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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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II. Theil. XX. Capitul.
heit ist, die an manchen Oertern eingeführt, daß
die Wittwer, oder die Wittwen, oder die Kinder,
die erstern vier oder wohl 6 Wochen nach dem
Absterben ihres Ehgatten oder ihrer Eltern, die zu
Hause bleiben müssen, und nicht in die Kirche des
Sonntages gehen dürffen, obschon ihre gesammte
Trauer-Kleidung in der besten Ordnung fertig.
Daß man sich bey der tieffen Trauer-Zeit den ü-
pigen Gesellschafften entschlägt, und so viel als
Pflicht und Beruff zulassen will, zu Hause auf-
hält, ist dem Wohlstand gar gemäß, daß man
aber zu der Zeit, da man des Trostes des göttli-
chen Wortes, wenn einem der Verlust des ver-
storbenen guten Freundes sehr nahe gegangen, am
meisten benöthiget, sich des Hauses des HErrn,
und der guten Gelegenheit GOttes Wort zu hö-
ren, entziehet, ist sehr unrecht.

§. 6. Wie nun einige in der Wehmuth und
Trauer excediren, so thun hingegen andere der
Sache zu wenig. Also bezeugen sich einige junge
Herren, denen eine reiche Erbschafft zufält, bey
dem Absterben ihres alten Papa, den sie längst
gerne loß gewesen, oder einige Ehe-Männer, die
durch den Tod ihrer alten Frauen, die sie des
Geldes wegen erheyrathet, eine schwehre Last ent-
lediget werden, bey der Leich-Procession über die
maßen vergnügt, sie plaisantiren, sie schertzen, sie
lachen hinter der Leiche her; Bey der Trauer-
Mahlzeit divertiren sie sich mit Erzehlung man-
cherley Schwäncke, als wenn sie auf einer Hochzeit

oder

II. Theil. XX. Capitul.
heit iſt, die an manchen Oertern eingefuͤhrt, daß
die Wittwer, oder die Wittwen, oder die Kinder,
die erſtern vier oder wohl 6 Wochen nach dem
Abſterben ihres Ehgatten oder ihrer Eltern, die zu
Hauſe bleiben muͤſſen, und nicht in die Kirche des
Sonntages gehen duͤrffen, obſchon ihre geſammte
Trauer-Kleidung in der beſten Ordnung fertig.
Daß man ſich bey der tieffen Trauer-Zeit den uͤ-
pigen Geſellſchafften entſchlaͤgt, und ſo viel als
Pflicht und Beruff zulaſſen will, zu Hauſe auf-
haͤlt, iſt dem Wohlſtand gar gemaͤß, daß man
aber zu der Zeit, da man des Troſtes des goͤttli-
chen Wortes, wenn einem der Verluſt des ver-
ſtorbenen guten Freundes ſehr nahe gegangen, am
meiſten benoͤthiget, ſich des Hauſes des HErrn,
und der guten Gelegenheit GOttes Wort zu hoͤ-
ren, entziehet, iſt ſehr unrecht.

§. 6. Wie nun einige in der Wehmuth und
Trauer excediren, ſo thun hingegen andere der
Sache zu wenig. Alſo bezeugen ſich einige junge
Herren, denen eine reiche Erbſchafft zufaͤlt, bey
dem Abſterben ihres alten Papa, den ſie laͤngſt
gerne loß geweſen, oder einige Ehe-Maͤnner, die
durch den Tod ihrer alten Frauen, die ſie des
Geldes wegen erheyrathet, eine ſchwehre Laſt ent-
lediget werden, bey der Leich-Proceſſion uͤber die
maßen vergnuͤgt, ſie plaiſantiren, ſie ſchertzen, ſie
lachen hinter der Leiche her; Bey der Trauer-
Mahlzeit divertiren ſie ſich mit Erzehlung man-
cherley Schwaͤncke, als wenn ſie auf einer Hochzeit

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[674/0694] II. Theil. XX. Capitul. heit iſt, die an manchen Oertern eingefuͤhrt, daß die Wittwer, oder die Wittwen, oder die Kinder, die erſtern vier oder wohl 6 Wochen nach dem Abſterben ihres Ehgatten oder ihrer Eltern, die zu Hauſe bleiben muͤſſen, und nicht in die Kirche des Sonntages gehen duͤrffen, obſchon ihre geſammte Trauer-Kleidung in der beſten Ordnung fertig. Daß man ſich bey der tieffen Trauer-Zeit den uͤ- pigen Geſellſchafften entſchlaͤgt, und ſo viel als Pflicht und Beruff zulaſſen will, zu Hauſe auf- haͤlt, iſt dem Wohlſtand gar gemaͤß, daß man aber zu der Zeit, da man des Troſtes des goͤttli- chen Wortes, wenn einem der Verluſt des ver- ſtorbenen guten Freundes ſehr nahe gegangen, am meiſten benoͤthiget, ſich des Hauſes des HErrn, und der guten Gelegenheit GOttes Wort zu hoͤ- ren, entziehet, iſt ſehr unrecht. §. 6. Wie nun einige in der Wehmuth und Trauer excediren, ſo thun hingegen andere der Sache zu wenig. Alſo bezeugen ſich einige junge Herren, denen eine reiche Erbſchafft zufaͤlt, bey dem Abſterben ihres alten Papa, den ſie laͤngſt gerne loß geweſen, oder einige Ehe-Maͤnner, die durch den Tod ihrer alten Frauen, die ſie des Geldes wegen erheyrathet, eine ſchwehre Laſt ent- lediget werden, bey der Leich-Proceſſion uͤber die maßen vergnuͤgt, ſie plaiſantiren, ſie ſchertzen, ſie lachen hinter der Leiche her; Bey der Trauer- Mahlzeit divertiren ſie ſich mit Erzehlung man- cherley Schwaͤncke, als wenn ſie auf einer Hochzeit oder

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 674. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/694>, abgerufen am 22.11.2024.