welche auf der Hochzeit erscheinen wollen und sol- len, vorhero ein wenig exercirt, in allen Dingen, so das Decorum und die honette Couduite ange- het, gute Ordnungen macht, und Abrede hält, auch zuletzt bey vollständiger Instrumental-Music eine Probe anstellt, damit hernach bey dem Hochzeit- Dantzen alles ordentlich, höflich und manierlich in Worten und Geberden zugehe, und folglich so wohl Braut und Bräutigam, als auch die sämmtlichen Hochzeit-Däntzer und Zuschauer ihre völlige Vergnügung erreichen.
§. 36. Den unordentlichen Wesen, das bey den Hochzeitlichen Dantzen vorgehet, ist meines Er- achtens auch folgendes mit beyzuzehlen, so an einigen Orten im Gebrauch, wenn nemlich die beyden Braut-Führer, die Braut mitten aus dem Dan- tze nehmen, und solche in Begleitung der sämmtli- chen Hochzeit-Gäste zu ihrem Bräutigam in die Kammer führen, als welcher sich eine weile vorher zu Bette verfügt, und sie mit ihrem gantzen Braut- Schmuck zu ihm ins Bette legen. Die so genand- te Braut- oder Tietzsch-Mutter aber nimmt einen großen Aufläuffer, oder so genandten Propheten- Kuchen, schlägt denselben auf der Braut Bette mit der Hand in Stücken, als wolte sie gleichsam den Stab über die Jungfer brechen. Da greifft ein jeder von denen um das Bette stehenden zu, und wenn einer etwas davon bekommt, so soll dieses nach einer albern Tradition, wenn die Braut, noch eine veritable Jungfer ist, vor das Fieber,
die
II. Theil. XV. Capitul.
welche auf der Hochzeit erſcheinen wollen und ſol- len, vorhero ein wenig exercirt, in allen Dingen, ſo das Decorum und die honette Couduite ange- het, gute Ordnungen macht, und Abrede haͤlt, auch zuletzt bey vollſtaͤndiger Inſtrumental-Muſic eine Probe anſtellt, damit hernach bey dem Hochzeit- Dantzen alles ordentlich, hoͤflich und manierlich in Worten und Geberden zugehe, und folglich ſo wohl Braut und Braͤutigam, als auch die ſaͤmmtlichen Hochzeit-Daͤntzer und Zuſchauer ihre voͤllige Vergnuͤgung erreichen.
§. 36. Den unordentlichen Weſen, das bey den Hochzeitlichen Dantzen vorgehet, iſt meines Er- achtens auch folgendes mit beyzuzehlen, ſo an einigen Orten im Gebrauch, wenn nemlich die beyden Braut-Fuͤhrer, die Braut mitten aus dem Dan- tze nehmen, und ſolche in Begleitung der ſaͤmmtli- chen Hochzeit-Gaͤſte zu ihrem Braͤutigam in die Kammer fuͤhren, als welcher ſich eine weile vorher zu Bette verfuͤgt, und ſie mit ihrem gantzen Braut- Schmuck zu ihm ins Bette legen. Die ſo genand- te Braut- oder Tietzſch-Mutter aber nimmt einen großen Auflaͤuffer, oder ſo genandten Propheten- Kuchen, ſchlaͤgt denſelben auf der Braut Bette mit der Hand in Stuͤcken, als wolte ſie gleichſam den Stab uͤber die Jungfer brechen. Da greifft ein jeder von denen um das Bette ſtehenden zu, und wenn einer etwas davon bekommt, ſo ſoll dieſes nach einer albern Tradition, wenn die Braut, noch eine veritable Jungfer iſt, vor das Fieber,
die
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0638"n="618"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">II.</hi> Theil. <hirendition="#aq">XV.</hi> Capitul.</hi></fw><lb/>
welche auf der Hochzeit erſcheinen wollen und ſol-<lb/>
len, vorhero ein wenig <hirendition="#aq">exerci</hi>rt, in allen Dingen,<lb/>ſo das <hirendition="#aq">Decorum</hi> und die <hirendition="#aq">honette Couduite</hi> ange-<lb/>
