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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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II. Theil. XI. Capitul.
literature & de Morale sur les pieces du theatre.
pag.
225.

§. 25. Jch vor meine Person wolte wünschen,
daß alle diejenigen, die die Comoedien und Opern
so fleißig besuchen, daher Anlaß nehmen möchten,
sie als eine deutliche Abbildung unsers Lebens zu be-
trachten. Die Welt ist ein grosses Theatrum, all-
wo ein jeder seine Person spielt. Augustus, da er
sterben wolte, fragte die Liviam, ob er die seinige
wohl vorgestellt hätte? Laßt uns den Schluß ma-
chen, daß wenig daran gelegen sey, was wir für eine
Person spielen, wenn wir es nur wohl machen. Es
kan einer eben so viel Ruhm erlangen, wenn er die
Person eines Sclaven, als eines Uberwinders agirt,
und der heute die eine spielet, mag es morgen umkeh-
ren, und die andere Person spielen. So groß sind
die Abwechselungen der Welt, daß man darinnen
keine feste Hoffnung bauen kan. Wann die Co-
moedie
zu Ende ist, bleibet nichts übrig, als ein elen-
des Erinnern der eingebildeten Hoheit. Die Co-
moediant
en nehmen insgesammt ihre vorige Figur
wieder an. Also ist es auch, wenn unser Leben ver-
gehet, so verschwindet alle Hoheit, und der Tod,
welcher alles endiget, bringt uns zuletzt alle wieder in
die Gleichheit unsers ersten Wesens.

§. 26. Ein junger Cavalier muß, bißweilen an
fremden und einheimischen Orten, theils aus Cu-
riosit
ät, theils des Wohlstandes wegen, die Car-
nevals, Redout
en und Masqueraden mit besuchen.
Je seltner er dieselben besucht, je besser ists vor seine

Seele,

II. Theil. XI. Capitul.
literature & de Morale ſur les piéces du theatré.
pag.
225.

§. 25. Jch vor meine Perſon wolte wuͤnſchen,
daß alle diejenigen, die die Comœdien und Opern
ſo fleißig beſuchen, daher Anlaß nehmen moͤchten,
ſie als eine deutliche Abbildung unſers Lebens zu be-
trachten. Die Welt iſt ein groſſes Theatrum, all-
wo ein jeder ſeine Perſon ſpielt. Auguſtus, da er
ſterben wolte, fragte die Liviam, ob er die ſeinige
wohl vorgeſtellt haͤtte? Laßt uns den Schluß ma-
chen, daß wenig daran gelegen ſey, was wir fuͤr eine
Perſon ſpielen, wenn wir es nur wohl machen. Es
kan einer eben ſo viel Ruhm erlangen, wenn er die
Perſon eines Sclaven, als eines Uberwinders agirt,
und der heute die eine ſpielet, mag es morgen umkeh-
ren, und die andere Perſon ſpielen. So groß ſind
die Abwechſelungen der Welt, daß man darinnen
keine feſte Hoffnung bauen kan. Wann die Co-
mœdie
zu Ende iſt, bleibet nichts uͤbrig, als ein elen-
des Erinnern der eingebildeten Hoheit. Die Co-
mœdiant
en nehmen insgeſammt ihre vorige Figur
wieder an. Alſo iſt es auch, wenn unſer Leben ver-
gehet, ſo verſchwindet alle Hoheit, und der Tod,
welcher alles endiget, bringt uns zuletzt alle wieder in
die Gleichheit unſers erſten Weſens.

§. 26. Ein junger Cavalier muß, bißweilen an
fremden und einheimiſchen Orten, theils aus Cu-
rioſit
aͤt, theils des Wohlſtandes wegen, die Car-
nevals, Redout
en und Maſqueraden mit beſuchen.
Je ſeltner er dieſelben beſucht, je beſſer iſts vor ſeine

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[506/0526] II. Theil. XI. Capitul. literature & de Morale ſur les piéces du theatré. pag. 225. §. 25. Jch vor meine Perſon wolte wuͤnſchen, daß alle diejenigen, die die Comœdien und Opern ſo fleißig beſuchen, daher Anlaß nehmen moͤchten, ſie als eine deutliche Abbildung unſers Lebens zu be- trachten. Die Welt iſt ein groſſes Theatrum, all- wo ein jeder ſeine Perſon ſpielt. Auguſtus, da er ſterben wolte, fragte die Liviam, ob er die ſeinige wohl vorgeſtellt haͤtte? Laßt uns den Schluß ma- chen, daß wenig daran gelegen ſey, was wir fuͤr eine Perſon ſpielen, wenn wir es nur wohl machen. Es kan einer eben ſo viel Ruhm erlangen, wenn er die Perſon eines Sclaven, als eines Uberwinders agirt, und der heute die eine ſpielet, mag es morgen umkeh- ren, und die andere Perſon ſpielen. So groß ſind die Abwechſelungen der Welt, daß man darinnen keine feſte Hoffnung bauen kan. Wann die Co- mœdie zu Ende iſt, bleibet nichts uͤbrig, als ein elen- des Erinnern der eingebildeten Hoheit. Die Co- mœdianten nehmen insgeſammt ihre vorige Figur wieder an. Alſo iſt es auch, wenn unſer Leben ver- gehet, ſo verſchwindet alle Hoheit, und der Tod, welcher alles endiget, bringt uns zuletzt alle wieder in die Gleichheit unſers erſten Weſens. §. 26. Ein junger Cavalier muß, bißweilen an fremden und einheimiſchen Orten, theils aus Cu- rioſitaͤt, theils des Wohlſtandes wegen, die Car- nevals, Redouten und Maſqueraden mit beſuchen. Je ſeltner er dieſelben beſucht, je beſſer iſts vor ſeine Seele,

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 506. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/526>, abgerufen am 22.11.2024.