wand und Deck-Mantel eines neuen wohlge- setzten und dem Scheine nach andächtigen Lie- des, seinen Gifft mit einzuschieben und in die Hertzen der Menschen, sonderlich der Einfälti- gen und die die Gabe der Prüfung nicht haben, auf gantz heimliche Art und Weise zu bringen weiß. Bey edirung eines Gesang-Buches haben die Landes-Fürsten anzubefehlen, es mag nun zum öffentlichen oder besondern Gebrauch dienen sollen, daß die Nahmen der Autorum, die solche neue Lieder gemacht, hinzugesetzt und nicht weggelassen werden. Es ist dieses von einer grossen Nothwendigkeit. Denn gleich- wie manchmahl eine Redens-Art, die bedenck- lich ist, einem Mann, von deßen Orthodoxie man allbereit sonst durch gnugsame Proben versichert ist, gar wol zu gute gehalten wird, also kan bey einem andern, welcher sonst wegen fal- scher und verdächtiger Lehre bekannt ist, solche Redens-Art, wenn sie dubieus oder anstößig ist, nicht frey passiren, weil man immer besor- gen muß, daß er unter dieser oder jener Phra- seologie bald einen Jrrthum von Glauben, bald von Christo, bald von der Rechtfertigung und andern wichtigen Glaubens-Puncten mit einmenget und dem Leser obtrudiret.
§. 14. Es muß auch in ein Evangelisch und Lutherisches Gesang-Buch kein Lied ge-
bracht
wand und Deck-Mantel eines neuen wohlge- ſetzten und dem Scheine nach andaͤchtigen Lie- des, ſeinen Gifft mit einzuſchieben und in die Hertzen der Menſchen, ſonderlich der Einfaͤlti- gen und die die Gabe der Pruͤfung nicht haben, auf gantz heimliche Art und Weiſe zu bringen weiß. Bey edirung eines Geſang-Buches haben die Landes-Fuͤrſten anzubefehlen, es mag nun zum oͤffentlichen oder beſondern Gebrauch dienen ſollen, daß die Nahmen der Autorum, die ſolche neue Lieder gemacht, hinzugeſetzt und nicht weggelaſſen werden. Es iſt dieſes von einer groſſen Nothwendigkeit. Denn gleich- wie manchmahl eine Redens-Art, die bedenck- lich iſt, einem Mann, von deßen Orthodoxie man allbereit ſonſt durch gnugſame Proben verſichert iſt, gar wol zu gute gehalten wird, alſo kan bey einem andern, welcher ſonſt wegen fal- ſcher und verdaͤchtiger Lehre bekannt iſt, ſolche Redens-Art, wenn ſie dubieus oder anſtoͤßig iſt, nicht frey paſſiren, weil man immer beſor- gen muß, daß er unter dieſer oder jener Phra- ſeologie bald einen Jrrthum von Glauben, bald von Chriſto, bald von der Rechtfertigung und andern wichtigen Glaubens-Puncten mit einmenget und dem Leſer obtrudiret.
§. 14. Es muß auch in ein Evangeliſch und Lutheriſches Geſang-Buch kein Lied ge-
bracht
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wand und Deck-Mantel eines neuen wohlge-
ſetzten und dem Scheine nach andaͤchtigen Lie-
des, ſeinen Gifft mit einzuſchieben und in die
Hertzen der Menſchen, ſonderlich der Einfaͤlti-
gen und die die Gabe der Pruͤfung nicht haben,
auf gantz heimliche Art und Weiſe zu bringen
weiß. Bey edirung eines Geſang-Buches
haben die Landes-Fuͤrſten anzubefehlen, es mag
nun zum oͤffentlichen oder beſondern Gebrauch
dienen ſollen, daß die Nahmen der Autorum,
die ſolche neue Lieder gemacht, hinzugeſetzt und
nicht weggelaſſen werden. Es iſt dieſes von
einer groſſen Nothwendigkeit. Denn gleich-
wie manchmahl eine Redens-Art, die bedenck-
lich iſt, einem Mann, von deßen Orthodoxie
man allbereit ſonſt durch gnugſame Proben
verſichert iſt, gar wol zu gute gehalten wird, alſo
kan bey einem andern, welcher ſonſt wegen fal-
ſcher und verdaͤchtiger Lehre bekannt iſt, ſolche
Redens-Art, wenn ſie dubieus oder anſtoͤßig
iſt, nicht frey paſſiren, weil man immer beſor-
gen muß, daß er unter dieſer oder jener Phra-
ſeologie bald einen Jrrthum von Glauben,
bald von Chriſto, bald von der Rechtfertigung
und andern wichtigen Glaubens-Puncten mit
einmenget und dem Leſer obtrudiret.
§. 14. Es muß auch in ein Evangeliſch
und Lutheriſches Geſang-Buch kein Lied ge-
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/288>, abgerufen am 25.11.2024.
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