Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Theil. II. Capitul.
Silber-Werck, Zinn u. s. w. aus der Facon ge-
kommen, so lassen sie es so gleich umschmeltzen, und
büßen vieles an Macher-Lohn ein. Jch könte hier
weitläufftiger anführen, was vor besondere Laster
aus ihr zu entspringen pflegen, nachdem es aber
theils gar bekannte Wahrheiten, theils auch eines
und das andere davon in dem vorhergehenden all-
bereits erwehnet worden, so will ich hiervon nichts
weiter erwehnen, sondern nur gedencken, daß die
Moden-Sucht vor eine allgemeine Quelle anzuse-
hen, aus der unsere mannichfaltigen sündlichen, la-
sterhafften und schändlichen Gewohnheiten her-
fliessen. Der Ausspruch: es ist nun einmahl so
die Mode, schmeist fast alle Regeln der Christli-
chen und vernünfftigen Tugend-Lehre über den
Hauffen. Wenn die weisesten Sitten-Lehrer die
Menschen durch die stärcksten Argumenta und
bündigsten Schlüsse von denen Lastern abrathen
wollen, so setzen sie ihnen alsobald folgende Sätze
dagegen: Es ist heutiges Tages gantz eine andre
Welt als vor diesem, wer nicht mit macht, wird
ausgelacht, wer unter den Wölffen ist, muß mit
heulen, wir können die Welt nicht anders machen.
Dieser falschen Lehr-Sätze bedienen sie sich als
einer Schutz-Wehre, und als eines Privilegii, da-
durch sie sich aller Pflichten der vernünfftigen und
Christlichen Sitten-Lehre widersetzen wollen.

§. 18. Wie nun die Moden-Sucht, da man
allzubegierig ist, ohne Grund neue Moden zu er-
dencken, und stets damit abzuwechseln, oder diesel-

ben

I. Theil. II. Capitul.
Silber-Werck, Zinn u. ſ. w. aus der Façon ge-
kommen, ſo laſſen ſie es ſo gleich umſchmeltzen, und
buͤßen vieles an Macher-Lohn ein. Jch koͤnte hier
weitlaͤufftiger anfuͤhren, was vor beſondere Laſter
aus ihr zu entſpringen pflegen, nachdem es aber
theils gar bekannte Wahrheiten, theils auch eines
und das andere davon in dem vorhergehenden all-
bereits erwehnet worden, ſo will ich hiervon nichts
weiter erwehnen, ſondern nur gedencken, daß die
Moden-Sucht vor eine allgemeine Quelle anzuſe-
hen, aus der unſere mannichfaltigen ſuͤndlichen, la-
ſterhafften und ſchaͤndlichen Gewohnheiten her-
flieſſen. Der Ausſpruch: es iſt nun einmahl ſo
die Mode, ſchmeiſt faſt alle Regeln der Chriſtli-
chen und vernuͤnfftigen Tugend-Lehre uͤber den
Hauffen. Wenn die weiſeſten Sitten-Lehrer die
Menſchen durch die ſtaͤrckſten Argumenta und
buͤndigſten Schluͤſſe von denen Laſtern abrathen
wollen, ſo ſetzen ſie ihnen alſobald folgende Saͤtze
dagegen: Es iſt heutiges Tages gantz eine andre
Welt als vor dieſem, wer nicht mit macht, wird
ausgelacht, wer unter den Woͤlffen iſt, muß mit
heulen, wir koͤnnen die Welt nicht anders machen.
Dieſer falſchen Lehr-Saͤtze bedienen ſie ſich als
einer Schutz-Wehre, und als eines Privilegii, da-
durch ſie ſich aller Pflichten der vernuͤnfftigen und
Chriſtlichen Sitten-Lehre widerſetzen wollen.

§. 18. Wie nun die Moden-Sucht, da man
allzubegierig iſt, ohne Grund neue Moden zu er-
dencken, und ſtets damit abzuwechſeln, oder dieſel-

