tzosen richten. Es hohlen zwar die Teutschen, als die überhaupt fremden Völckern gerne nachahmen, eines und das andere von ihren Gebräuchen aus Jtalien, aus Engelland, Holland, Pohlen, Mo- scau, u. s. f.; inzwischen sind die Frantzösischen Ge- bräuche vor andern bey uns allgemein worden.
§. 7. Viel Moden leiten ihren Ursprung aus dem verderbten Willen und den bösen Begierden der Menschen. Also treibet die schändliche Gewinn- sucht die meisten Künstler, Kauff und Handwercks- Leute an, daß sie, um der eingerissenen Liebe zur Ab- wechselung zu schmeicheln, die sonderlich unter den Wohlhabenden herrscht, den Wercken der Kunst, die sie zu öffentlichen Verkauff feil bieten wollen, fast alle Jahre eine neue Veränderung und Gestalt geben. Sind sie nun glücklich, daß diese ihre Ver- suche vielen Leuten anfangen zu gefallen, so haben sie ihren Zweck erreicht, und eine Mode inventirt, wo aber nicht, so lassen sie es bey dem bißherigen bewenden, oder thun zu einer andern Zeit wieder ei- nen andern Versuch. Die Unmäßigkeit im Essen und Trincken, da man allzu sinnreich ist, sich und seinem Nächsten, bey dem Speisen und Geträncke, beschwerlich zu seyn, hat mancherley neue Arten erfunden, der Kehle ein flüchtiges Vergnügen zu- wege zu bringen. Manchen Leckermäulern sind alle Geschöpffe des Erd-Creysses nicht mehr zurei- chend, ihre Begierden zu stillen, sondern sie wünschen sich lieber aus dem Monden, oder aus einem andern finstern und bewohnten Cörper, neue Arten der ih-
nen
I. Theil. II. Capitul.
tzoſen richten. Es hohlen zwar die Teutſchen, als die uͤberhaupt fremden Voͤlckern gerne nachahmen, eines und das andere von ihren Gebraͤuchen aus Jtalien, aus Engelland, Holland, Pohlen, Mo- ſcau, u. ſ. f.; inzwiſchen ſind die Frantzoͤſiſchen Ge- braͤuche vor andern bey uns allgemein worden.
§. 7. Viel Moden leiten ihren Urſprung aus dem verderbten Willen und den boͤſen Begierden der Menſchen. Alſo treibet die ſchaͤndliche Gewinn- ſucht die meiſten Kuͤnſtler, Kauff und Handwercks- Leute an, daß ſie, um der eingeriſſenen Liebe zur Ab- wechſelung zu ſchmeicheln, die ſonderlich unter den Wohlhabenden herrſcht, den Wercken der Kunſt, die ſie zu oͤffentlichen Verkauff feil bieten wollen, faſt alle Jahre eine neue Veraͤnderung und Geſtalt geben. Sind ſie nun gluͤcklich, daß dieſe ihre Ver- ſuche vielen Leuten anfangen zu gefallen, ſo haben ſie ihren Zweck erreicht, und eine Mode inventirt, wo aber nicht, ſo laſſen ſie es bey dem bißherigen bewenden, oder thun zu einer andern Zeit wieder ei- nen andern Verſuch. Die Unmaͤßigkeit im Eſſen und Trincken, da man allzu ſinnreich iſt, ſich und ſeinem Naͤchſten, bey dem Speiſen und Getraͤncke, beſchwerlich zu ſeyn, hat mancherley neue Arten erfunden, der Kehle ein fluͤchtiges Vergnuͤgen zu- wege zu bringen. Manchen Leckermaͤulern ſind alle Geſchoͤpffe des Erd-Creyſſes nicht mehr zurei- chend, ihre Begierden zu ſtillen, ſondern ſie wuͤnſchen ſich lieber aus dem Monden, oder aus einem andern finſtern und bewohnten Coͤrper, neue Arten der ih-
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I. Theil. II. Capitul.
tzoſen richten. Es hohlen zwar die Teutſchen, als
die uͤberhaupt fremden Voͤlckern gerne nachahmen,
eines und das andere von ihren Gebraͤuchen aus
Jtalien, aus Engelland, Holland, Pohlen, Mo-
ſcau, u. ſ. f.; inzwiſchen ſind die Frantzoͤſiſchen Ge-
braͤuche vor andern bey uns allgemein worden.
§. 7. Viel Moden leiten ihren Urſprung aus dem
verderbten Willen und den boͤſen Begierden der
Menſchen. Alſo treibet die ſchaͤndliche Gewinn-
ſucht die meiſten Kuͤnſtler, Kauff und Handwercks-
Leute an, daß ſie, um der eingeriſſenen Liebe zur Ab-
wechſelung zu ſchmeicheln, die ſonderlich unter den
Wohlhabenden herrſcht, den Wercken der Kunſt,
die ſie zu oͤffentlichen Verkauff feil bieten wollen,
faſt alle Jahre eine neue Veraͤnderung und Geſtalt
geben. Sind ſie nun gluͤcklich, daß dieſe ihre Ver-
ſuche vielen Leuten anfangen zu gefallen, ſo haben
ſie ihren Zweck erreicht, und eine Mode inventirt,
wo aber nicht, ſo laſſen ſie es bey dem bißherigen
bewenden, oder thun zu einer andern Zeit wieder ei-
nen andern Verſuch. Die Unmaͤßigkeit im Eſſen
und Trincken, da man allzu ſinnreich iſt, ſich und
ſeinem Naͤchſten, bey dem Speiſen und Getraͤncke,
beſchwerlich zu ſeyn, hat mancherley neue Arten
erfunden, der Kehle ein fluͤchtiges Vergnuͤgen zu-
wege zu bringen. Manchen Leckermaͤulern ſind
alle Geſchoͤpffe des Erd-Creyſſes nicht mehr zurei-
chend, ihre Begierden zu ſtillen, ſondern ſie wuͤnſchen
ſich lieber aus dem Monden, oder aus einem andern
finſtern und bewohnten Coͤrper, neue Arten der ih-
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/58>, abgerufen am 24.11.2024.
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