§. 11. Die Staaten und Potentaten sind wohl am besten dran, die so mächtig sind, daß sie ohne andrer Bündnisse ihrem Feind resist ren können, denn so wissen sie, daß sie die conque- tirten Länder vor sich behalten können, und mit niemand theilen dürffen, sie sind auch manchen Verdrießlichkeiten, die aus den Bündnissen zu entstehen pflegen, überhoben. Wenn die Regen- ten, die von mittelmäßiger oder kleinen Macht, mit angräntzenden auch nicht mächtigern schlies- sen, so dauren solche Allianzen nicht länger, als der Nutzen oder die Furcht sie zusammen hält, lassen sie sich mit einem entfernten, er sey von welcher Beschaffenheit er wolle, ein, so haben sie nicht sonderliche Hülffe von ihm zu erwarten.
§. 12. Ob es zwar am besten ist, wenn zu der Zeit, da ein paar mächtige Potentaten einander in die Haare gerathen, ein kleiner angräntzender Staat die Neutralität observiret, entweder bey- den Theilen gleiche Gefälligkeit erzeiget, oder aber, um den andern nicht zu offendiren, gewis- se praestanda beyden versaget, so ist doch hierbey auch grosse Vorsichtigkeit zu gebrauchen, daß der kleine Staat dem Uberwinder nicht zum Raube werde, und hätte mancher sich besser prospiciret, wenn er auf des einen Seite getre- ten wäre. Der Unterscheid zwischen einem for- malen Krieg und einem solchen Ruhe-Stand
eines
§. 11. Die Staaten und Potentaten ſind wohl am beſten dran, die ſo maͤchtig ſind, daß ſie ohne andrer Buͤndniſſe ihrem Feind reſiſt ren koͤnnen, denn ſo wiſſen ſie, daß ſie die conque- tirten Laͤnder vor ſich behalten koͤnnen, und mit niemand theilen duͤrffen, ſie ſind auch manchen Verdrießlichkeiten, die aus den Buͤndniſſen zu entſtehen pflegen, uͤberhoben. Wenn die Regen- ten, die von mittelmaͤßiger oder kleinen Macht, mit angꝛaͤntzenden auch nicht maͤchtigern ſchlieſ- ſen, ſo dauren ſolche Allianzen nicht laͤnger, als der Nutzen oder die Furcht ſie zuſammen haͤlt, laſſen ſie ſich mit einem entfernten, er ſey von welcher Beſchaffenheit er wolle, ein, ſo haben ſie nicht ſonderliche Huͤlffe von ihm zu erwarten.
§. 12. Ob es zwar am beſten iſt, wenn zu der Zeit, da ein paar maͤchtige Potentaten einander in die Haare gerathen, ein kleiner angraͤntzender Staat die Neutralitaͤt obſerviꝛet, entwedeꝛ bey- den Theilen gleiche Gefaͤlligkeit erzeiget, oder aber, um den andern nicht zu offendiren, gewiſ- ſe præſtanda beyden verſaget, ſo iſt doch hierbey auch groſſe Vorſichtigkeit zu gebrauchen, daß der kleine Staat dem Uberwinder nicht zum Raube werde, und haͤtte mancher ſich beſſer proſpiciret, wenn er auf des einen Seite getre- ten waͤre. Der Unterſcheid zwiſchen einem for- malen Krieg und einem ſolchen Ruhe-Stand
eines
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§. 11. Die Staaten und Potentaten ſind
wohl am beſten dran, die ſo maͤchtig ſind, daß ſie
ohne andrer Buͤndniſſe ihrem Feind reſiſt ren
koͤnnen, denn ſo wiſſen ſie, daß ſie die conque-
tirten Laͤnder vor ſich behalten koͤnnen, und mit
niemand theilen duͤrffen, ſie ſind auch manchen
Verdrießlichkeiten, die aus den Buͤndniſſen zu
entſtehen pflegen, uͤberhoben. Wenn die Regen-
ten, die von mittelmaͤßiger oder kleinen Macht,
mit angꝛaͤntzenden auch nicht maͤchtigern ſchlieſ-
ſen, ſo dauren ſolche Allianzen nicht laͤnger, als
der Nutzen oder die Furcht ſie zuſammen haͤlt,
laſſen ſie ſich mit einem entfernten, er ſey von
welcher Beſchaffenheit er wolle, ein, ſo haben ſie
nicht ſonderliche Huͤlffe von ihm zu erwarten.
§. 12. Ob es zwar am beſten iſt, wenn zu der
Zeit, da ein paar maͤchtige Potentaten einander
in die Haare gerathen, ein kleiner angraͤntzender
Staat die Neutralitaͤt obſerviꝛet, entwedeꝛ bey-
den Theilen gleiche Gefaͤlligkeit erzeiget, oder
aber, um den andern nicht zu offendiren, gewiſ-
ſe præſtanda beyden verſaget, ſo iſt doch hierbey
auch groſſe Vorſichtigkeit zu gebrauchen, daß
der kleine Staat dem Uberwinder nicht zum
Raube werde, und haͤtte mancher ſich beſſer
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ten waͤre. Der Unterſcheid zwiſchen einem for-
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 1451. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/1471>, abgerufen am 23.11.2024.
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