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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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II. Theil. XIV. Capitul.
Bedienung und Character. Beurtheile vorher,
ob die dergleichen den Landes-Gesetzen und Poli-
cey-Ordnungen nach erlaubet seyn möchte; und
wenn es in denen Landes-Gesetzen nicht vorge-
schrieben, oder wenn es gleich vorgeschrieben,
doch nicht drüber gehalten wird, so gieb Ach-
tung, wie sich andere vernünfftige Leute, die den
Ruhm haben, daß sie die Regeln der Klugheit zu
leben, wohl beobachten, und mit dir von gleichem
Stand, Rang, Character und Einkünfften sind,
aufzuführen pflegen, und diesen ahme nach. Es
ist eine gewisse Wahrheit, ob sie gleich von den we-
nigsten erkandt wird, daß ein Staat, der mit dem
Stand nicht übereinstimmete, mehr einen Ubelstand
als Wohlstand zu verursachen pflegte. Auf das
Geld kommt es nicht allein an, mancher Bauer hat
mehr in Vermögen, als mancher Edelmann, man-
cher Jude, als mancher Geheimder Rath, und
mancher Kauffmann mehr, als mancher Große.
Würde es aber nicht wunderseltzam lassen, wenn
ein Bauer in einer manierlichen Carosse sitzen wol-
te, und einen oder ein paar Laquais neben sich her-
lauffen ließ, oder wenn ein Jude, oder ein Kauff-
mann mit 6. Pferden führ, Heyducken, Läuffer
und Pagen um den Wagen hätte. Doch wenn
auch gleich mancher von ihnen so thöricht wäre,
und es thun wolte, oder es auch thun dürffte, so
würde er sich doch mit diesem seinem großen Staat
so wenig Ehre zu wege bringen, als ein Marckt-
schreyer mit seiner Equipage, oder ein elender ohn-
mächtiger Castrate, der bißweilen in einer prächti-

gen

II. Theil. XIV. Capitul.
Bedienung und Character. Beurtheile vorher,
ob die dergleichen den Landes-Geſetzen und Poli-
cey-Ordnungen nach erlaubet ſeyn moͤchte; und
wenn es in denen Landes-Geſetzen nicht vorge-
ſchrieben, oder wenn es gleich vorgeſchrieben,
doch nicht druͤber gehalten wird, ſo gieb Ach-
tung, wie ſich andere vernuͤnfftige Leute, die den
Ruhm haben, daß ſie die Regeln der Klugheit zu
leben, wohl beobachten, und mit dir von gleichem
Stand, Rang, Character und Einkuͤnfften ſind,
aufzufuͤhren pflegen, und dieſen ahme nach. Es
iſt eine gewiſſe Wahrheit, ob ſie gleich von den we-
nigſten erkandt wird, daß ein Staat, der mit dem
Stand nicht uͤbereinſtimmete, mehr einen Ubelſtand
als Wohlſtand zu verurſachen pflegte. Auf das
Geld kommt es nicht allein an, mancher Bauer hat
mehr in Vermoͤgen, als mancher Edelmann, man-
cher Jude, als mancher Geheimder Rath, und
mancher Kauffmann mehr, als mancher Große.
Wuͤrde es aber nicht wunderſeltzam laſſen, wenn
ein Bauer in einer manierlichen Caroſſe ſitzen wol-
te, und einen oder ein paar Laquais neben ſich her-
lauffen ließ, oder wenn ein Jude, oder ein Kauff-
mann mit 6. Pferden fuͤhr, Heyducken, Laͤuffer
und Pagen um den Wagen haͤtte. Doch wenn
auch gleich mancher von ihnen ſo thoͤricht waͤre,
und es thun wolte, oder es auch thun duͤrffte, ſo
wuͤrde er ſich doch mit dieſem ſeinem großen Staat
ſo wenig Ehre zu wege bringen, als ein Marckt-
ſchreyer mit ſeiner Equipage, oder ein elender ohn-
maͤchtiger Caſtrate, der bißweilen in einer praͤchti-

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[576/0596] II. Theil. XIV. Capitul. Bedienung und Character. Beurtheile vorher, ob die dergleichen den Landes-Geſetzen und Poli- cey-Ordnungen nach erlaubet ſeyn moͤchte; und wenn es in denen Landes-Geſetzen nicht vorge- ſchrieben, oder wenn es gleich vorgeſchrieben, doch nicht druͤber gehalten wird, ſo gieb Ach- tung, wie ſich andere vernuͤnfftige Leute, die den Ruhm haben, daß ſie die Regeln der Klugheit zu leben, wohl beobachten, und mit dir von gleichem Stand, Rang, Character und Einkuͤnfften ſind, aufzufuͤhren pflegen, und dieſen ahme nach. Es iſt eine gewiſſe Wahrheit, ob ſie gleich von den we- nigſten erkandt wird, daß ein Staat, der mit dem Stand nicht uͤbereinſtimmete, mehr einen Ubelſtand als Wohlſtand zu verurſachen pflegte. Auf das Geld kommt es nicht allein an, mancher Bauer hat mehr in Vermoͤgen, als mancher Edelmann, man- cher Jude, als mancher Geheimder Rath, und mancher Kauffmann mehr, als mancher Große. Wuͤrde es aber nicht wunderſeltzam laſſen, wenn ein Bauer in einer manierlichen Caroſſe ſitzen wol- te, und einen oder ein paar Laquais neben ſich her- lauffen ließ, oder wenn ein Jude, oder ein Kauff- mann mit 6. Pferden fuͤhr, Heyducken, Laͤuffer und Pagen um den Wagen haͤtte. Doch wenn auch gleich mancher von ihnen ſo thoͤricht waͤre, und es thun wolte, oder es auch thun duͤrffte, ſo wuͤrde er ſich doch mit dieſem ſeinem großen Staat ſo wenig Ehre zu wege bringen, als ein Marckt- ſchreyer mit ſeiner Equipage, oder ein elender ohn- maͤchtiger Caſtrate, der bißweilen in einer praͤchti- gen

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 576. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/596>, abgerufen am 22.11.2024.