het, gute Ordnungen macht, und Abrede haͤlt, auch<lb/>
zuletzt bey vollſtaͤndiger <hirendition="#aq">Inſtrumental-Muſic</hi> eine<lb/>
Probe anſtellt, damit hernach bey dem Hochzeit-<lb/>
Dantzen alles ordentlich, hoͤflich und manierlich in<lb/>
Worten und Geberden zugehe, und folglich ſo wohl<lb/>
Braut und Braͤutigam, als auch die ſaͤmmtlichen<lb/>
Hochzeit-Daͤntzer und Zuſchauer ihre voͤllige<lb/>
Vergnuͤgung erreichen.</p><lb/><p>§. 36. Den unordentlichen Weſen, das bey den<lb/>
Hochzeitlichen Dantzen vorgehet, iſt meines Er-<lb/>
achtens auch folgendes mit beyzuzehlen, ſo an einigen<lb/>
Orten im Gebrauch, wenn nemlich die beyden<lb/>
Braut-Fuͤhrer, die Braut mitten aus dem Dan-<lb/>
tze nehmen, und ſolche in Begleitung der ſaͤmmtli-<lb/>
chen Hochzeit-Gaͤſte zu ihrem Braͤutigam in die<lb/>
Kammer fuͤhren, als welcher ſich eine weile vorher<lb/>
zu Bette verfuͤgt, und ſie mit ihrem gantzen Braut-<lb/>
Schmuck zu ihm ins Bette legen. Die ſo genand-<lb/>
te Braut- oder Tietzſch-Mutter aber nimmt einen<lb/>
großen Auflaͤuffer, oder ſo genandten Propheten-<lb/>
Kuchen, ſchlaͤgt denſelben auf der Braut Bette mit<lb/>
der Hand in Stuͤcken, als wolte ſie gleichſam den<lb/>
Stab uͤber die Jungfer brechen. Da greifft ein<lb/>
jeder von denen um das Bette ſtehenden zu, und<lb/>
wenn einer etwas davon bekommt, ſo ſoll dieſes<lb/>
nach einer albern <hirendition="#aq">Tradition,</hi> wenn die Braut,<lb/>
noch eine <hirendition="#aq">veritable</hi> Jungfer iſt, vor das Fieber,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">die</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[618/0638]
II. Theil. XV. Capitul.
welche auf der Hochzeit erſcheinen wollen und ſol-
len, vorhero ein wenig exercirt, in allen Dingen,
ſo das Decorum und die honette Couduite ange-
het, gute Ordnungen macht, und Abrede haͤlt, auch
zuletzt bey vollſtaͤndiger Inſtrumental-Muſic eine
Probe anſtellt, damit hernach bey dem Hochzeit-
Dantzen alles ordentlich, hoͤflich und manierlich in
Worten und Geberden zugehe, und folglich ſo wohl
Braut und Braͤutigam, als auch die ſaͤmmtlichen
Hochzeit-Daͤntzer und Zuſchauer ihre voͤllige
Vergnuͤgung erreichen.
§. 36. Den unordentlichen Weſen, das bey den
Hochzeitlichen Dantzen vorgehet, iſt meines Er-
achtens auch folgendes mit beyzuzehlen, ſo an einigen
Orten im Gebrauch, wenn nemlich die beyden
Braut-Fuͤhrer, die Braut mitten aus dem Dan-
tze nehmen, und ſolche in Begleitung der ſaͤmmtli-
chen Hochzeit-Gaͤſte zu ihrem Braͤutigam in die
Kammer fuͤhren, als welcher ſich eine weile vorher
zu Bette verfuͤgt, und ſie mit ihrem gantzen Braut-
Schmuck zu ihm ins Bette legen. Die ſo genand-
te Braut- oder Tietzſch-Mutter aber nimmt einen
großen Auflaͤuffer, oder ſo genandten Propheten-
Kuchen, ſchlaͤgt denſelben auf der Braut Bette mit
der Hand in Stuͤcken, als wolte ſie gleichſam den
Stab uͤber die Jungfer brechen. Da greifft ein
jeder von denen um das Bette ſtehenden zu, und
wenn einer etwas davon bekommt, ſo ſoll dieſes
nach einer albern Tradition, wenn die Braut,
noch eine veritable Jungfer iſt, vor das Fieber,
die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 618. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/638>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.