aller Gewalt, wieder auf den alten Gipffel zu stei- gen; es wurde aber gar bald in ziemliche enge Schrancken wieder getrieben, und den 26 Augusti 1719 ein folenner Gerichts-Tag dieserhalb an- gesetzt.
§. 8. Sie sind nicht alle so glücklich, wie das Königreich Schweden, welches das Joch der Sou- verainite vor ein zehn Jahren vom Halse geschüt- telt. Die Liebe der Unterthanen ist wohl die beste Souverainite der Regenten. Jch kan nicht um- hin folgende merckwürdige Stelle aus dem I. Thei- le der Europäischen Famae p. 82. hiermit anzufü- gen: Heist dieses souverain seyn, wenn man zwar der Unterthanen Leiber und Güter, aber nicht ihre Hertzen beherrschet. Erkennt ein solcher König, welcher Tag und Nacht von Furcht und Argwohn gequählet wird, keinen Obern in der Welt, und le- bet derjenige ohne Gesetze, an welchen der Dolch seiner mißvergnügten Unterthanen, alle Augenbli- cke, und wenn er sichs am wenigsten versieht, noch ehe sein bestimmtes Lebens-Ziel verflossen, das all- gemeine Gesetz der Sterblichkeit vollstrecken kan? O wie elend ist ein Monarch in solchem Zustande bey aller seiner eingebildeten Souverainite. Da- gegen halt ich einen Regenten, welcher seiner Unter- thanen Hertzen und Gemüther beherrscht, vor weit souverainer und mächtiger, ob auch schon seine Gewalt mit viel Fundamental-Gesetzen, und mit den stärcksten Capitulationen umschränckt wäre. Worinnen können ihm diejenigen ungehorsam
oder
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Von Antrit u. Niederleg. der Regierung.
aller Gewalt, wieder auf den alten Gipffel zu ſtei- gen; es wurde aber gar bald in ziemliche enge Schrancken wieder getrieben, und den 26 Auguſti 1719 ein folenner Gerichts-Tag dieſerhalb an- geſetzt.
§. 8. Sie ſind nicht alle ſo gluͤcklich, wie das Koͤnigreich Schweden, welches das Joch der Sou- verainité vor ein zehn Jahren vom Halſe geſchuͤt- telt. Die Liebe der Unterthanen iſt wohl die beſte Souverainité der Regenten. Jch kan nicht um- hin folgende merckwuͤrdige Stelle aus dem I. Thei- le der Europaͤiſchen Famæ p. 82. hiermit anzufuͤ- gen: Heiſt dieſes ſouverain ſeyn, wenn man zwar der Unterthanen Leiber und Guͤter, aber nicht ihre Hertzen beherrſchet. Erkennt ein ſolcher Koͤnig, welcher Tag und Nacht von Furcht und Argwohn gequaͤhlet wird, keinen Obern in der Welt, und le- bet derjenige ohne Geſetze, an welchen der Dolch ſeiner mißvergnuͤgten Unterthanen, alle Augenbli- cke, und wenn er ſichs am wenigſten verſieht, noch ehe ſein beſtimmtes Lebens-Ziel verfloſſen, das all- gemeine Geſetz der Sterblichkeit vollſtrecken kan? O wie elend iſt ein Monarch in ſolchem Zuſtande bey aller ſeiner eingebildeten Souverainité. Da- gegen halt ich einen Regenten, welcher ſeiner Unter- thanen Hertzen und Gemuͤther beherrſcht, vor weit ſouverainer und maͤchtiger, ob auch ſchon ſeine Gewalt mit viel Fundamental-Geſetzen, und mit den ſtaͤrckſten Capitulationen umſchraͤnckt waͤre. Worinnen koͤnnen ihm diejenigen ungehorſam
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Von Antrit u. Niederleg. der Regierung.
aller Gewalt, wieder auf den alten Gipffel zu ſtei-
gen; es wurde aber gar bald in ziemliche enge
Schrancken wieder getrieben, und den 26 Auguſti
1719 ein folenner Gerichts-Tag dieſerhalb an-
geſetzt.
§. 8. Sie ſind nicht alle ſo gluͤcklich, wie das
Koͤnigreich Schweden, welches das Joch der Sou-
verainité vor ein zehn Jahren vom Halſe geſchuͤt-
telt. Die Liebe der Unterthanen iſt wohl die beſte
Souverainité der Regenten. Jch kan nicht um-
hin folgende merckwuͤrdige Stelle aus dem I. Thei-
le der Europaͤiſchen Famæ p. 82. hiermit anzufuͤ-
gen: Heiſt dieſes ſouverain ſeyn, wenn man zwar
der Unterthanen Leiber und Guͤter, aber nicht ihre
Hertzen beherrſchet. Erkennt ein ſolcher Koͤnig,
welcher Tag und Nacht von Furcht und Argwohn
gequaͤhlet wird, keinen Obern in der Welt, und le-
bet derjenige ohne Geſetze, an welchen der Dolch
ſeiner mißvergnuͤgten Unterthanen, alle Augenbli-
cke, und wenn er ſichs am wenigſten verſieht, noch
ehe ſein beſtimmtes Lebens-Ziel verfloſſen, das all-
gemeine Geſetz der Sterblichkeit vollſtrecken kan?
O wie elend iſt ein Monarch in ſolchem Zuſtande
bey aller ſeiner eingebildeten Souverainité. Da-
gegen halt ich einen Regenten, welcher ſeiner Unter-
thanen Hertzen und Gemuͤther beherrſcht, vor weit
ſouverainer und maͤchtiger, ob auch ſchon ſeine
Gewalt mit viel Fundamental-Geſetzen, und mit
den ſtaͤrckſten Capitulationen umſchraͤnckt waͤre.
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der großen Herren. Berlin, 1729, S. 629. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1729/653>, abgerufen am 22.11.2024.
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