Straffen, Prügeln, Spießruthen, Hencken, u. s. w. vom nachtheiligen Desertiren und Uberlauf- fen abgehalten werden können. Das sind die Früchte der gezwungenen Kriegs-Dienste. Es wenden zwar einige hierwider ein, die Wohlfahrt des Staats erfordere es, daß man stets in Waf- fen sey; wahr ist es, doch wird es niemahls an Soldaten fehlen, wann denen Alten und Unver- mögenden gnugsame Belohnungen gereichet werden. Achtens werden solche gelähmte Sol- daten, da man sie ohne Belohnung aus einander gehen läst, weil sie ihr Brod nicht anders zu ver- dienen wissen, veranlasset, Strassen, Menschen, Häuser und Kirchen zu berauben. Die Gesetze achten sie nicht, weil die Noth von keinen weiß: eben so wenig fürchten sie die Straffen, weil ihr kümmerliches Leben unerträglicher als der här- teste Tod ist.
§. 21. Wenn nun die Invaliden-Häuser auf- gerichtet, so wäre in Ansehung der Invaliden auch eine gewisse Ordnung in Acht zu nehmen, zum Exempel, daß man keine recipirte, die sonsten Mittel zu leben haben, auch diejenigen nicht, die ein Handwerck gelernet und sonst dienen können. Ein Invalider müste dem andern helffen, der Blinde dem Lahmen die Hände leihen, der Lah- me dem Blinden die Augen, u. s. w. Es müssen auch hiervon ausgeschlossen werden, welche nicht
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Straffen, Pruͤgeln, Spießruthen, Hencken, u. ſ. w. vom nachtheiligen Deſertiren und Uberlauf- fen abgehalten werden koͤnnen. Das ſind die Fruͤchte der gezwungenen Kriegs-Dienſte. Es wenden zwar einige hierwider ein, die Wohlfahrt des Staats erfordere es, daß man ſtets in Waf- fen ſey; wahr iſt es, doch wird es niemahls an Soldaten fehlen, wann denen Alten und Unver- moͤgenden gnugſame Belohnungen gereichet werden. Achtens werden ſolche gelaͤhmte Sol- daten, da man ſie ohne Belohnung aus einander gehen laͤſt, weil ſie ihr Brod nicht anders zu ver- dienen wiſſen, veranlaſſet, Straſſen, Menſchen, Haͤuſer und Kirchen zu berauben. Die Geſetze achten ſie nicht, weil die Noth von keinen weiß: eben ſo wenig fuͤrchten ſie die Straffen, weil ihr kuͤmmerliches Leben unertraͤglicher als der haͤr- teſte Tod iſt.
§. 21. Wenn nun die Invaliden-Haͤuſer auf- gerichtet, ſo waͤre in Anſehung der Invaliden auch eine gewiſſe Ordnung in Acht zu nehmen, zum Exempel, daß man keine recipirte, die ſonſten Mittel zu leben haben, auch diejenigen nicht, die ein Handwerck gelernet und ſonſt dienen koͤnnen. Ein Invalider muͤſte dem andern helffen, der Blinde dem Lahmen die Haͤnde leihen, der Lah- me dem Blinden die Augen, u. ſ. w. Es muͤſſen auch hiervon ausgeſchloſſen werden, welche nicht
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Straffen, Pruͤgeln, Spießruthen, Hencken, u. ſ.
w. vom nachtheiligen Deſertiren und Uberlauf-
fen abgehalten werden koͤnnen. Das ſind die
Fruͤchte der gezwungenen Kriegs-Dienſte. Es
wenden zwar einige hierwider ein, die Wohlfahrt
des Staats erfordere es, daß man ſtets in Waf-
fen ſey; wahr iſt es, doch wird es niemahls an
Soldaten fehlen, wann denen Alten und Unver-
moͤgenden gnugſame Belohnungen gereichet
werden. Achtens werden ſolche gelaͤhmte Sol-
daten, da man ſie ohne Belohnung aus einander
gehen laͤſt, weil ſie ihr Brod nicht anders zu ver-
dienen wiſſen, veranlaſſet, Straſſen, Menſchen,
Haͤuſer und Kirchen zu berauben. Die Geſetze
achten ſie nicht, weil die Noth von keinen weiß:
eben ſo wenig fuͤrchten ſie die Straffen, weil ihr
kuͤmmerliches Leben unertraͤglicher als der haͤr-
teſte Tod iſt.
§. 21. Wenn nun die Invaliden-Haͤuſer auf-
gerichtet, ſo waͤre in Anſehung der Invaliden auch
eine gewiſſe Ordnung in Acht zu nehmen, zum
Exempel, daß man keine recipirte, die ſonſten
Mittel zu leben haben, auch diejenigen nicht, die
ein Handwerck gelernet und ſonſt dienen koͤnnen.
Ein Invalider muͤſte dem andern helffen, der
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 1406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/1426>, abgerufen am 23.11.2024.
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