einer ein Dirne, daß sie Unzucht halber mit ihm in die Nähe in ein ander Hauß fahre, oder sich von einer Kuplerin auf ein gewisses nah gelege- nes Rendesvous führen lassen soll, begehet hier die Manns-Person und die Kuplerin auch eine Entführung? Man möchte antworten, es werde erfodert, daß der Ort entlegen sey. Aber der Richter wird viel Mühe haben, der Gerech- tigkeit ein Gnügen zu leisten, wenn er beden- cket, daß zwischen dem nechsten Ort, und zwischen dem entlegenern und zwischen dem entlegensten unter den nahen Orten kein Unterscheid zufin- den, zwischen der Straffe der Entführung aber, da man den Kopff lassen muß und zwischen der Straffe der Hurerey, da man etwan drey Ta- ge im Gefängniß seyn oder etliche wenige Gül- den erlegen muß, dergleichen Summe man vor- her der Maitresse wohl zehn und mehrfach wil- lig geschenckt, eine schreckliche Ungleichheit sey; Hierzu kömmt, daß ein Weib, welches durch ei- nes Mannes Caressen so eingenommen ist, daß sie ohne Zwang sich mit ihm auf den Weg be- giebt, ohne einigen Zweiffel in der Disposition ist, allenfalls auch unbegleitet den Eltern zu ent- lauffen, und sich zu dem Liebhaber an einen an- dern Ort zu verfügen, woraus folget, daß in solchem Fall bloß die Begleitung an der Manns Person mit dem Tode bestrafft werde, wel-
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einer ein Dirne, daß ſie Unzucht halber mit ihm in die Naͤhe in ein ander Hauß fahre, oder ſich von einer Kuplerin auf ein gewiſſes nah gelege- nes Rendesvous fuͤhren laſſen ſoll, begehet hier die Manns-Perſon und die Kuplerin auch eine Entfuͤhrung? Man moͤchte antworten, es werde erfodert, daß der Ort entlegen ſey. Aber der Richter wird viel Muͤhe haben, der Gerech- tigkeit ein Gnuͤgen zu leiſten, wenn er beden- cket, daß zwiſchen dem nechſten Ort, und zwiſchen dem entlegenern und zwiſchen dem entlegenſten unter den nahen Orten kein Unterſcheid zufin- den, zwiſchen der Straffe der Entfuͤhrung aber, da man den Kopff laſſen muß und zwiſchen der Straffe der Hurerey, da man etwan drey Ta- ge im Gefaͤngniß ſeyn oder etliche wenige Guͤl- den erlegen muß, dergleichen Summe man vor- her der Maitreſſe wohl zehn und mehrfach wil- lig geſchenckt, eine ſchreckliche Ungleichheit ſey; Hierzu koͤmmt, daß ein Weib, welches durch ei- nes Mannes Careſſen ſo eingenommen iſt, daß ſie ohne Zwang ſich mit ihm auf den Weg be- giebt, ohne einigen Zweiffel in der Diſpoſition iſt, allenfalls auch unbegleitet den Eltern zu ent- lauffen, und ſich zu dem Liebhaber an einen an- dern Ort zu verfuͤgen, woraus folget, daß in ſolchem Fall bloß die Begleitung an der Manns Perſon mit dem Tode beſtrafft werde, wel-
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einer ein Dirne, daß ſie Unzucht halber mit ihm
in die Naͤhe in ein ander Hauß fahre, oder ſich
von einer Kuplerin auf ein gewiſſes nah gelege-
nes Rendesvous fuͤhren laſſen ſoll, begehet
hier die Manns-Perſon und die Kuplerin auch
eine Entfuͤhrung? Man moͤchte antworten, es
werde erfodert, daß der Ort entlegen ſey. Aber
der Richter wird viel Muͤhe haben, der Gerech-
tigkeit ein Gnuͤgen zu leiſten, wenn er beden-
cket, daß zwiſchen dem nechſten Ort, und zwiſchen
dem entlegenern und zwiſchen dem entlegenſten
unter den nahen Orten kein Unterſcheid zufin-
den, zwiſchen der Straffe der Entfuͤhrung aber,
da man den Kopff laſſen muß und zwiſchen der
Straffe der Hurerey, da man etwan drey Ta-
ge im Gefaͤngniß ſeyn oder etliche wenige Guͤl-
den erlegen muß, dergleichen Summe man vor-
her der Maitreſſe wohl zehn und mehrfach wil-
lig geſchenckt, eine ſchreckliche Ungleichheit ſey;
Hierzu koͤmmt, daß ein Weib, welches durch ei-
nes Mannes Careſſen ſo eingenommen iſt, daß
ſie ohne Zwang ſich mit ihm auf den Weg be-
giebt, ohne einigen Zweiffel in der Diſpoſition
iſt, allenfalls auch unbegleitet den Eltern zu ent-
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 533. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/553>, abgerufen am 22.11.2024.
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