Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.lehrte Prediger nach Anleitung der heiligen Schrifft und gesunden Vernunfft die ewige Glückseeligkeit auff eine solche Art einiger Mas- sen entwerffen könten, daß ihre Zuhörer ein recht Verlangen überkämen, eine solche Glück- seeligkeit zu besitzen, es koste auch nur immer was es wolle. So wird auch von den übrigen jüngsten Dingen in dem gantzen Jahre viel zu wenig geprediget. Jch könte hier noch ein weitläufftig Verzeichniß anfügen von denjeni- gen Materien, die auff den Cantzeln in denen ordentlichen Predigten nicht zur Gnüge abge- handelt werden, es mag aber vor dieses mahl gnug seyn. Nun bemühen sich zwar geschick- te Priester, die Evangelia und Episteln so zu er- klären, daß sie allezeit die Glaubens-Lehren her- ausziehen und die Glaubens- und Lebens-Pflich- ten ihren Zuhörern daraus vorstellen; Allein theils ist es nicht wohl möglich, daß sie aus den- selben alles berühren können, was einen Chri- sten in Ansehung der gantzen Christlichen Reli- gion zu glauben nöthig ist, wenn sie nicht den Texten Gewalt anthun, und die Materien mit den Haaren gleichsam darzu ziehen wollen; theils sind sie auch zu weitläufftig und haben gar zu viel Materien, daß sie also die Glaubens- Articul nur kurtz durchgehen und nicht recht deut-
lehrte Prediger nach Anleitung der heiligen Schrifft und geſunden Vernunfft die ewige Gluͤckſeeligkeit auff eine ſolche Art einiger Maſ- ſen entwerffen koͤnten, daß ihre Zuhoͤrer ein recht Verlangen uͤberkaͤmen, eine ſolche Gluͤck- ſeeligkeit zu beſitzen, es koſte auch nur immer was es wolle. So wird auch von den uͤbrigen juͤngſten Dingen in dem gantzen Jahre viel zu wenig geprediget. Jch koͤnte hier noch ein weitlaͤufftig Verzeichniß anfuͤgen von denjeni- gen Materien, die auff den Cantzeln in denen ordentlichen Predigten nicht zur Gnuͤge abge- handelt werden, es mag aber vor dieſes mahl gnug ſeyn. Nun bemuͤhen ſich zwar geſchick- te Prieſter, die Evangelia und Epiſteln ſo zu er- klaͤren, daß ſie allezeit die Glaubens-Lehren her- ausziehen und die Glaubens- und Lebens-Pflich- ten ihren Zuhoͤrern daraus vorſtellen; Allein theils iſt es nicht wohl moͤglich, daß ſie aus den- ſelben alles beruͤhren koͤnnen, was einen Chri- ſten in Anſehung der gantzen Chriſtlichen Reli- gion zu glauben noͤthig iſt, wenn ſie nicht den Texten Gewalt anthun, und die Materien mit den Haaren gleichſam darzu ziehen wollen; theils ſind ſie auch zu weitlaͤufftig und haben gar zu viel Materien, daß ſie alſo die Glaubens- Articul nur kurtz durchgehen und nicht recht deut-
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Jedoch iſt gewiß gnug, daß geſchickte und ge-
lehrte Prediger nach Anleitung der heiligen
Schrifft und geſunden Vernunfft die ewige
Gluͤckſeeligkeit auff eine ſolche Art einiger Maſ-
ſen entwerffen koͤnten, daß ihre Zuhoͤrer ein
recht Verlangen uͤberkaͤmen, eine ſolche Gluͤck-
ſeeligkeit zu beſitzen, es koſte auch nur immer
was es wolle. So wird auch von den uͤbrigen
juͤngſten Dingen in dem gantzen Jahre viel zu
wenig geprediget. Jch koͤnte hier noch ein
weitlaͤufftig Verzeichniß anfuͤgen von denjeni-
gen Materien, die auff den Cantzeln in denen
ordentlichen Predigten nicht zur Gnuͤge abge-
handelt werden, es mag aber vor dieſes mahl
gnug ſeyn. Nun bemuͤhen ſich zwar geſchick-
te Prieſter, die Evangelia und Epiſteln ſo zu er-
klaͤren, daß ſie allezeit die Glaubens-Lehren her-
ausziehen und die Glaubens- und Lebens-Pflich-
ten ihren Zuhoͤrern daraus vorſtellen; Allein
theils iſt es nicht wohl moͤglich, daß ſie aus den-
ſelben alles beruͤhren koͤnnen, was einen Chri-
ſten in Anſehung der gantzen Chriſtlichen Reli-
gion zu glauben noͤthig iſt, wenn ſie nicht den
Texten Gewalt anthun, und die Materien mit
den Haaren gleichſam darzu ziehen wollen;
theils ſind ſie auch zu weitlaͤufftig und haben
gar zu viel Materien, daß ſie alſo die Glaubens-
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