§. 2. Nach der inwendigen Facon waren die Zimmer sehr hoch, und ausserordentlich groß und ge- raumig, die Fenster schmahl und niedrig, die Thü- ren schmahl und oval, so daß sich ein jeder, der von ein einer etwas langen Statur war, bücken muste, wenn er hinein gehen wolte. Die Fuß-Böden waren entweder mit blossen gemeinen Steinen aus- gesetzt, oder mit schlechten höltzernen Dielen beleget, die Decken entweder von blossem Mauerwerck ge- wölbet, oder von Holtz, das mit einer Oehl-Farbe, gemeiniglich aber mit einer Wasser-Farbe, über- strichen.
§. 3. Diese Art zu bauen dauerte ungefehr biß zu Anfang des abgewichenen Seculi, alsdenn fieng man an etwas klüger zu werden. Bey dem aus- wendigen Bau beflisse man sich einer mehrern Sym- metrie, die Giebel wurden ordentlicher angelegt, die Fenster höher und breiter, und nach geraden Li- nien, da sie ehedem fast wie die Noten in der Music bißweilen standen, die Mauren wurden nicht mehr so gar massiv gebauet. Die Thürme behielte man, man sahe aber dabey mehr auf die Zierde, die sie einem Gebäude geben solten, als auf die andern Absichten, die man ehedessen zum Grund dabey legte. Die Thüren wurden etwas höher und brei- ter gemacht, ob sie gleich die Oval-Figur noch be- hielten. Die Zimmer wurden auch bequemer an- gelegt, als sonst. Um diese Zeit herum, und in dem sechzehenden Seculo, war es sonderlich Mode, daß die Standes-Personen, und die vom Adel, fast al-
lenthal-
II. Theil. XII. Capitul.
§. 2. Nach der inwendigen Façon waren die Zimmer ſehr hoch, und auſſerordentlich groß und ge- raumig, die Fenſter ſchmahl und niedrig, die Thuͤ- ren ſchmahl und oval, ſo daß ſich ein jeder, der von ein einer etwas langen Statur war, buͤcken muſte, wenn er hinein gehen wolte. Die Fuß-Boͤden waren entweder mit bloſſen gemeinen Steinen aus- geſetzt, oder mit ſchlechten hoͤltzernen Dielen beleget, die Decken entweder von bloſſem Mauerwerck ge- woͤlbet, oder von Holtz, das mit einer Oehl-Farbe, gemeiniglich aber mit einer Waſſer-Farbe, uͤber- ſtrichen.
§. 3. Dieſe Art zu bauen dauerte ungefehr biß zu Anfang des abgewichenen Seculi, alsdenn fieng man an etwas kluͤger zu werden. Bey dem aus- wendigen Bau befliſſe man ſich einer mehrern Sym- metrie, die Giebel wurden ordentlicher angelegt, die Fenſter hoͤher und breiter, und nach geraden Li- nien, da ſie ehedem faſt wie die Noten in der Muſic bißweilen ſtanden, die Mauren wurden nicht mehr ſo gar maſſiv gebauet. Die Thuͤrme behielte man, man ſahe aber dabey mehr auf die Zierde, die ſie einem Gebaͤude geben ſolten, als auf die andern Abſichten, die man ehedeſſen zum Grund dabey legte. Die Thuͤren wurden etwas hoͤher und brei- ter gemacht, ob ſie gleich die Oval-Figur noch be- hielten. Die Zimmer wurden auch bequemer an- gelegt, als ſonſt. Um dieſe Zeit herum, und in dem ſechzehenden Seculo, war es ſonderlich Mode, daß die Standes-Perſonen, und die vom Adel, faſt al-
lenthal-
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0538"n="518"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">II.</hi> Theil. <hirendition="#aq">XII.</hi> Capitul.</hi></fw><lb/><p>§. 2. Nach der inwendigen <hirendition="#aq">Façon</hi> waren die<lb/>
Zimmer ſehr hoch, und auſſerordentlich groß und ge-<lb/>
raumig, die Fenſter ſchmahl und niedrig, die Thuͤ-<lb/>
ren ſchmahl und <hirendition="#aq">oval,</hi>ſo daß ſich ein jeder, der von<lb/>
