Leuten diesen irrigen Wahn zu benehmen, noch so viel Mühe anwenden, so würde er doch bey den we- nigsten etwas ausrichten, und die Einkünffte wollen es doch nicht bey einem jeden erlauben, daß er dieses Gradus nach seinem Ceremoniel habhafft werden kan; Ferner kan ein Obrist-Lieutenant, der einige Jahre nach einander ein gantz Regiment, in Abwe- senheit oder bey Kranckheit eines Obristen, mit Ruhm commandirt, von seinen Subalternen, oder auch von andern, die ihm seiner Meriten wegen freywillig also benennen, den Obristen-Titul an- nehmen, ob er ihm schon noch nicht in forma bey- gelegt worden. Da ihrer viele in der Welt, so wohl auf Universitaeten, als an Höfen, bey den Armeen und auf den Rath-Häußern, dasjenige ge- nennt werden, welches sie ihrer Ungeschicklichkeit und Unerfahrenheit wegen doch nicht seyn können, so dürffen auch einige bey manchen Umständen den Nahmen annehmen, von demjenigen, was sie in der That würcklich sind, ob sie schon des Tituls entbeh- ren müssen.
§. 23. Ein vernünfftiger Mensch wird alle Thorheiten, in welche sich die Titul-Prahler zu stürtzen pflegen, auf das sorgfältigste vermeyden. Er wird zwar sein Amt und seine Bedienung dem- jenigen, der sich darnach erkundiget, mit Beschei- denheit entdecken, es niemahls aber auf eine so af- fectirte Weise bewerckstelligen, daß der Fremde doch ja alsbald, ehe er noch darum fragt, oder es verlangt/ den grösten Titul erfahren möge. Zur
Erläu-
Von dem Titul-Weſen und Prædicaten.
Leuten dieſen irrigen Wahn zu benehmen, noch ſo viel Muͤhe anwenden, ſo wuͤrde er doch bey den we- nigſten etwas ausrichten, und die Einkuͤnffte wollen es doch nicht bey einem jeden erlauben, daß er dieſes Gradus nach ſeinem Ceremoniel habhafft werden kan; Ferner kan ein Obriſt-Lieutenant, der einige Jahre nach einander ein gantz Regiment, in Abwe- ſenheit oder bey Kranckheit eines Obriſten, mit Ruhm commandirt, von ſeinen Subalternen, oder auch von andern, die ihm ſeiner Meriten wegen freywillig alſo benennen, den Obriſten-Titul an- nehmen, ob er ihm ſchon noch nicht in forma bey- gelegt worden. Da ihrer viele in der Welt, ſo wohl auf Univerſitæten, als an Hoͤfen, bey den Armeen und auf den Rath-Haͤußern, dasjenige ge- nennt werden, welches ſie ihrer Ungeſchicklichkeit und Unerfahrenheit wegen doch nicht ſeyn koͤnnen, ſo duͤrffen auch einige bey manchen Umſtaͤnden den Nahmen annehmen, von demjenigen, was ſie in der That wuͤrcklich ſind, ob ſie ſchon des Tituls entbeh- ren muͤſſen.
§. 23. Ein vernuͤnfftiger Menſch wird alle Thorheiten, in welche ſich die Titul-Prahler zu ſtuͤrtzen pflegen, auf das ſorgfaͤltigſte vermeyden. Er wird zwar ſein Amt und ſeine Bedienung dem- jenigen, der ſich darnach erkundiget, mit Beſchei- denheit entdecken, es niemahls aber auf eine ſo af- fectirte Weiſe bewerckſtelligen, daß der Fremde doch ja alsbald, ehe er noch darum fragt, oder es verlangt/ den groͤſten Titul erfahren moͤge. Zur
Erlaͤu-
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Von dem Titul-Weſen und Prædicaten.
Leuten dieſen irrigen Wahn zu benehmen, noch ſo
viel Muͤhe anwenden, ſo wuͤrde er doch bey den we-
nigſten etwas ausrichten, und die Einkuͤnffte wollen
es doch nicht bey einem jeden erlauben, daß er dieſes
Gradus nach ſeinem Ceremoniel habhafft werden
kan; Ferner kan ein Obriſt-Lieutenant, der einige
Jahre nach einander ein gantz Regiment, in Abwe-
ſenheit oder bey Kranckheit eines Obriſten, mit
Ruhm commandirt, von ſeinen Subalternen, oder
auch von andern, die ihm ſeiner Meriten wegen
freywillig alſo benennen, den Obriſten-Titul an-
nehmen, ob er ihm ſchon noch nicht in forma bey-
gelegt worden. Da ihrer viele in der Welt, ſo
wohl auf Univerſitæten, als an Hoͤfen, bey den
Armeen und auf den Rath-Haͤußern, dasjenige ge-
nennt werden, welches ſie ihrer Ungeſchicklichkeit
und Unerfahrenheit wegen doch nicht ſeyn koͤnnen,
ſo duͤrffen auch einige bey manchen Umſtaͤnden den
Nahmen annehmen, von demjenigen, was ſie in der
That wuͤrcklich ſind, ob ſie ſchon des Tituls entbeh-
ren muͤſſen.
§. 23. Ein vernuͤnfftiger Menſch wird alle
Thorheiten, in welche ſich die Titul-Prahler zu
ſtuͤrtzen pflegen, auf das ſorgfaͤltigſte vermeyden.
Er wird zwar ſein Amt und ſeine Bedienung dem-
jenigen, der ſich darnach erkundiget, mit Beſchei-
denheit entdecken, es niemahls aber auf eine ſo af-
fectirte Weiſe bewerckſtelligen, daß der Fremde
doch ja alsbald, ehe er noch darum fragt, oder es
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/97>, abgerufen am 20.07.2024.
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