Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der großen Herren. Berlin, 1729.

Bild:
<< vorherige Seite

Von dem Staats-Ceremoniel überhaupt.
dern Lande würde man sie vor schimpflich und ein-
fältig achten, und darüber lachen; so verändern sie
sich auch gewaltig nach den unterschiedenen Senti-
mens
der grossen Herren, oder ihrer Staats-Mini-
stres
und ihrer Favoriten. Mancher grosse Herr,
der den Staat und die Magnificenze liebet, und
der ambition sehr ergeben, ist überaus pointilleus
in diesem Stück; er will, daß Einheimische und
Auswärtige nach der grösten und schärffsten accu-
ratesse
das Ceremoniel gegen ihn beobachten sol-
len, zumahl wenn er dabey von sehr hitzigen Natu-
rell
ist, und will denen andern, die ihm gewisse Eh-
ren-Bezeugungen abfordern, nicht einen Nagel
breit nachgeben. Es kommt aber nach ihm etwan
ein anderer Nachfolger des Reichs, der die Wol-
lust oder das Interesse den Ceremonien vorzieht:
dieser räumet den andern bey den Gelegenheiten,
da sie seine Passion contentiren, zu gantzen Händen
voll ein; da hingegen sein Antecessor nicht einen
Finger breit nachgeben wollen. Sind einige gros-
se Herren so unglücklich, daß sie sich von ihren Mi-
nistris
beherrschen lassen, so werden die Ceremo-
ni
en nach dem Maaß der Liebe, womit sie dem an-
dern zugethan, oder des Nutzens, den solche Mini-
stres
davon tragen, zu der Zeit, so lange sie das
Steuer-Ruder in Händen führen, ausgetheilt.

§. 12. Das Interesse giebt bey dem Ceremo-
ni
en-Wesen, so wohl unter Privat-Personen als
auch grossen Herren, ein trefflich Gewichte. Wenn
man die Leute braucht, so giebet man ihnen zu der

Zeit
A 4

Von dem Staats-Ceremoniel uͤberhaupt.
dern Lande wuͤrde man ſie vor ſchimpflich und ein-
faͤltig achten, und daruͤber lachen; ſo veraͤndern ſie
ſich auch gewaltig nach den unterſchiedenen Senti-
mens
der groſſen Herren, oder ihrer Staats-Mini-
ſtres
und ihrer Favoriten. Mancher groſſe Herr,
der den Staat und die Magnificenze liebet, und
der ambition ſehr ergeben, iſt uͤberaus pointilleus
in dieſem Stuͤck; er will, daß Einheimiſche und
Auswaͤrtige nach der groͤſten und ſchaͤrffſten accu-
rateſſe
das Ceremoniel gegen ihn beobachten ſol-
len, zumahl wenn er dabey von ſehr hitzigen Natu-
rell
iſt, und will denen andern, die ihm gewiſſe Eh-
ren-Bezeugungen abfordern, nicht einen Nagel
breit nachgeben. Es kommt aber nach ihm etwan
ein anderer Nachfolger des Reichs, der die Wol-
luſt oder das Intereſſe den Ceremonien vorzieht:
dieſer raͤumet den andern bey den Gelegenheiten,
da ſie ſeine Paſſion contentiren, zu gantzen Haͤnden
voll ein; da hingegen ſein Anteceſſor nicht einen
Finger breit nachgeben wollen. Sind einige groſ-
ſe Herren ſo ungluͤcklich, daß ſie ſich von ihren Mi-
niſtris
beherrſchen laſſen, ſo werden die Ceremo-
ni
en nach dem Maaß der Liebe, womit ſie dem an-
dern zugethan, oder des Nutzens, den ſolche Mini-
ſtres
davon tragen, zu der Zeit, ſo lange ſie das
Steuer-Ruder in Haͤnden fuͤhren, ausgetheilt.

§. 12. Das Intereſſe giebt bey dem Ceremo-
ni
en-Weſen, ſo wohl unter Privat-Perſonen als
auch groſſen Herren, ein trefflich Gewichte. Wenn
man die Leute braucht, ſo giebet man ihnen zu der