ben
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0068" n="48"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I.</hi> Theil. <hi rendition="#aq">II.</hi> Capitul.</hi></fw><lb/>
Silber-Werck, Zinn u. &#x017F;. w. aus der <hi rendition="#aq">Façon</hi> ge-<lb/>
kommen, &#x017F;o la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie es &#x017F;o gleich um&#x017F;chmeltzen, und<lb/>
bu&#x0364;ßen vieles an Macher-Lohn ein. Jch ko&#x0364;nte hier<lb/>
weitla&#x0364;ufftiger anfu&#x0364;hren, was vor be&#x017F;ondere La&#x017F;ter<lb/>
aus ihr zu ent&#x017F;pringen pflegen, nachdem es aber<lb/>
theils gar bekannte Wahrheiten, theils auch eines<lb/>
und das andere davon in dem vorhergehenden all-<lb/>
bereits erwehnet worden, &#x017F;o will ich hiervon nichts<lb/>
weiter erwehnen, &#x017F;ondern nur gedencken, daß die<lb/><hi rendition="#aq">Mod</hi>en-Sucht vor eine allgemeine Quelle anzu&#x017F;e-<lb/>
hen, aus der un&#x017F;ere mannichfaltigen &#x017F;u&#x0364;ndlichen, la-<lb/>
&#x017F;terhafften und &#x017F;cha&#x0364;ndlichen Gewohnheiten her-<lb/>
flie&#x017F;&#x017F;en. Der Aus&#x017F;pruch: es i&#x017F;t nun einmahl &#x017F;o<lb/>
die <hi rendition="#aq">Mode,</hi> &#x017F;chmei&#x017F;t fa&#x017F;t alle Regeln der Chri&#x017F;tli-<lb/>
chen und vernu&#x0364;nfftigen Tugend-Lehre u&#x0364;ber den<lb/>
Hauffen. Wenn die wei&#x017F;e&#x017F;ten Sitten-Lehrer die<lb/>
Men&#x017F;chen durch die &#x017F;ta&#x0364;rck&#x017F;ten <hi rendition="#aq">Argumenta</hi> und<lb/>
bu&#x0364;ndig&#x017F;ten Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e von denen La&#x017F;tern abrathen<lb/>
wollen, &#x017F;o &#x017F;etzen &#x017F;ie ihnen al&#x017F;obald folgende Sa&#x0364;tze<lb/>
dagegen: Es i&#x017F;t heutiges Tages gantz eine andre<lb/>
Welt als vor die&#x017F;em, wer nicht mit macht, wird<lb/>
ausgelacht, wer unter den Wo&#x0364;lffen i&#x017F;t, muß mit<lb/>
heulen, wir ko&#x0364;nnen die Welt nicht anders machen.<lb/>
Die&#x017F;er fal&#x017F;chen Lehr-Sa&#x0364;tze bedienen &#x017F;ie &#x017F;ich als<lb/>
einer Schutz-Wehre, und als eines <hi rendition="#aq">Privilegii,</hi> da-<lb/>
durch &#x017F;ie &#x017F;ich aller Pflichten der vernu&#x0364;nfftigen und<lb/>
Chri&#x017F;tlichen Sitten-Lehre wider&#x017F;etzen wollen.</p><lb/>
        <p>§. 18. Wie nun die <hi rendition="#aq">Mod</hi>en-Sucht, da man<lb/>
allzubegierig i&#x017F;t, ohne Grund neue Moden zu er-<lb/>
dencken, und &#x017F;tets damit abzuwech&#x017F;eln, oder die&#x017F;el-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ben</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[48/0068] I. Theil. II. Capitul. Silber-Werck, Zinn u. ſ. w. aus der Façon ge- kommen, ſo laſſen ſie es ſo gleich umſchmeltzen, und buͤßen vieles an Macher-Lohn ein. Jch koͤnte hier weitlaͤufftiger anfuͤhren, was vor beſondere Laſter aus ihr zu entſpringen pflegen, nachdem es aber theils gar bekannte Wahrheiten, theils auch eines und das andere davon in dem vorhergehenden all- bereits erwehnet worden, ſo will ich hiervon nichts weiter erwehnen, ſondern nur gedencken, daß die Moden-Sucht vor eine allgemeine Quelle anzuſe- hen, aus der unſere mannichfaltigen ſuͤndlichen, la- ſterhafften und ſchaͤndlichen Gewohnheiten her- flieſſen. Der Ausſpruch: es iſt nun einmahl ſo die Mode, ſchmeiſt faſt alle Regeln der Chriſtli- chen und vernuͤnfftigen Tugend-Lehre uͤber den Hauffen. Wenn die weiſeſten Sitten-Lehrer die Menſchen durch die ſtaͤrckſten Argumenta und buͤndigſten Schluͤſſe von denen Laſtern abrathen wollen, ſo ſetzen ſie ihnen alſobald folgende Saͤtze dagegen: Es iſt heutiges Tages gantz eine andre Welt als vor dieſem, wer nicht mit macht, wird ausgelacht, wer unter den Woͤlffen iſt, muß mit heulen, wir koͤnnen die Welt nicht anders machen. Dieſer falſchen Lehr-Saͤtze bedienen ſie ſich als einer Schutz-Wehre, und als eines Privilegii, da- durch ſie ſich aller Pflichten der vernuͤnfftigen und Chriſtlichen Sitten-Lehre widerſetzen wollen. §. 18. Wie nun die Moden-Sucht, da man allzubegierig iſt, ohne Grund neue Moden zu er- dencken, und ſtets damit abzuwechſeln, oder dieſel- ben

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/68
Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/68>, abgerufen am 19.05.2024.