Einige wären auch gar so weit gegangen, daß sie sich lieber verbrennen, und von wilden Thieren zer- reissen lassen, als daß sie gedantzet hätten. S. Ar- nolds Kirchen-Historie IV. Buch VI. Eap. Ob nun wohl die ersten Christen in ihrem Christenthum viel eifriger und feuriger gewesen, als unsere heuti- gen kaltsinnigen Christen, und wir sehr wohl thun, wenn wir ihnen nachahmen, so viel als möglich, so müssen wir doch nicht so weit gehen, daß wir alles dasjenige, worinnen wir die ersten Christen nicht zu Vorgängern haben, vor Sünde halten wolten. Die Gebothe und Verbothe GOttes sind hierin- nen vor die eintzige und beste Richtschnur anzuneh- men. Es vergieng den guten Leuten wohl das Dantzen, da sie sich stets vor den heydnischen Ver- folgungen in Acht zu nehmen und zu fürchten Ursach hatten.
§. 11. Das Dantzen bleibet also an und vor sich selbst etwas zuläßiges, nachdem aber so grosse Gefahr vorhanden, daß es gar leicht zur Sünde werden kan, so dantzet ein junger Cavalier, der die Pflichten des Christenthums in Obacht neh- men will, so selten als möglich, insonderheit gehet er denen von der Welt angestellten öffentlichen Bällen aus dem Wege, wo er kan und weiß, und dantzet auf denselben, oder auch wohl nicht eher, als wo es ein unvermeidlicher Wohlstand erfordern will, oder wo ihn ein wichtiger Grund dazu an- treibt. Man muß sich wundern, daß der Graf Bussy Rabutin, der doch so ein starcker Welt-
Mann
II. Theil. X. Capitul.
Einige waͤren auch gar ſo weit gegangen, daß ſie ſich lieber verbrennen, und von wilden Thieren zer- reiſſen laſſen, als daß ſie gedantzet haͤtten. S. Ar- nolds Kirchen-Hiſtorie IV. Buch VI. Eap. Ob nun wohl die erſten Chriſten in ihrem Chriſtenthum viel eifriger und feuriger geweſen, als unſere heuti- gen kaltſinnigen Chriſten, und wir ſehr wohl thun, wenn wir ihnen nachahmen, ſo viel als moͤglich, ſo muͤſſen wir doch nicht ſo weit gehen, daß wir alles dasjenige, worinnen wir die erſten Chriſten nicht zu Vorgaͤngern haben, vor Suͤnde halten wolten. Die Gebothe und Verbothe GOttes ſind hierin- nen vor die eintzige und beſte Richtſchnur anzuneh- men. Es vergieng den guten Leuten wohl das Dantzen, da ſie ſich ſtets vor den heydniſchen Ver- folgungen in Acht zu nehmen und zu fuͤrchten Urſach hatten.
§. 11. Das Dantzen bleibet alſo an und vor ſich ſelbſt etwas zulaͤßiges, nachdem aber ſo groſſe Gefahr vorhanden, daß es gar leicht zur Suͤnde werden kan, ſo dantzet ein junger Cavalier, der die Pflichten des Chriſtenthums in Obacht neh- men will, ſo ſelten als moͤglich, inſonderheit gehet er denen von der Welt angeſtellten oͤffentlichen Baͤllen aus dem Wege, wo er kan und weiß, und dantzet auf denſelben, oder auch wohl nicht eher, als wo es ein unvermeidlicher Wohlſtand erfordern will, oder wo ihn ein wichtiger Grund dazu an- treibt. Man muß ſich wundern, daß der Graf Buſſy Rabutin, der doch ſo ein ſtarcker Welt-
Mann
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II. Theil. X. Capitul.
Einige waͤren auch gar ſo weit gegangen, daß ſie
ſich lieber verbrennen, und von wilden Thieren zer-
reiſſen laſſen, als daß ſie gedantzet haͤtten. S. Ar-
nolds Kirchen-Hiſtorie IV. Buch VI. Eap. Ob
nun wohl die erſten Chriſten in ihrem Chriſtenthum
viel eifriger und feuriger geweſen, als unſere heuti-
gen kaltſinnigen Chriſten, und wir ſehr wohl thun,
wenn wir ihnen nachahmen, ſo viel als moͤglich, ſo
muͤſſen wir doch nicht ſo weit gehen, daß wir alles
dasjenige, worinnen wir die erſten Chriſten nicht
zu Vorgaͤngern haben, vor Suͤnde halten wolten.
Die Gebothe und Verbothe GOttes ſind hierin-
nen vor die eintzige und beſte Richtſchnur anzuneh-
men. Es vergieng den guten Leuten wohl das
Dantzen, da ſie ſich ſtets vor den heydniſchen Ver-
folgungen in Acht zu nehmen und zu fuͤrchten Urſach
hatten.
§. 11. Das Dantzen bleibet alſo an und vor
ſich ſelbſt etwas zulaͤßiges, nachdem aber ſo groſſe
Gefahr vorhanden, daß es gar leicht zur Suͤnde
werden kan, ſo dantzet ein junger Cavalier, der
die Pflichten des Chriſtenthums in Obacht neh-
men will, ſo ſelten als moͤglich, inſonderheit gehet
er denen von der Welt angeſtellten oͤffentlichen
Baͤllen aus dem Wege, wo er kan und weiß, und
dantzet auf denſelben, oder auch wohl nicht eher,
als wo es ein unvermeidlicher Wohlſtand erfordern
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 476. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/496>, abgerufen am 22.11.2024.
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