Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Theil. XIII. Capitul.
wird hiermit freylich nicht auskommen. Da müs-
sen bey alltäglichen Kleidern stets Veränderungen
seyn, die Gala-Kleider müssen bey den öfftern Hof-
Solennitaeten und dabey vorfallenden Lustbarkei-
ten auf eine vielfache Weise abgewechselt werden,
es müssen andere Kleider seyn, wenn sich die Herr-
schafft auf die Jagt begiebt, wieder andere, wenn
sie auf die Parforce-Jagt gehet, und wer wolte doch
alle die Fälle, bey welchen an einigen Oertern der
Mode nach, die Kleider müssen verändert werden,
anführen.

§. 18. Einige, die es doch ihren Umständen nach,
nicht nöthig hätten, gehen bey dieser Art der Ver-
schwendung so weit, daß sie sich nicht einmahl be-
gnügen lassen, wenn sie so viel Kleider haben, als
Monathe im Jahre, oder gar als Wochen im Jah-
re, sondern wollen auch noch weiter gehen, wie mir
selbst, ob es gleich fast unglaublich scheinet, aus ei-
nigen sichern Exempeln bekandt worden. Je
mehr sie Kleider haben, je glückseeliger achten sie
sich, je mehr prahlen sie denn mit, und je mehr
verachten sie andere, die nicht so mit machen kön-
nen. Doch es ist, wie ein gewisser Moraliste
schreibet, eine vollkommene Thorheit, wenn die
Menschen entweder viel oder wenig aufgeblasen
werden, und sich demüthigen, nachdem sie mehr
oder weniger von mancherley kostbahrern oder
schlechtern Zeuge eingehüllet werden.

§. 19. Daß unsere jetzige Zeit sich zu kleiden,
vor den Zeiten unserer Vorfahren an Bequemlich-

keit,

II. Theil. XIII. Capitul.
wird hiermit freylich nicht auskommen. Da muͤſ-
ſen bey alltaͤglichen Kleidern ſtets Veraͤnderungen
ſeyn, die Gala-Kleider muͤſſen bey den oͤfftern Hof-
Solennitæten und dabey vorfallenden Luſtbarkei-
ten auf eine vielfache Weiſe abgewechſelt werden,
es muͤſſen andere Kleider ſeyn, wenn ſich die Herr-
ſchafft auf die Jagt begiebt, wieder andere, wenn
ſie auf die Parforce-Jagt gehet, und wer wolte doch
alle die Faͤlle, bey welchen an einigen Oertern der
Mode nach, die Kleider muͤſſen veraͤndert werden,
anfuͤhren.

§. 18. Einige, die es doch ihren Umſtaͤnden nach,
nicht noͤthig haͤtten, gehen bey dieſer Art der Ver-
ſchwendung ſo weit, daß ſie ſich nicht einmahl be-
gnuͤgen laſſen, wenn ſie ſo viel Kleider haben, als
Monathe im Jahre, oder gar als Wochen im Jah-
re, ſondern wollen auch noch weiter gehen, wie mir
ſelbſt, ob es gleich faſt unglaublich ſcheinet, aus ei-
nigen ſichern Exempeln bekandt worden. Je
mehr ſie Kleider haben, je gluͤckſeeliger achten ſie
ſich, je mehr prahlen ſie denn mit, und je mehr
verachten ſie andere, die nicht ſo mit machen koͤn-
nen. Doch es iſt, wie ein gewiſſer Moraliſte
ſchreibet, eine vollkommene Thorheit, wenn die
Menſchen entweder viel oder wenig aufgeblaſen
werden, und ſich demuͤthigen, nachdem ſie mehr
oder weniger von mancherley koſtbahrern oder
ſchlechtern Zeuge eingehuͤllet werden.

§. 19. Daß unſere jetzige Zeit ſich zu kleiden,
vor den Zeiten unſerer Vorfahren an Bequemlich-

