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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

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gung einziehen. Nun ist zwar gewiß, daß
manche Mißbräuche so eclatant und notorisch
sind, daß sie einem iedweden gleich in die Augen
fallen. Manches können sie auch von andern
Leuten erfahren, wenn sie aber, wie es wohl
billig seyn solte, allerhand geheime Practiquen
vollkommen entdecken und denselben durch heil-
same Verordnungen entgegen gehen wollen, so
können sie solche nirgends anders herbekom-
men, denn von denen Profeßions-Verwand-
ten. Aus ihrem eignen Gehirn können sie
solche nicht allezeit nehmen, weil es res facti
sind, und niemand allwissend ist, ob sie gleich
durch eigenes Nachsinnen, allerhand darwieder
dienliche remedia finden, wodurch manches
wenn sie die Boßheit des menschlichen Her-
tzens, und die Beschaffenheit derer bey einem
iedweden objecto vorkommenden Umstände ge-
hörig examiniren, durch Muthmassungen er-
langen können. Aus Büchern können sie sol-
che Sachen noch viel weniger hohlen, weil die
Schrifften, in welchen dergleichen finessen ent-
deckt, biß dato noch gar sehr rar sind.

§. 20. Es wird die Staats-Klugheit eben
wie die Privat-Klugheit auf viererley Art er-
lernt. Als erstlich durch Nachsinnen, zum
andern durch Lesung unterschiedener hierzu
dienlichen Schrifften, zum dritten durch eigene,

und



gung einziehen. Nun iſt zwar gewiß, daß
manche Mißbraͤuche ſo eclatant und notoriſch
ſind, daß ſie einem iedweden gleich in die Augen
fallen. Manches koͤnnen ſie auch von andern
Leuten erfahren, wenn ſie aber, wie es wohl
billig ſeyn ſolte, allerhand geheime Practiquen
vollkommen entdecken und denſelben durch heil-
ſame Verordnungen entgegen gehen wollen, ſo
koͤnnen ſie ſolche nirgends anders herbekom-
men, denn von denen Profeßions-Verwand-
ten. Aus ihrem eignen Gehirn koͤnnen ſie
ſolche nicht allezeit nehmen, weil es res facti
ſind, und niemand allwiſſend iſt, ob ſie gleich
durch eigenes Nachſinnen, allerhand darwieder
dienliche remedia finden, wodurch manches
wenn ſie die Boßheit des menſchlichen Her-
tzens, und die Beſchaffenheit derer bey einem
iedweden objecto vorkommenden Umſtaͤnde ge-
hoͤrig examiniren, durch Muthmaſſungen er-
langen koͤnnen. Aus Buͤchern koͤnnen ſie ſol-
che Sachen noch viel weniger hohlen, weil die
Schrifften, in welchen dergleichen fineſſen ent-
deckt, biß dato noch gar ſehr rar ſind.

§. 20. Es wird die Staats-Klugheit eben
wie die Privat-Klugheit auf viererley Art er-
lernt. Als erſtlich durch Nachſinnen, zum
andern durch Leſung unterſchiedener hierzu
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[26/0046] gung einziehen. Nun iſt zwar gewiß, daß manche Mißbraͤuche ſo eclatant und notoriſch ſind, daß ſie einem iedweden gleich in die Augen fallen. Manches koͤnnen ſie auch von andern Leuten erfahren, wenn ſie aber, wie es wohl billig ſeyn ſolte, allerhand geheime Practiquen vollkommen entdecken und denſelben durch heil- ſame Verordnungen entgegen gehen wollen, ſo koͤnnen ſie ſolche nirgends anders herbekom- men, denn von denen Profeßions-Verwand- ten. Aus ihrem eignen Gehirn koͤnnen ſie ſolche nicht allezeit nehmen, weil es res facti ſind, und niemand allwiſſend iſt, ob ſie gleich durch eigenes Nachſinnen, allerhand darwieder dienliche remedia finden, wodurch manches wenn ſie die Boßheit des menſchlichen Her- tzens, und die Beſchaffenheit derer bey einem iedweden objecto vorkommenden Umſtaͤnde ge- hoͤrig examiniren, durch Muthmaſſungen er- langen koͤnnen. Aus Buͤchern koͤnnen ſie ſol- che Sachen noch viel weniger hohlen, weil die Schrifften, in welchen dergleichen fineſſen ent- deckt, biß dato noch gar ſehr rar ſind. §. 20. Es wird die Staats-Klugheit eben wie die Privat-Klugheit auf viererley Art er- lernt. Als erſtlich durch Nachſinnen, zum andern durch Leſung unterſchiedener hierzu dienlichen Schrifften, zum dritten durch eigene, und

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/46>, abgerufen am 30.04.2024.