§. 6. Ob es gleich eine Maxime der Staats- Klugheit wäre, einen andern, der ohndem schon in Krieg verwickelt und geschwächt ist, anzu- fallen, und dasjenige, was einem anständig, zu der Zeit, da der andre Potentate im schlechte- sten Defensions-Stande wäre, zu conqueti- ren, so hütet sich dennoch ein Christlicher und vernünfftiger Potentate, daß er nicht eine Gele- genheit zum Kriege, seines Eigennutzes wegen, vom Zaune bricht, und den andern ohne Raison mit Krieg überziehet.
§. 7. Hat ein Regente mit einem Feinde zu thun, von dem er weiß, daß er keine Treue noch Glauben in Acht nimmt, und den geschlos- senen Frieden nicht länger hält, als es sein In- teresse und die Raison d'Etat erfodert, und ist gegen einen solchen Feind etlichemahl glücklich gewesen, hat auch allerhand Vortheile von ihm überkommen, so muß er den Sieg prosequiren, so lange als nur möglich, biß der andere gede- müthiget, und nicht mehr in dem Stande ist, seinen Nachbarn Schaden zuzufügen.
§. 8. Zu Kriegs-Zeiten hat ein Potentate wohl Acht zu haben, daß der Feind nicht etwa aus seinem eignen Lande Materialien und solche Requisita, daran es ihm fehlen möchte, zur Fortsetzung des Krieges überkomme. z. E. Pfer- de zu Remontirung der Cavallerie, oder aller-
hand
§. 6. Ob es gleich eine Maxime der Staats- Klugheit waͤre, einen andern, der ohndem ſchon in Krieg verwickelt und geſchwaͤcht iſt, anzu- fallen, und dasjenige, was einem anſtaͤndig, zu der Zeit, da der andre Potentate im ſchlechte- ſten Defenſions-Stande waͤre, zu conqueti- ren, ſo huͤtet ſich dennoch ein Chriſtlicher und vernuͤnfftiger Potentate, daß er nicht eine Gele- genheit zum Kriege, ſeines Eigennutzes wegen, vom Zaune bricht, und den andern ohne Raiſon mit Krieg uͤberziehet.
§. 7. Hat ein Regente mit einem Feinde zu thun, von dem er weiß, daß er keine Treue noch Glauben in Acht nimmt, und den geſchloſ- ſenen Frieden nicht laͤnger haͤlt, als es ſein In- tereſſe und die Raiſon d’Etat erfodert, und iſt gegen einen ſolchen Feind etlichemahl gluͤcklich geweſen, hat auch allerhand Vortheile von ihm uͤberkommen, ſo muß er den Sieg proſequiren, ſo lange als nur moͤglich, biß der andere gede- muͤthiget, und nicht mehr in dem Stande iſt, ſeinen Nachbarn Schaden zuzufuͤgen.
§. 8. Zu Kriegs-Zeiten hat ein Potentate wohl Acht zu haben, daß der Feind nicht etwa aus ſeinem eignen Lande Materialien und ſolche Requiſita, daran es ihm fehlen moͤchte, zur Fortſetzung des Krieges uͤberkomme. z. E. Pfer- de zu Remontirung der Cavallerie, oder aller-
hand
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[1394/1414]
§. 6. Ob es gleich eine Maxime der Staats-
Klugheit waͤre, einen andern, der ohndem ſchon
in Krieg verwickelt und geſchwaͤcht iſt, anzu-
fallen, und dasjenige, was einem anſtaͤndig, zu
der Zeit, da der andre Potentate im ſchlechte-
ſten Defenſions-Stande waͤre, zu conqueti-
ren, ſo huͤtet ſich dennoch ein Chriſtlicher und
vernuͤnfftiger Potentate, daß er nicht eine Gele-
genheit zum Kriege, ſeines Eigennutzes wegen,
vom Zaune bricht, und den andern ohne Raiſon
mit Krieg uͤberziehet.
§. 7. Hat ein Regente mit einem Feinde
zu thun, von dem er weiß, daß er keine Treue
noch Glauben in Acht nimmt, und den geſchloſ-
ſenen Frieden nicht laͤnger haͤlt, als es ſein In-
tereſſe und die Raiſon d’Etat erfodert, und iſt
gegen einen ſolchen Feind etlichemahl gluͤcklich
geweſen, hat auch allerhand Vortheile von ihm
uͤberkommen, ſo muß er den Sieg proſequiren,
ſo lange als nur moͤglich, biß der andere gede-
muͤthiget, und nicht mehr in dem Stande iſt,
ſeinen Nachbarn Schaden zuzufuͤgen.
§. 8. Zu Kriegs-Zeiten hat ein Potentate
wohl Acht zu haben, daß der Feind nicht etwa
aus ſeinem eignen Lande Materialien und ſolche
Requiſita, daran es ihm fehlen moͤchte, zur
Fortſetzung des Krieges uͤberkomme. z. E. Pfer-
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 1394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/1414>, abgerufen am 23.11.2024.
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