keit,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0576" n="556"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Theil. <hi rendition="#aq">XIII.</hi> Capitul.</hi></fw><lb/>
wird hiermit freylich nicht auskommen. Da mu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en bey allta&#x0364;glichen Kleidern &#x017F;tets Vera&#x0364;nderungen<lb/>
&#x017F;eyn, die <hi rendition="#aq">Gala-</hi>Kleider mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en bey den o&#x0364;fftern Hof-<lb/><hi rendition="#aq">Solennitæt</hi>en und dabey vorfallenden Lu&#x017F;tbarkei-<lb/>
ten auf eine vielfache Wei&#x017F;e abgewech&#x017F;elt werden,<lb/>
es mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en andere Kleider &#x017F;eyn, wenn &#x017F;ich die Herr-<lb/>
&#x017F;chafft auf die Jagt begiebt, wieder andere, wenn<lb/>
&#x017F;ie auf die <hi rendition="#aq">Parforce-</hi>Jagt gehet, und wer wolte doch<lb/>
alle die Fa&#x0364;lle, bey welchen an einigen Oertern der<lb/><hi rendition="#aq">Mode</hi> nach, die Kleider mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en vera&#x0364;ndert werden,<lb/>
anfu&#x0364;hren.</p><lb/>
        <p>§. 18. Einige, die es doch ihren Um&#x017F;ta&#x0364;nden nach,<lb/>
nicht no&#x0364;thig ha&#x0364;tten, gehen bey die&#x017F;er Art der Ver-<lb/>
&#x017F;chwendung &#x017F;o weit, daß &#x017F;ie &#x017F;ich nicht einmahl be-<lb/>
gnu&#x0364;gen la&#x017F;&#x017F;en, wenn &#x017F;ie &#x017F;o viel Kleider haben, als<lb/>
Monathe im Jahre, oder gar als Wochen im Jah-<lb/>
re, &#x017F;ondern wollen auch noch weiter gehen, wie mir<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t, ob es gleich fa&#x017F;t unglaublich &#x017F;cheinet, aus ei-<lb/>
nigen &#x017F;ichern Exempeln bekandt worden. Je<lb/>
mehr &#x017F;ie Kleider haben, je glu&#x0364;ck&#x017F;eeliger achten &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich, je mehr prahlen &#x017F;ie denn mit, und je mehr<lb/>
verachten &#x017F;ie andere, die nicht &#x017F;o mit machen ko&#x0364;n-<lb/>
nen. Doch es i&#x017F;t, wie ein gewi&#x017F;&#x017F;er <hi rendition="#aq">Morali&#x017F;te</hi><lb/>
&#x017F;chreibet, eine vollkommene Thorheit, wenn die<lb/>
Men&#x017F;chen entweder viel oder wenig aufgebla&#x017F;en<lb/>
werden, und &#x017F;ich demu&#x0364;thigen, nachdem &#x017F;ie mehr<lb/>
oder weniger von mancherley ko&#x017F;tbahrern oder<lb/>
&#x017F;chlechtern Zeuge eingehu&#x0364;llet werden.</p><lb/>
        <p>§. 19. Daß un&#x017F;ere jetzige Zeit &#x017F;ich zu kleiden,<lb/>
vor den Zeiten un&#x017F;erer Vorfahren an Bequemlich-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">keit,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[556/0576] II. Theil. XIII. Capitul. wird hiermit freylich nicht auskommen. Da muͤſ- ſen bey alltaͤglichen Kleidern ſtets Veraͤnderungen ſeyn, die Gala-Kleider muͤſſen bey den oͤfftern Hof- Solennitæten und dabey vorfallenden Luſtbarkei- ten auf eine vielfache Weiſe abgewechſelt werden, es muͤſſen andere Kleider ſeyn, wenn ſich die Herr- ſchafft auf die Jagt begiebt, wieder andere, wenn ſie auf die Parforce-Jagt gehet, und wer wolte doch alle die Faͤlle, bey welchen an einigen Oertern der Mode nach, die Kleider muͤſſen veraͤndert werden, anfuͤhren. §. 18. Einige, die es doch ihren Umſtaͤnden nach, nicht noͤthig haͤtten, gehen bey dieſer Art der Ver- ſchwendung ſo weit, daß ſie ſich nicht einmahl be- gnuͤgen laſſen, wenn ſie ſo viel Kleider haben, als Monathe im Jahre, oder gar als Wochen im Jah- re, ſondern wollen auch noch weiter gehen, wie mir ſelbſt, ob es gleich faſt unglaublich ſcheinet, aus ei- nigen ſichern Exempeln bekandt worden. Je mehr ſie Kleider haben, je gluͤckſeeliger achten ſie ſich, je mehr prahlen ſie denn mit, und je mehr verachten ſie andere, die nicht ſo mit machen koͤn- nen. Doch es iſt, wie ein gewiſſer Moraliſte ſchreibet, eine vollkommene Thorheit, wenn die Menſchen entweder viel oder wenig aufgeblaſen werden, und ſich demuͤthigen, nachdem ſie mehr oder weniger von mancherley koſtbahrern oder ſchlechtern Zeuge eingehuͤllet werden. §. 19. Daß unſere jetzige Zeit ſich zu kleiden, vor den Zeiten unſerer Vorfahren an Bequemlich- keit,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/576
Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 556. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/576>, abgerufen am 10.05.2024.