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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

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auch das Verlangen nach paradoxen Mey-
nungen sie kräfftig treibet, wird solches gute
bald anfangs verderbet. Man fähet an all-
zuhefftig und ohne Maaß über die Mißbräuche
zu eyfern, dabey über lauter Babel zu schreyen,
Mißbrauch und rechten Gebrauch zu vermi-
schen. Darnebst findet sich ordentlich ein
wiewohl subtilerer Chiliasmus, und suchet
man neue Offenbahrungen und Gesichte, oder
vertheidiget dieselben. Jedoch läßt man dabey
so viel es nur seyn kan, das Ministerium, den
GOttes-Dienst und Orthodoxie in seinen
Würden. Ein Exempel haben wir an Hein-
rich Amerbachen und Friedrich Brecklingen
beym Anfang ihrer Schrifften.

§. 3. Den andern Grad beschreiten diejeni-
gen, die vom Lutherthum nichts hören wollen,
und unter dem Vorwand, daß sie dem Sectiri-
schen Wesen abgesagt hätten, zugleich die Evan-
gelische Kirche verlästern, indessen aber ihre
eigne fanatische Secte und Kirche vor sich ha-
ben. Diese Leute verwerffen ausdrücklich alle
Religions-Verbindungen, Symbolische Bü-
cher, Theologica Systemata, Beichtstuhl und
was Ordnung zu erhalten bißhero gedienet
hat. Behalten aber gleichwohl den öffent-
lichen GOttes-Dienst und das Ministerium
ecclesiasticum,
wollen auch noch den Schein

haben,
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auch das Verlangen nach paradoxen Mey-
nungen ſie kraͤfftig treibet, wird ſolches gute
bald anfangs verderbet. Man faͤhet an all-
zuhefftig und ohne Maaß uͤber die Mißbraͤuche
zu eyfern, dabey uͤber lauter Babel zu ſchreyen,
Mißbrauch und rechten Gebrauch zu vermi-
ſchen. Darnebſt findet ſich ordentlich ein
wiewohl ſubtilerer Chiliaſmus, und ſuchet
man neue Offenbahrungen und Geſichte, oder
vertheidiget dieſelben. Jedoch laͤßt man dabey
ſo viel es nur ſeyn kan, das Miniſterium, den
GOttes-Dienſt und Orthodoxie in ſeinen
Wuͤrden. Ein Exempel haben wir an Hein-
rich Amerbachen und Friedrich Brecklingen
beym Anfang ihrer Schrifften.

§. 3. Den andern Grad beſchreiten diejeni-
gen, die vom Lutherthum nichts hoͤren wollen,
und unter dem Vorwand, daß ſie dem Sectiri-
ſchen Weſen abgeſagt haͤtten, zugleich die Evan-
geliſche Kirche verlaͤſtern, indeſſen aber ihre
eigne fanatiſche Secte und Kirche vor ſich ha-
ben. Dieſe Leute verwerffen ausdruͤcklich alle
Religions-Verbindungen, Symboliſche Buͤ-
cher, Theologica Syſtemata, Beichtſtuhl und
was Ordnung zu erhalten bißhero gedienet
hat. Behalten aber gleichwohl den oͤffent-
lichen GOttes-Dienſt und das Miniſterium
eccleſiaſticum,
wollen auch noch den Schein

haben,
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[323/0343] auch das Verlangen nach paradoxen Mey- nungen ſie kraͤfftig treibet, wird ſolches gute bald anfangs verderbet. Man faͤhet an all- zuhefftig und ohne Maaß uͤber die Mißbraͤuche zu eyfern, dabey uͤber lauter Babel zu ſchreyen, Mißbrauch und rechten Gebrauch zu vermi- ſchen. Darnebſt findet ſich ordentlich ein wiewohl ſubtilerer Chiliaſmus, und ſuchet man neue Offenbahrungen und Geſichte, oder vertheidiget dieſelben. Jedoch laͤßt man dabey ſo viel es nur ſeyn kan, das Miniſterium, den GOttes-Dienſt und Orthodoxie in ſeinen Wuͤrden. Ein Exempel haben wir an Hein- rich Amerbachen und Friedrich Brecklingen beym Anfang ihrer Schrifften. §. 3. Den andern Grad beſchreiten diejeni- gen, die vom Lutherthum nichts hoͤren wollen, und unter dem Vorwand, daß ſie dem Sectiri- ſchen Weſen abgeſagt haͤtten, zugleich die Evan- geliſche Kirche verlaͤſtern, indeſſen aber ihre eigne fanatiſche Secte und Kirche vor ſich ha- ben. Dieſe Leute verwerffen ausdruͤcklich alle Religions-Verbindungen, Symboliſche Buͤ- cher, Theologica Syſtemata, Beichtſtuhl und was Ordnung zu erhalten bißhero gedienet hat. Behalten aber gleichwohl den oͤffent- lichen GOttes-Dienſt und das Miniſterium eccleſiaſticum, wollen auch noch den Schein haben, X 2

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/343>, abgerufen am 22.11.2024.