Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.Von Kindtauffen. cken der guten Ordnung, in Obacht gehalten wer-den, lieget leider! klar am Tage. Man siehet meh- rentheils nicht auf die christliche Würdigkeit der Gevattern, die sie zu diesem hochheiligen Sacra- ment haben sollen, sondern man leget zeitliche, irr- dische und eigennützige, öffters auch wohl gar sünd- liche Absichten hierbey zum Grunde. Die Geitzi- gen, insonderheit der gemeine Pöbel, erwehlet dieje- nigen, von denen er ein starckes Eingebinde vermu- thet; er hat sein bestes Vertrauen zu dem, von dem er höret, daß er sich am meisten angreifft, oder, wie er zu reden gewohnt, sich hierbey nicht schimpffen läst. Die Ehrgeitzigen sehen die Gevattern an, als Werckzeuge, dadurch sie ihre Ehre beförden wollen, sie wollen sich Patrone hierdurch erwecken; es ge- fället manchem gar zu wohl, wenn er entweder eine hohe Standes-Person, oder sonst einen vornehmen Herrn, oder vornehme Frau, als Gevatter wissen und kennen soll; sie wollen, wie die Einfältigen zu reden pflegen, andern Leuten hierbey eine Ehre an- thun, in der That aber sich selbst die gröste Ehre er- zeigen. Die Wollüstigen wenden sich bey diesem heiligen Werck zu ihren Freß-Sauff- und Spiel- Cameraden, mit denen sie am liebsten schmausen, und sich berauschen. Einige Kauff- und Hand- wercks-Leute wollen hiedurch einen wohlhabenden und mächtigen Kunden erlangen, der ihnen Geld zuwenden soll. Andere wollen, durch das Mittel der Gevatterschafft, Geld borgen, oder sich desto besser aus ihren Processen herauswickeln. Man- che R r
Von Kindtauffen. cken der guten Ordnung, in Obacht gehalten wer-den, lieget leider! klar am Tage. Man ſiehet meh- rentheils nicht auf die chriſtliche Wuͤrdigkeit der Gevattern, die ſie zu dieſem hochheiligen Sacra- ment haben ſollen, ſondern man leget zeitliche, irr- diſche und eigennuͤtzige, oͤffters auch wohl gar ſuͤnd- liche Abſichten hierbey zum Grunde. Die Geitzi- gen, inſonderheit der gemeine Poͤbel, erwehlet dieje- nigen, von denen er ein ſtarckes Eingebinde vermu- thet; er hat ſein beſtes Vertrauen zu dem, von dem er hoͤret, daß er ſich am meiſten angreifft, oder, wie er zu reden gewohnt, ſich hierbey nicht ſchimpffen laͤſt. Die Ehrgeitzigen ſehen die Gevattern an, als Werckzeuge, dadurch ſie ihre Ehre befoͤrden wollen, ſie wollen ſich Patrone hierdurch erwecken; es ge- faͤllet manchem gar zu wohl, wenn er entweder eine hohe Standes-Perſon, oder ſonſt einen vornehmen Herrn, oder vornehme Frau, als Gevatter wiſſen und kennen ſoll; ſie wollen, wie die Einfaͤltigen zu reden pflegen, andern Leuten hierbey eine Ehre an- thun, in der That aber ſich ſelbſt die groͤſte Ehre er- zeigen. Die Wolluͤſtigen wenden ſich bey dieſem heiligen Werck zu ihren Freß-Sauff- und Spiel- Cameraden, mit denen ſie am liebſten ſchmauſen, und ſich berauſchen. Einige Kauff- und Hand- wercks-Leute wollen hiedurch einen wohlhabenden und maͤchtigen Kunden erlangen, der ihnen Geld zuwenden ſoll. Andere wollen, durch das Mittel der Gevatterſchafft, Geld borgen, oder ſich deſto beſſer aus ihren Proceſſen herauswickeln. Man- che R r
