und wild aufführen, als sie bey einer blossen bürger- lichen Handlung nimmermehr thun könten. Sie sehen bloß auf das äusserliche Element, auf das Wasser, und nicht auf die Gegenwart der hochhei- ligen Dreyfaltigkeit. Einige Dames entblössen sich, so wohl bey dem heiligen Tauffstein, als auch bey dem heiligen Altar, auf eine so schändliche Weise, daß wohl eher exemplarische und behertzte Priester, die keine Menschen-Furcht gehabt, zu ihrer Beschä- mung ihnen das Schnupfftuch auf dem blossen Halß gelegt, und ihnen dabey gelehret, was man vor Ehrerbietung dabey haben soll. Andere scher- tzen und lachen wohl gar dabey, wenn die Tauff- Handlung etwan in einem Zimmer vorgenommen wird.
§. 8. Ein rechtschaffener Christ nimmt, so wohl der Vorschrifft des göttlichen Wortes, als auch den Regeln der Klugheit nach, folgendes dabey in Ob- acht: Bekommt er einen Gevatter-Brief, er sey von hohen oder niedern, von reichen oder armen El- tern, so nimmt er denselben willig an. Er ertheilt an diejenigen, so ihn überbringen, eine Discretion, so viel als etwan gewöhnlich, oder ihm gelegen; er ist dabey nicht allzu verschwenderisch, wie einige aus einem närrischen Ehrgeitz zu thun pflegen, auch nicht allzu knickigt/ daß er sich dem Urtheil des Pöbels, welches er sonst vermeiden könte, unterwerffen solte. Jst bey den Curialien, bey der Titulatur u. s. w. etwas versehen so macht er aus einem solchen Feh- ler kein groß Werck, der etwan aus Einfalt und Un-
wissen-
II. Theil. XVII. Capitul.
und wild auffuͤhren, als ſie bey einer bloſſen buͤrger- lichen Handlung nimmermehr thun koͤnten. Sie ſehen bloß auf das aͤuſſerliche Element, auf das Waſſer, und nicht auf die Gegenwart der hochhei- ligen Dreyfaltigkeit. Einige Dames entbloͤſſen ſich, ſo wohl bey dem heiligen Tauffſtein, als auch bey dem heiligen Altar, auf eine ſo ſchaͤndliche Weiſe, daß wohl eher exemplariſche und behertzte Prieſter, die keine Menſchen-Furcht gehabt, zu ihrer Beſchaͤ- mung ihnen das Schnupfftuch auf dem bloſſen Halß gelegt, und ihnen dabey gelehret, was man vor Ehrerbietung dabey haben ſoll. Andere ſcher- tzen und lachen wohl gar dabey, wenn die Tauff- Handlung etwan in einem Zimmer vorgenommen wird.
§. 8. Ein rechtſchaffener Chriſt nimmt, ſo wohl der Vorſchrifft des goͤttlichen Wortes, als auch den Regeln der Klugheit nach, folgendes dabey in Ob- acht: Bekommt er einen Gevatter-Brief, er ſey von hohen oder niedern, von reichen oder armen El- tern, ſo nimmt er denſelben willig an. Er ertheilt an diejenigen, ſo ihn uͤberbringen, eine Diſcretion, ſo viel als etwan gewoͤhnlich, oder ihm gelegen; er iſt dabey nicht allzu verſchwenderiſch, wie einige aus einem naͤrriſchen Ehrgeitz zu thun pflegen, auch nicht allzu knickigt/ daß er ſich dem Urtheil des Poͤbels, welches er ſonſt vermeiden koͤnte, unterwerffen ſolte. Jſt bey den Curialien, bey der Titulatur u. ſ. w. etwas verſehen ſo macht er aus einem ſolchen Feh- ler kein groß Werck, der etwan aus Einfalt und Un-
wiſſen-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0664"n="644"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">II.</hi> Theil. <hirendition="#aq">XVII.</hi> Capitul.</hi></fw><lb/>
und wild auffuͤhren, als ſie bey einer bloſſen buͤrger-<lb/>
lichen Handlung nimmermehr thun koͤnten. Sie<lb/>ſehen bloß auf das aͤuſſerliche Element, auf das<lb/>
Waſſer, und nicht auf die Gegenwart der hochhei-<lb/>
ligen Dreyfaltigkeit. Einige <hirendition="#aq">Dames</hi> entbloͤſſen ſich,<lb/>ſo wohl bey dem heiligen Tauffſtein, als auch bey<lb/>
dem heiligen Altar, auf eine ſo ſchaͤndliche Weiſe,<lb/>
daß wohl eher <hirendition="#aq">exemplari</hi>ſche und behertzte Prieſter,<lb/>
die keine Menſchen-Furcht gehabt, zu ihrer Beſchaͤ-<lb/>
mung ihnen das Schnupfftuch auf dem bloſſen<lb/>
Halß gelegt, und ihnen dabey gelehret, was man<lb/>
vor Ehrerbietung dabey haben ſoll. Andere ſcher-<lb/>
tzen und lachen wohl gar dabey, wenn die Tauff-<lb/>
Handlung etwan in einem Zimmer vorgenommen<lb/>
wird.</p><lb/><p>§. 8. Ein rechtſchaffener Chriſt nimmt, ſo wohl<lb/>
der Vorſchrifft des goͤttlichen Wortes, als auch den<lb/>
Regeln der Klugheit nach, folgendes dabey in Ob-<lb/>
acht: Bekommt er einen Gevatter-Brief, er ſey<lb/>
von hohen oder niedern, von reichen oder armen El-<lb/>
tern, ſo nimmt er denſelben willig an. Er ertheilt<lb/>
an diejenigen, ſo ihn uͤberbringen, eine <hirendition="#aq">Diſcretion,</hi><lb/>ſo viel als etwan gewoͤhnlich, oder ihm gelegen; er<lb/>
iſt dabey nicht allzu verſchwenderiſch, wie einige aus<lb/>
einem naͤrriſchen Ehrgeitz zu thun pflegen, auch nicht<lb/>
allzu knickigt/ daß er ſich dem Urtheil des Poͤbels,<lb/>
welches er ſonſt vermeiden koͤnte, unterwerffen ſolte.<lb/>
Jſt bey den <hirendition="#aq">Curiali</hi>en, bey der <hirendition="#aq">Titulatur</hi> u. ſ. w.<lb/>
etwas verſehen ſo macht er aus einem ſolchen Feh-<lb/>
ler kein groß Werck, der etwan aus Einfalt und Un-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">wiſſen-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[644/0664]
II. Theil. XVII. Capitul.
und wild auffuͤhren, als ſie bey einer bloſſen buͤrger-
lichen Handlung nimmermehr thun koͤnten. Sie
ſehen bloß auf das aͤuſſerliche Element, auf das
Waſſer, und nicht auf die Gegenwart der hochhei-
ligen Dreyfaltigkeit. Einige Dames entbloͤſſen ſich,
ſo wohl bey dem heiligen Tauffſtein, als auch bey
dem heiligen Altar, auf eine ſo ſchaͤndliche Weiſe,
daß wohl eher exemplariſche und behertzte Prieſter,
die keine Menſchen-Furcht gehabt, zu ihrer Beſchaͤ-
mung ihnen das Schnupfftuch auf dem bloſſen
Halß gelegt, und ihnen dabey gelehret, was man
vor Ehrerbietung dabey haben ſoll. Andere ſcher-
tzen und lachen wohl gar dabey, wenn die Tauff-
Handlung etwan in einem Zimmer vorgenommen
wird.
§. 8. Ein rechtſchaffener Chriſt nimmt, ſo wohl
der Vorſchrifft des goͤttlichen Wortes, als auch den
Regeln der Klugheit nach, folgendes dabey in Ob-
acht: Bekommt er einen Gevatter-Brief, er ſey
von hohen oder niedern, von reichen oder armen El-
tern, ſo nimmt er denſelben willig an. Er ertheilt
an diejenigen, ſo ihn uͤberbringen, eine Diſcretion,
ſo viel als etwan gewoͤhnlich, oder ihm gelegen; er
iſt dabey nicht allzu verſchwenderiſch, wie einige aus
einem naͤrriſchen Ehrgeitz zu thun pflegen, auch nicht
allzu knickigt/ daß er ſich dem Urtheil des Poͤbels,
welches er ſonſt vermeiden koͤnte, unterwerffen ſolte.
Jſt bey den Curialien, bey der Titulatur u. ſ. w.
etwas verſehen ſo macht er aus einem ſolchen Feh-
ler kein groß Werck, der etwan aus Einfalt und Un-
wiſſen-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 644. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/664>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.