſes; Allein, wenn man die Beſchaffenheit eines ſolchen Modi recht vernuͤnfftig unterſuchet, ſo iſt er zu impro- biren. Denn es ſind oͤffters unſchuldige und auch wohl tugendhaffte und patriotiſche Maͤn- ner bey dieſer Gelegenheit aus dem Lande ge- jaget worden, und ſehr groſſe Partheylichkei-
ten
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0572"n="552"/><fwplace="top"type="header"><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/></fw> denn ſie koͤnnen abweſend dem gemeinen We-<lb/>ſen und Landes-Regenten viel groͤſſer Unheil<lb/>
zuwege bringen, denn wenn ſie in demſelbigen<lb/>
geblieben. Am beſten iſts, durch Wohltha-<lb/>
ten alle diejenigen, die mit der Landes-herrlichen<lb/>
Regierung nicht wohl zufrieden ſind, ſuchen zu<lb/>
gewinnen, oder wenn ſie ſich ſo aufgefuͤhret, daß<lb/>ſie <hirendition="#aq">convinci</hi>rt ſind, wie ſie die Republic in die<lb/>
groͤſte Unruhe ſetzen wollen, ſo thut ein Re-<lb/>
gente weißlich, wenn er ſie nach Gelegenheit der<lb/>
Verbrechen entweder mit einer Todes Straf-<lb/>
fe belegt, oder doch zum wenigſten zu ewiger<lb/>
Gefaͤngniſſe <hirendition="#aq">condemni</hi>ret.</p><lb/><p>§. 7. Bey den Athenienſern iſt der <hirendition="#aq">Oſtra-<lb/>
ciſmus</hi> gebraͤuchlich geweſen, da das Volck zu<lb/>
gewiſſen Zeiten zuſammen kommen und dieje-<lb/>
nigen, die die andern an Reichthum, Macht<lb/>
und Anſehen uͤbertroffen, deren Nahmen ſie auf<lb/>
eine Auſter-Schaale geſchrieben, aus dem Lan-<lb/>
de <hirendition="#aq">relegi</hi>ret, wiewohl ohne Beſchimpffung.<lb/>
Die eine ungebundene Freyheit des Volcks<lb/>
vertheidigen, <hirendition="#aq">defendi</hi>ren dieſes; Allein, wenn<lb/>
man die Beſchaffenheit eines ſolchen <hirendition="#aq">Modi</hi><lb/>
recht vernuͤnfftig unterſuchet, ſo iſt er zu <hirendition="#aq">impro-<lb/>
bi</hi>ren. Denn es ſind oͤffters unſchuldige und<lb/>
auch wohl tugendhaffte und <hirendition="#aq">patrioti</hi>ſche Maͤn-<lb/>
ner bey dieſer Gelegenheit aus dem Lande ge-<lb/>
jaget worden, und ſehr groſſe Partheylichkei-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ten</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[552/0572]
denn ſie koͤnnen abweſend dem gemeinen We-
ſen und Landes-Regenten viel groͤſſer Unheil
zuwege bringen, denn wenn ſie in demſelbigen
geblieben. Am beſten iſts, durch Wohltha-
ten alle diejenigen, die mit der Landes-herrlichen
Regierung nicht wohl zufrieden ſind, ſuchen zu
gewinnen, oder wenn ſie ſich ſo aufgefuͤhret, daß
ſie convincirt ſind, wie ſie die Republic in die
groͤſte Unruhe ſetzen wollen, ſo thut ein Re-
gente weißlich, wenn er ſie nach Gelegenheit der
Verbrechen entweder mit einer Todes Straf-
fe belegt, oder doch zum wenigſten zu ewiger
Gefaͤngniſſe condemniret.
§. 7. Bey den Athenienſern iſt der Oſtra-
ciſmus gebraͤuchlich geweſen, da das Volck zu
gewiſſen Zeiten zuſammen kommen und dieje-
nigen, die die andern an Reichthum, Macht
und Anſehen uͤbertroffen, deren Nahmen ſie auf
eine Auſter-Schaale geſchrieben, aus dem Lan-
de relegiret, wiewohl ohne Beſchimpffung.
Die eine ungebundene Freyheit des Volcks
vertheidigen, defendiren dieſes; Allein, wenn
man die Beſchaffenheit eines ſolchen Modi
recht vernuͤnfftig unterſuchet, ſo iſt er zu impro-
biren. Denn es ſind oͤffters unſchuldige und
auch wohl tugendhaffte und patriotiſche Maͤn-
ner bey dieſer Gelegenheit aus dem Lande ge-
jaget worden, und ſehr groſſe Partheylichkei-
ten
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 552. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/572>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.