Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.Diejenigen, welche von ihren Eltern verlassen oder hingesetzet worden, welche letzten Fündlin- ge genennt werden und 3. diejenigen deren arme Eltern verstorben. Alle diese gehören in die Waysen-Häuser, woselbst sie von den Waysen- Vätern, Waysen-Müttern und andern hierzu verordneten Personen erzogen, zur Gottesfurcht und Arbeit angewiesen, und so lange in der Ar- men-Schule informiret werden, biß sie zu ei- nem gewissen Alter kommen, da sie entweder ih- re angefangenen Studia ausserhalb des Way- sen-Hauses continuiren, oder bey einem Hand- werck, Herren-Diensten und dergleichen, ihr Stück Brod selbst verdienen können. Gleich- wie nun viele von solchen armen Kindern, die sonst dem gemeinen Wesen zur Last gelebt hät- ten, durch dergleichen Waysen-Häuser dem Teufel aus den Stricken gerissen werden; Also lieget der Christlichen hohen Landes-Obrigkei- ten billig ob, sich solcher verwayseten und verlas- senen Kinder Landes-väterlich anzunehmen, und sie nicht zu ihren Seel- und Leibs-Verder- ben in der Jrre umher gehen, sondern in gewis- sen, wenigstens in den Haupt-Städten anzu- richtenden Waysen-Häusern sorgfältig erzie- hen zu lassen. Es ist GOttes Güte zu preisen, daß in unserm Teutschland durch die Göttliche Provi-
Diejenigen, welche von ihren Eltern verlaſſen oder hingeſetzet worden, welche letzten Fuͤndlin- ge genennt werden und 3. diejenigen deren arme Eltern verſtorben. Alle dieſe gehoͤren in die Wayſen-Haͤuſer, woſelbſt ſie von den Wayſen- Vaͤtern, Wayſen-Muͤttern und andern hierzu verordneten Perſonen erzogen, zur Gottesfurcht und Arbeit angewieſen, und ſo lange in der Ar- men-Schule informiret werden, biß ſie zu ei- nem gewiſſen Alter kommen, da ſie entweder ih- re angefangenen Studia auſſerhalb des Way- ſen-Hauſes continuiren, oder bey einem Hand- werck, Herren-Dienſten und dergleichen, ihr Stuͤck Brod ſelbſt verdienen koͤnnen. Gleich- wie nun viele von ſolchen armen Kindern, die ſonſt dem gemeinen Weſen zur Laſt gelebt haͤt- ten, durch dergleichen Wayſen-Haͤuſer dem Teufel aus den Stricken geriſſen werden; Alſo lieget der Chriſtlichen hohen Landes-Obrigkei- ten billig ob, ſich ſolcher verwayſeten und verlaſ- ſenen Kinder Landes-vaͤterlich anzunehmen, und ſie nicht zu ihren Seel- und Leibs-Verder- ben in der Jrre umher gehen, ſondern in gewiſ- ſen, wenigſtens in den Haupt-Staͤdten anzu- richtenden Wayſen-Haͤuſern ſorgfaͤltig erzie- hen zu laſſen. Es iſt GOttes Guͤte zu preiſen, daß in unſerm Teutſchland durch die Goͤttliche Provi-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f1354" n="1334"/><fw place="top" type="header"><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/></fw> nicht ſelbſt erziehen und ernehren koͤnnen. 2.<lb/> Diejenigen, welche von ihren Eltern verlaſſen<lb/> oder hingeſetzet worden, welche letzten Fuͤndlin-<lb/> ge genennt werden und 3. diejenigen deren arme<lb/> Eltern verſtorben. Alle dieſe gehoͤren in die<lb/> Wayſen-Haͤuſer, woſelbſt ſie von den Wayſen-<lb/> Vaͤtern, Wayſen-Muͤttern und andern hierzu<lb/> verordneten Perſonen erzogen, zur Gottesfurcht<lb/> und Arbeit angewieſen, und ſo lange in der Ar-<lb/> men-Schule <hi rendition="#aq">informi</hi>ret werden, biß ſie zu ei-<lb/> nem gewiſſen Alter kommen, da ſie entweder ih-<lb/> re angefangenen <hi rendition="#aq">Studia</hi> auſſerhalb des Way-<lb/> ſen-Hauſes <hi rendition="#aq">continui</hi>ren, oder bey einem Hand-<lb/> werck, Herren-Dienſten und dergleichen, ihr<lb/> Stuͤck Brod ſelbſt verdienen koͤnnen. Gleich-<lb/> wie nun viele von ſolchen armen Kindern, die<lb/> ſonſt dem gemeinen Weſen zur Laſt gelebt haͤt-<lb/> ten, durch dergleichen Wayſen-Haͤuſer dem<lb/> Teufel aus den Stricken geriſſen werden; Alſo<lb/> lieget der Chriſtlichen hohen Landes-Obrigkei-<lb/> ten billig ob, ſich ſolcher verwayſeten und verlaſ-<lb/> ſenen Kinder Landes-vaͤterlich anzunehmen,<lb/> und ſie nicht zu ihren Seel- und Leibs-Verder-<lb/> ben in der Jrre umher gehen, ſondern in gewiſ-<lb/> ſen, wenigſtens in den Haupt-Staͤdten anzu-<lb/> richtenden Wayſen-Haͤuſern ſorgfaͤltig erzie-<lb/> hen zu laſſen. Es iſt GOttes Guͤte zu preiſen,<lb/> daß in unſerm Teutſchland durch die Goͤttliche<lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">Provi-</hi></fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [1334/1354]
nicht ſelbſt erziehen und ernehren koͤnnen. 2.
Diejenigen, welche von ihren Eltern verlaſſen
oder hingeſetzet worden, welche letzten Fuͤndlin-
ge genennt werden und 3. diejenigen deren arme
Eltern verſtorben. Alle dieſe gehoͤren in die
Wayſen-Haͤuſer, woſelbſt ſie von den Wayſen-
Vaͤtern, Wayſen-Muͤttern und andern hierzu
verordneten Perſonen erzogen, zur Gottesfurcht
und Arbeit angewieſen, und ſo lange in der Ar-
men-Schule informiret werden, biß ſie zu ei-
nem gewiſſen Alter kommen, da ſie entweder ih-
re angefangenen Studia auſſerhalb des Way-
ſen-Hauſes continuiren, oder bey einem Hand-
werck, Herren-Dienſten und dergleichen, ihr
Stuͤck Brod ſelbſt verdienen koͤnnen. Gleich-
wie nun viele von ſolchen armen Kindern, die
ſonſt dem gemeinen Weſen zur Laſt gelebt haͤt-
ten, durch dergleichen Wayſen-Haͤuſer dem
Teufel aus den Stricken geriſſen werden; Alſo
lieget der Chriſtlichen hohen Landes-Obrigkei-
ten billig ob, ſich ſolcher verwayſeten und verlaſ-
ſenen Kinder Landes-vaͤterlich anzunehmen,
und ſie nicht zu ihren Seel- und Leibs-Verder-
ben in der Jrre umher gehen, ſondern in gewiſ-
ſen, wenigſtens in den Haupt-Staͤdten anzu-
richtenden Wayſen-Haͤuſern ſorgfaͤltig erzie-
hen zu laſſen. Es iſt GOttes Guͤte zu preiſen,
daß in unſerm Teutſchland durch die Goͤttliche
Provi-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/1354 |
Zitationshilfe: | Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 1334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/1354>, abgerufen am 16.07.2024. |