ein einer etwas langen <hirendition="#aq">Statur</hi> war, buͤcken muſte,<lb/>
wenn er hinein gehen wolte. Die Fuß-Boͤden<lb/>
waren entweder mit bloſſen gemeinen Steinen aus-<lb/>
geſetzt, oder mit ſchlechten hoͤltzernen Dielen beleget,<lb/>
die Decken entweder von bloſſem Mauerwerck ge-<lb/>
woͤlbet, oder von Holtz, das mit einer Oehl-Farbe,<lb/>
gemeiniglich aber mit einer Waſſer-Farbe, uͤber-<lb/>ſtrichen.</p><lb/><p>§. 3. Dieſe Art zu bauen dauerte ungefehr biß<lb/>
zu Anfang des abgewichenen <hirendition="#aq">Seculi,</hi> alsdenn fieng<lb/>
man an etwas kluͤger zu werden. Bey dem aus-<lb/>
wendigen Bau befliſſe man ſich einer mehrern <hirendition="#aq">Sym-<lb/>
metrie,</hi> die Giebel wurden ordentlicher angelegt,<lb/>
die Fenſter hoͤher und breiter, und nach geraden Li-<lb/>
nien, da ſie ehedem faſt wie die <hirendition="#aq">Not</hi>en in der <hirendition="#aq">Muſic</hi><lb/>
bißweilen ſtanden, die Mauren wurden nicht mehr<lb/>ſo gar <hirendition="#aq">maſſiv</hi> gebauet. Die Thuͤrme behielte<lb/>
man, man ſahe aber dabey mehr auf die Zierde, die<lb/>ſie einem Gebaͤude geben ſolten, als auf die andern<lb/>
Abſichten, die man ehedeſſen zum Grund dabey<lb/>
legte. Die Thuͤren wurden etwas hoͤher und brei-<lb/>
ter gemacht, ob ſie gleich die <hirendition="#aq">Oval-Figur</hi> noch be-<lb/>
hielten. Die Zimmer wurden auch bequemer an-<lb/>
gelegt, als ſonſt. Um dieſe Zeit herum, und in dem<lb/>ſechzehenden <hirendition="#aq">Seculo,</hi> war es ſonderlich <hirendition="#aq">Mode,</hi> daß<lb/>
die Standes-Perſonen, und die vom Adel, faſt al-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">lenthal-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[518/0538]
II. Theil. XII. Capitul.
§. 2. Nach der inwendigen Façon waren die
Zimmer ſehr hoch, und auſſerordentlich groß und ge-
raumig, die Fenſter ſchmahl und niedrig, die Thuͤ-
ren ſchmahl und oval, ſo daß ſich ein jeder, der von
ein einer etwas langen Statur war, buͤcken muſte,
wenn er hinein gehen wolte. Die Fuß-Boͤden
waren entweder mit bloſſen gemeinen Steinen aus-
geſetzt, oder mit ſchlechten hoͤltzernen Dielen beleget,
die Decken entweder von bloſſem Mauerwerck ge-
woͤlbet, oder von Holtz, das mit einer Oehl-Farbe,
gemeiniglich aber mit einer Waſſer-Farbe, uͤber-
ſtrichen.
§. 3. Dieſe Art zu bauen dauerte ungefehr biß
zu Anfang des abgewichenen Seculi, alsdenn fieng
man an etwas kluͤger zu werden. Bey dem aus-
wendigen Bau befliſſe man ſich einer mehrern Sym-
metrie, die Giebel wurden ordentlicher angelegt,
die Fenſter hoͤher und breiter, und nach geraden Li-
nien, da ſie ehedem faſt wie die Noten in der Muſic
bißweilen ſtanden, die Mauren wurden nicht mehr
ſo gar maſſiv gebauet. Die Thuͤrme behielte
man, man ſahe aber dabey mehr auf die Zierde, die
ſie einem Gebaͤude geben ſolten, als auf die andern
Abſichten, die man ehedeſſen zum Grund dabey
legte. Die Thuͤren wurden etwas hoͤher und brei-
ter gemacht, ob ſie gleich die Oval-Figur noch be-
hielten. Die Zimmer wurden auch bequemer an-
gelegt, als ſonſt. Um dieſe Zeit herum, und in dem
ſechzehenden Seculo, war es ſonderlich Mode, daß
die Standes-Perſonen, und die vom Adel, faſt al-
lenthal-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 518. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/538>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.