Zeit
A 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0031" n="7"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von dem Staats-<hi rendition="#aq">Ceremoniel</hi> u&#x0364;berhaupt.</hi></fw><lb/>
dern Lande wu&#x0364;rde man &#x017F;ie vor &#x017F;chimpflich und ein-<lb/>
fa&#x0364;ltig achten, und daru&#x0364;ber lachen; &#x017F;o vera&#x0364;ndern &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich auch gewaltig nach den unter&#x017F;chiedenen <hi rendition="#aq">Senti-<lb/>
mens</hi> der gro&#x017F;&#x017F;en Herren, oder ihrer Staats-<hi rendition="#aq">Mini-<lb/>
&#x017F;tres</hi> und ihrer <hi rendition="#aq">Favorit</hi>en. Mancher gro&#x017F;&#x017F;e Herr,<lb/>
der den Staat und die <hi rendition="#aq">Magnificenze</hi> liebet, und<lb/>
der <hi rendition="#aq">ambition</hi> &#x017F;ehr ergeben, i&#x017F;t u&#x0364;beraus <hi rendition="#aq">pointilleus</hi><lb/>
in die&#x017F;em Stu&#x0364;ck; er will, daß Einheimi&#x017F;che und<lb/>
Auswa&#x0364;rtige nach der gro&#x0364;&#x017F;ten und &#x017F;cha&#x0364;rff&#x017F;ten <hi rendition="#aq">accu-<lb/>
rate&#x017F;&#x017F;e</hi> das <hi rendition="#aq">Ceremoniel</hi> gegen ihn beobachten &#x017F;ol-<lb/>
len, zumahl wenn er dabey von &#x017F;ehr hitzigen <hi rendition="#aq">Natu-<lb/>
rell</hi> i&#x017F;t, und will denen andern, die ihm gewi&#x017F;&#x017F;e Eh-<lb/>
ren-Bezeugungen abfordern, nicht einen Nagel<lb/>
breit nachgeben. Es kommt aber nach ihm etwan<lb/>
ein anderer Nachfolger des Reichs, der die Wol-<lb/>
lu&#x017F;t oder das <hi rendition="#aq">Intere&#x017F;&#x017F;e</hi> den <hi rendition="#aq">Ceremoni</hi>en vorzieht:<lb/>
die&#x017F;er ra&#x0364;umet den andern bey den Gelegenheiten,<lb/>
da &#x017F;ie &#x017F;eine <hi rendition="#aq">Pa&#x017F;&#x017F;ion contenti</hi>ren, zu gantzen Ha&#x0364;nden<lb/>
voll ein; da hingegen &#x017F;ein <hi rendition="#aq">Antece&#x017F;&#x017F;or</hi> nicht einen<lb/>
Finger breit nachgeben wollen. Sind einige gro&#x017F;-<lb/>
&#x017F;e Herren &#x017F;o unglu&#x0364;cklich, daß &#x017F;ie &#x017F;ich von ihren <hi rendition="#aq">Mi-<lb/>
ni&#x017F;tris</hi> beherr&#x017F;chen la&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o werden die <hi rendition="#aq">Ceremo-<lb/>
ni</hi>en nach dem Maaß der Liebe, womit &#x017F;ie dem an-<lb/>
dern zugethan, oder des Nutzens, den &#x017F;olche <hi rendition="#aq">Mini-<lb/>
&#x017F;tres</hi> davon tragen, zu der Zeit, &#x017F;o lange &#x017F;ie das<lb/>
Steuer-Ruder in Ha&#x0364;nden fu&#x0364;hren, ausgetheilt.</p><lb/>
          <p>§. 12. Das <hi rendition="#aq">Intere&#x017F;&#x017F;e</hi> giebt bey dem <hi rendition="#aq">Ceremo-<lb/>
ni</hi>en-We&#x017F;en, &#x017F;o wohl unter <hi rendition="#aq">Privat-</hi>Per&#x017F;onen als<lb/>
auch gro&#x017F;&#x017F;en Herren, ein trefflich Gewichte. Wenn<lb/>
man die Leute braucht, &#x017F;o giebet man ihnen zu der<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A 4</fw><fw place="bottom" type="catch">Zeit</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[7/0031] Von dem Staats-Ceremoniel uͤberhaupt. dern Lande wuͤrde man ſie vor ſchimpflich und ein- faͤltig achten, und daruͤber lachen; ſo veraͤndern ſie ſich auch gewaltig nach den unterſchiedenen Senti- mens der groſſen Herren, oder ihrer Staats-Mini- ſtres und ihrer Favoriten. Mancher groſſe Herr, der den Staat und die Magnificenze liebet, und der ambition ſehr ergeben, iſt uͤberaus pointilleus in dieſem Stuͤck; er will, daß Einheimiſche und Auswaͤrtige nach der groͤſten und ſchaͤrffſten accu- rateſſe das Ceremoniel gegen ihn beobachten ſol- len, zumahl wenn er dabey von ſehr hitzigen Natu- rell iſt, und will denen andern, die ihm gewiſſe Eh- ren-Bezeugungen abfordern, nicht einen Nagel breit nachgeben. Es kommt aber nach ihm etwan ein anderer Nachfolger des Reichs, der die Wol- luſt oder das Intereſſe den Ceremonien vorzieht: dieſer raͤumet den andern bey den Gelegenheiten, da ſie ſeine Paſſion contentiren, zu gantzen Haͤnden voll ein; da hingegen ſein Anteceſſor nicht einen Finger breit nachgeben wollen. Sind einige groſ- ſe Herren ſo ungluͤcklich, daß ſie ſich von ihren Mi- niſtris beherrſchen laſſen, ſo werden die Ceremo- nien nach dem Maaß der Liebe, womit ſie dem an- dern zugethan, oder des Nutzens, den ſolche Mini- ſtres davon tragen, zu der Zeit, ſo lange ſie das Steuer-Ruder in Haͤnden fuͤhren, ausgetheilt. §. 12. Das Intereſſe giebt bey dem Ceremo- nien-Weſen, ſo wohl unter Privat-Perſonen als auch groſſen Herren, ein trefflich Gewichte. Wenn man die Leute braucht, ſo giebet man ihnen zu der Zeit A 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1729
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1729/31
Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der großen Herren. Berlin, 1729, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1729/31>, abgerufen am 26.11.2024.