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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

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deutungen, davon ich meineu Begriff nach mei-
nen Gedancken kürtzlich eröffnen will, und was
die Landes-Fürsten in Ansehung ihrer anord-
nen oder verbiethen sollen. 1.) Heissen Pie-
tisten diejenigen, die mit den ruchlosen Welt-
Kinder nicht alle von GOtt verbothene Uppig-
keiten, Sünde und Schande mit machen wol-
len, und sich bemühen, so viel als unser HErr
GOtt Gnade darzu verleihet, und die menschli-
che Unvollkommenheit zu läßt, nach GOttes
Gebothen einher zu gehen, und einen, einem
Christen anständigen Lebens-Wandel zu füh-
ren. Diese werden nun von den Spöttern
und gottlosen Leuten mit dem Nahmen der
Pietisten beleget. Jch nenne aber solche
rechtschaffene Pietisten. 2.) Diejenigen, die
sich zwar äusserlich zu unserer Evangelischen
Lutherischen Kirche noch bekennen, inzwischen
aber allerhand principia hegen, die der ortho-
doxie,
wie sie in der heiligen Schrifft und den
Symbolischen Büchern enthalten ist, zuwider
sind, in Kirchen Sachen ohne raison allerhand
Neuerungen vornehmen wollen und in den
Klagen und Seufftzen, die sie über die Miß-
bräuche der Evangelischen Lutherischen Kirche
führen, excediren, und diese sind die subtilen
Pietisten. 3.) Die eine eigne Secte constitui-
ren, sie mögen sich nun von der Gemeinschafft

der
Y



deutungen, davon ich meineu Begriff nach mei-
nen Gedancken kuͤrtzlich eroͤffnen will, und was
die Landes-Fuͤrſten in Anſehung ihrer anord-
nen oder verbiethen ſollen. 1.) Heiſſen Pie-
tiſten diejenigen, die mit den ruchloſen Welt-
Kinder nicht alle von GOtt verbothene Uppig-
keiten, Suͤnde und Schande mit machen wol-
len, und ſich bemuͤhen, ſo viel als unſer HErr
GOtt Gnade darzu verleihet, und die menſchli-
che Unvollkommenheit zu laͤßt, nach GOttes
Gebothen einher zu gehen, und einen, einem
Chriſten anſtaͤndigen Lebens-Wandel zu fuͤh-
ren. Dieſe werden nun von den Spoͤttern
und gottloſen Leuten mit dem Nahmen der
Pietiſten beleget. Jch nenne aber ſolche
rechtſchaffene Pietiſten. 2.) Diejenigen, die
ſich zwar aͤuſſerlich zu unſerer Evangeliſchen
Lutheriſchen Kirche noch bekennen, inzwiſchen
aber allerhand principia hegen, die der ortho-
doxie,
wie ſie in der heiligen Schrifft und den
Symboliſchen Buͤchern enthalten iſt, zuwider
ſind, in Kirchen Sachen ohne raiſon allerhand
Neuerungen vornehmen wollen und in den
Klagen und Seufftzen, die ſie uͤber die Miß-
braͤuche der Evangeliſchen Lutheriſchen Kirche
fuͤhren, excediren, und dieſe ſind die ſubtilen
Pietiſten. 3.) Die eine eigne Secte conſtitui-
ren, ſie moͤgen ſich nun von der Gemeinſchafft

der
Y
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[337/0357] deutungen, davon ich meineu Begriff nach mei- nen Gedancken kuͤrtzlich eroͤffnen will, und was die Landes-Fuͤrſten in Anſehung ihrer anord- nen oder verbiethen ſollen. 1.) Heiſſen Pie- tiſten diejenigen, die mit den ruchloſen Welt- Kinder nicht alle von GOtt verbothene Uppig- keiten, Suͤnde und Schande mit machen wol- len, und ſich bemuͤhen, ſo viel als unſer HErr GOtt Gnade darzu verleihet, und die menſchli- che Unvollkommenheit zu laͤßt, nach GOttes Gebothen einher zu gehen, und einen, einem Chriſten anſtaͤndigen Lebens-Wandel zu fuͤh- ren. Dieſe werden nun von den Spoͤttern und gottloſen Leuten mit dem Nahmen der Pietiſten beleget. Jch nenne aber ſolche rechtſchaffene Pietiſten. 2.) Diejenigen, die ſich zwar aͤuſſerlich zu unſerer Evangeliſchen Lutheriſchen Kirche noch bekennen, inzwiſchen aber allerhand principia hegen, die der ortho- doxie, wie ſie in der heiligen Schrifft und den Symboliſchen Buͤchern enthalten iſt, zuwider ſind, in Kirchen Sachen ohne raiſon allerhand Neuerungen vornehmen wollen und in den Klagen und Seufftzen, die ſie uͤber die Miß- braͤuche der Evangeliſchen Lutheriſchen Kirche fuͤhren, excediren, und dieſe ſind die ſubtilen Pietiſten. 3.) Die eine eigne Secte conſtitui- ren, ſie moͤgen ſich nun von der Gemeinſchafft der Y

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/357>, abgerufen am 15.06.2024.