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0645" n="625"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von Kindtauffen.</hi></fw><lb/> cken der guten Ordnung, in Obacht gehalten wer-<lb/> den, lieget leider! klar am Tage. Man ſiehet meh-<lb/> rentheils nicht auf die chriſtliche Wuͤrdigkeit der<lb/> Gevattern, die ſie zu dieſem hochheiligen Sacra-<lb/> ment haben ſollen, ſondern man leget zeitliche, irr-<lb/> diſche und eigennuͤtzige, oͤffters auch wohl gar ſuͤnd-<lb/> liche Abſichten hierbey zum Grunde. Die Geitzi-<lb/> gen, inſonderheit der gemeine Poͤbel, erwehlet dieje-<lb/> nigen, von denen er ein ſtarckes Eingebinde vermu-<lb/> thet; er hat ſein beſtes Vertrauen zu dem, von dem<lb/> er hoͤret, daß er ſich am meiſten angreifft, oder, wie<lb/> er zu reden gewohnt, ſich hierbey nicht ſchimpffen<lb/> laͤſt. Die Ehrgeitzigen ſehen die Gevattern an, als<lb/> Werckzeuge, dadurch ſie ihre Ehre befoͤrden wollen,<lb/> ſie wollen ſich <hi rendition="#aq">Patrone</hi> hierdurch erwecken; es ge-<lb/> faͤllet manchem gar zu wohl, wenn er entweder eine<lb/> hohe Standes-Perſon, oder ſonſt einen vornehmen<lb/> Herrn, oder vornehme Frau, als Gevatter wiſſen<lb/> und kennen ſoll; ſie wollen, wie die Einfaͤltigen zu<lb/> reden pflegen, andern Leuten hierbey eine Ehre an-<lb/> thun, in der That aber ſich ſelbſt die groͤſte Ehre er-<lb/> zeigen. Die Wolluͤſtigen wenden ſich bey dieſem<lb/> heiligen Werck zu ihren Freß-Sauff- und Spiel-<lb/> Cameraden, mit denen ſie am liebſten ſchmauſen,<lb/> und ſich berauſchen. Einige Kauff- und Hand-<lb/> wercks-Leute wollen hiedurch einen wohlhabenden<lb/> und maͤchtigen Kunden erlangen, der ihnen Geld<lb/> zuwenden ſoll. Andere wollen, durch das Mittel<lb/> der Gevatterſchafft, Geld borgen, oder ſich deſto<lb/> beſſer aus ihren <hi rendition="#aq">Proceſſ</hi>en herauswickeln. Man-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">R r</fw><fw place="bottom" type="catch">che</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [625/0645]
Von Kindtauffen.
cken der guten Ordnung, in Obacht gehalten wer-
den, lieget leider! klar am Tage. Man ſiehet meh-
rentheils nicht auf die chriſtliche Wuͤrdigkeit der
Gevattern, die ſie zu dieſem hochheiligen Sacra-
ment haben ſollen, ſondern man leget zeitliche, irr-
diſche und eigennuͤtzige, oͤffters auch wohl gar ſuͤnd-
liche Abſichten hierbey zum Grunde. Die Geitzi-
gen, inſonderheit der gemeine Poͤbel, erwehlet dieje-
nigen, von denen er ein ſtarckes Eingebinde vermu-
thet; er hat ſein beſtes Vertrauen zu dem, von dem
er hoͤret, daß er ſich am meiſten angreifft, oder, wie
er zu reden gewohnt, ſich hierbey nicht ſchimpffen
laͤſt. Die Ehrgeitzigen ſehen die Gevattern an, als
Werckzeuge, dadurch ſie ihre Ehre befoͤrden wollen,
ſie wollen ſich Patrone hierdurch erwecken; es ge-
faͤllet manchem gar zu wohl, wenn er entweder eine
hohe Standes-Perſon, oder ſonſt einen vornehmen
Herrn, oder vornehme Frau, als Gevatter wiſſen
und kennen ſoll; ſie wollen, wie die Einfaͤltigen zu
reden pflegen, andern Leuten hierbey eine Ehre an-
thun, in der That aber ſich ſelbſt die groͤſte Ehre er-
zeigen. Die Wolluͤſtigen wenden ſich bey dieſem
heiligen Werck zu ihren Freß-Sauff- und Spiel-
Cameraden, mit denen ſie am liebſten ſchmauſen,
und ſich berauſchen. Einige Kauff- und Hand-
wercks-Leute wollen hiedurch einen wohlhabenden
und maͤchtigen Kunden erlangen, der ihnen Geld
zuwenden ſoll. Andere wollen, durch das Mittel
der Gevatterſchafft, Geld borgen, oder ſich deſto
beſſer aus ihren Proceſſen herauswickeln. Man-
che
R r
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |