eines Landes, das sich selbst wider die beyden kriegenden mächtigen Theile nicht sattsam be- schützen kan, sondern die Neutralität ergreifft, ist dieser, daß ein Land bey dem Kriege mit Ge- walt, bey der Neutralität aber im Friede und Ruhe und mit guter Manier aufgezehret wird, wie die Exempel der alten und neuen Historien solches an den Tag legen.
§. 12. Es haben sich auch kleine Staaten zu hüten, daß sie nicht leichtlich, ausser wenn sie aus Noth darzu getrieben werden, mit mächtigern Potentaten in ein Bündniß sich einlassen. Denn gleichwie unter Privat-Personen, wenn arme und unansehnliche Leute mit Reichen und Vor- nehmen in eine Societät treten, gar öffters, da- fern diese nicht rechtschaffen und tugendhafft sind, bey der Theilung des Vortheils und Scha- dens gar ungleiche portiones assignirt bekom- men, also müssen auch öffters kleine Staaten den Mächtigern nach allem Vermögen assistiren, und participiren doch von dem Siege und Krieges-Glücke wenig oder gar nichts, hinge- gen werden allerhand beschwerliche und ver- drießliche Conditiones ihnen über den Halß ge- zogen, so daß der Verlust mehr über sie, denn über die andern geht.
§. 13. Wie die Bündniß-Instrumenta zu er- klären seyn, davon geben die Rechts-Gelehrten
unter-
eines Landes, das ſich ſelbſt wider die beyden kriegenden maͤchtigen Theile nicht ſattſam be- ſchuͤtzen kan, ſondern die Neutralitaͤt ergreifft, iſt dieſer, daß ein Land bey dem Kriege mit Ge- walt, bey der Neutralitaͤt aber im Friede und Ruhe und mit guter Manier aufgezehret wird, wie die Exempel der alten und neuen Hiſtorien ſolches an den Tag legen.
§. 12. Es haben ſich auch kleine Staaten zu huͤten, daß ſie nicht leichtlich, auſſer wenn ſie aus Noth darzu getrieben werden, mit maͤchtigern Potentaten in ein Buͤndniß ſich einlaſſen. Deñ gleichwie unter Privat-Perſonen, wenn arme und unanſehnliche Leute mit Reichen und Vor- nehmen in eine Societaͤt treten, gar oͤffters, da- fern dieſe nicht rechtſchaffen und tugendhafft ſind, bey der Theilung des Vortheils und Scha- dens gar ungleiche portiones aſſignirt bekom- men, alſo muͤſſen auch oͤffters kleine Staaten den Maͤchtigeꝛn nach allem Veꝛmoͤgen aſſiſtiꝛen, und participiren doch von dem Siege und Krieges-Gluͤcke wenig oder gar nichts, hinge- gen werden allerhand beſchwerliche und ver- drießliche Conditiones ihnen uͤber den Halß ge- zogen, ſo daß der Verluſt mehr uͤber ſie, denn uͤber die andern geht.
§. 13. Wie die Buͤndniß-Inſtrumenta zu er- klaͤren ſeyn, davon geben die Rechts-Gelehrten
unter-
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[1452/1472]
eines Landes, das ſich ſelbſt wider die beyden
kriegenden maͤchtigen Theile nicht ſattſam be-
ſchuͤtzen kan, ſondern die Neutralitaͤt ergreifft,
iſt dieſer, daß ein Land bey dem Kriege mit Ge-
walt, bey der Neutralitaͤt aber im Friede und
Ruhe und mit guter Manier aufgezehret wird,
wie die Exempel der alten und neuen Hiſtorien
ſolches an den Tag legen.
§. 12. Es haben ſich auch kleine Staaten zu
huͤten, daß ſie nicht leichtlich, auſſer wenn ſie aus
Noth darzu getrieben werden, mit maͤchtigern
Potentaten in ein Buͤndniß ſich einlaſſen. Deñ
gleichwie unter Privat-Perſonen, wenn arme
und unanſehnliche Leute mit Reichen und Vor-
nehmen in eine Societaͤt treten, gar oͤffters, da-
fern dieſe nicht rechtſchaffen und tugendhafft
ſind, bey der Theilung des Vortheils und Scha-
dens gar ungleiche portiones aſſignirt bekom-
men, alſo muͤſſen auch oͤffters kleine Staaten
den Maͤchtigeꝛn nach allem Veꝛmoͤgen aſſiſtiꝛen,
und participiren doch von dem Siege und
Krieges-Gluͤcke wenig oder gar nichts, hinge-
gen werden allerhand beſchwerliche und ver-
drießliche Conditiones ihnen uͤber den Halß ge-
zogen, ſo daß der Verluſt mehr uͤber ſie, denn
uͤber die andern geht.
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 1452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/1472>, abgerufen am 23.11.2024.
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